SECHSUNDSECHZIG

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Das Meeting gestern ging dann doch langsamer als gedacht von Statten, vor allem wenn man bedachte, dass Noel und ich eigentlich noch an eine andere Zeit gewohnt waren.

Durch das ganze Chaos am vergangenen Tag hatte ich doch tatsächlich vergessen mir einen Wecker zu stellen, aber dank der Zeitumgewöhnung wachte ich dann doch recht früh wieder auf. Die Zeit nutzte ich um zu Duschen. Mir war ja bewusst gewesen, dass es hier wärmer sein würde als in Deutschland gerade, aber ganz so schnell konnte mein Körper sich auch wieder nicht an den plötzlichen Temperaturumschwung gewöhnen.

Nach der Dusche wollte ich noch einen schnellen Blick auf mein Handy werfen. Doch das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Dieses hatte nämlich keine Akku mehr und auch nach mehrfachen durchwühlen meiner mitgebrachten Habseligkeiten fand ich kein Ladekabel.

„Na super“, seufzte ich auf. „An jeden Scheiß hab ich gedacht, aber an mein Ladekabel natürlich nicht.“

Beim Frühstück traf ich dann auf Noel, welcher auch noch etwas zerknautscht wirkte, aber schon einen Kaffee vor sich stehen hatte.

„Morgen“, grüßt ich, als ich mich zu ihm an den Tisch setzte.

„Guten morgen“, lächelte dieser aus noch müden Augen zurück. Klar, für ihn war das gestern ein ganz schön langer Tag. Immerhin hatte er so weit ich wusste nicht im Flugzeug geschlafen.

„Du hast nicht zufällig ein Ladekabel dabei, dass ich mir leihen könnte“, fragte ich hoffnungsvoll nach.

„Mein Ladekabel ist gerade leider schon belegt, aber ich könnte dir noch eine Power-Bank anbieten“, schlug Noel vor.

„Du bist meine Rettung“, erleichtert seufzte ich auf und konnte mein Frühstück jetzt wenigstens halbwegs genießen. Wenn da nicht dieser fahle Beigeschmack wäre.

Elias Worte drängten sich immer wieder in mein Bewusstsein. Nur eine Angestellte. Diese Bezeichnung hatte mich tiefer verletzt als ich es mir vorstellen konnte. Ich dachte wir wären mehr. Immerhin hatte ich ihn als meinen Freund bezeichnet.

Hatte er mich jemals seine Freundin genannt? Ich versuchte mich zurück zu erinnern, stolperte aber nie über eine Situation in der Elias mich so genannt hatte. Sah er mich also wirklich nur als Angestellte, aber eben mit ein paar Bonuszusätzen. Bei diesem Gedanken schüttelte es mich innerlich.

Nein, Elias und ich hatten mehr als eine geschäftliche Beziehung. Immerhin waren wird doch Freunde, zumindest war es mir so vorgekommen. Aber warum hatte er dann nichts gesagt? Und sich auch nicht mehr bei mir gemeldet? Das konnte ich in meinem Kopf einfach nicht zusammen fügen.

„Hier bitteschön, einmal Stromreserve für unterwegs“, erst als Noel mir die Power-Bank unter die Nase hielt nahm ich meine Umgebung wieder richtig wahr.

Mir war irgendwie gar nicht wirklich aufgefallen, dass wir unser Frühstück schon beendet hatten und nun vor Noels Zimmer standen.

„Danke“, brachte ich schließlich heraus, bevor ich mein Handy hervor kramte, um es endlich wieder mit Strom zu füttern.

„Wenn ich mich nicht komplett irre müssen wir langsam mal los zur ersten Location“, stelle ich fest. „Treffen wir uns in 5 Minuten in der Lobby.“

„Sounds like a good plan“, meinte Noel dazu nur. „Bis  gleich.“

Also machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer, um alles was ich für den Tag brauchen würde irgendwie in meine Tasche zu bekommen. Wenn ich mir richtig erinnerte stand heute das große Werbe-Shooting an.

Dafür hatte unser Partner extra mehrere Locations ausgesucht, so dass wir den ganzen Tag unterwegs sein würden. Unser erster Halt brachte uns direkt an den Strand. Und während Noel für das Shooting hergerichtet wurde, stand ich etwas abseits und ließ meinen Blick übers Meer wandern.

War es wirklich richtig gewesen auf diese Geschäftsreise zu gehen? Ich wusste es einfach nicht. Mein Kopf schien wie leer gefegt, was vielleicht gar nicht so schlecht war. Dann würde ich mich immerhin nicht mit meinen Gedanke im Kreis drehen.

Mit einem kurzen Seitenblick vergewisserte ich mich, dass beim Shooting alles gut lief. Dann zog ich mir die Sandalen von den Füßen und watete etwas ins seichte Wasser. Wenn ich schon mal bei so sommerlichen Temperaturen hier war, konnte ich auch das Meer genießen, so lange ich nicht für irgendwelche Managementsachen gebraucht wurde.

Mit langsamen Schritten ging ich so weit hinaus, bis die leichten Wellen immer wieder gegen meine Knie schlugen. Irgendwie wirkte das alles sehr beruhigend auf mich und wenn ich die Rufe des Fotografens ausblendete, konnte ich wirklich in diesen Moment eintauchen.

Was mir auch fast gelang, bis ich auf einmal ein stechendes Brennen an meinem Schienbein bemerkte. Erschreckt und vor Schmerz schrie ich auf und versuchte so schnell es ging wieder aus dem Wasser zu kommen.

Am Shooting-Set hat man meinem Schrei wohl gehört, denn kaum hatte ich das Meer ein paar Schritte hinter mir gelassen stand Noel auch schon neben mir.

„Malin, was ist los?“, fragte dieser besorgt nach.

„Ich weiß auch nicht“, gab ich mit zusammen gebissenes Zähnen von mir. „Ich stand nur ein bisschen im Meer rum und auf einmal hat mein Schienbein gebrannt.“

Vor Schmerzen konnte ich einfach nicht mehr stehen und ließ mich in den Sand fallen. Auf meinem Schienbein hatte sich ein roter Streifen gebildet, sonst erkannte ich aber nichts was diesen Brennen verursachte.

„Feuerquallen“, meinte Noel schließlich und kniete sich neben mich. „Es muss gerade wohl welche im Wasser geben und du bist einer begegnet.“

„Aber warum brennt das dann noch so?“, fragte ich verzweifelt nach und versuchte mein Bein nicht zu bewegen.

„Die Haare der Qualle bleiben an der Haut haften“, erklärte Noel mir, während er eine Hand voll Sand auf mein Bein kippte und damit über die rote Stelle rubbelte. „Deswegen muss man die irgendwie runter bekommen.“

Tatsächlich linderte diese Tat das Brennen ein wenig und ich konnte meine verbissenen Zähne wieder von einander lösen. Eine der Visagistinnen kam zu uns und drückt Noel eine Dose Rasierschaum in die Hand.

„This will help“, versicherte sie uns und tatsächlich lies das Brennen mit dem weißen Schaum auf meinem Bein endlich nach.

„Thank you“, wandte ich mich an die Visagistin und lächelte auch Noel dankbar zu. „Tolle Managerin bin ich, jetzt halte ich auch noch meine Klienten von ihrer Arbeit ab.“

„Hatte eh mal eine Pause nötig“, wank Noel ab und wisperte mir dann zu. „Der Fotograf ist sowieso ein kleiner Perfektionist. Wir haben bestimmt schon längst gute Bilder beisammen.“

Leicht lächelnd erhob ich mich wieder. Noel war einfach eine unverbesserliche Frohnatur. Irgendwie konnte er an jeder Situation etwas Positives finden.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt