NEUNUNDDREIßIG

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„Scheiße ist das kalt", zitternd verschränkte Becci die Arme vor der Brust.

„Selbst Schuld wenn man Ende Oktober mit kurzem Rock durch die Gegend läuft", neckte Felix sie und trug dann gemeinsam mit Dave sein Keyboard durch den Hinterausgang der Bar nach drinnen.

„Aber zu den Stiefeln passt halt einfach nur dieser Rock", rief Becci den beiden etwas patzig hinterher, woraufhin man nur ein Lachen aus dem Gang hörte.

„Du kannsch meinen Verstärker rein tragen, dabei wird dir bestimmt warm", bot Kev großzügig an.

„Danke den kannst du selbst tragen. Aber deine Gitarre würde ich dir abnehmen", meinte Becci und griff noch beim Sprechen nach dem Koffer.

„Kann ich auch noch was helfen?", wandte ich mich an Kevin, der seinen Verstärker jetzt selbst aus dem Kofferraum des Vans hievte.

„Klar, meine Akustik-Gitarre muss au' noch rein und ..." Kev wurde unterbrochen als Fox ein: „Bringt mir noch jemand mein Pedal mit", aus der Bar rief. „Jo, das Pedal kannsch au' noch nehm'n."

Als alle benötigten Gegenstände in der Bar standen, wollte ich gerade schauen, ob ich beim Aufbauen helfen konnte, als mein Handy klingelte.

„Hey Malin", erklang die Stimme meines Bruders am anderen Ende der Leitung. „Ich steh jetzt vor der Bar und ... ach, hey Elias, du auch hier?"

„Offensichtlich", hörte ich Elias leise Antwort auf die, zugegeben dämliche, Frage.

„Mit wem sprichst du?", wollte Becci wissen, während sie die Mikros verkabelte.

„Mit Symon, er steht wohl draußen", erklärte ich ihr.

„Was macht der denn draußen? Ist doch arschkalt."

„Keine Ahnung", gab ich schulterzuckend von mir.

„Dann gehen wir ihn jetzt holen", beschloss meine beste Freundin kurzerhand.

„Becci und ich kommen raus", sprach ich in den Hörer und legte dann auf, da Symon sich gerade mit Elias unterhielt. Zumindest klang es durch das Handy so.

„Bec-Star", freudig schloss Symon erst mich und dann meine beste Freundin in seine Arme.

„Siggi", rief Becci genauso freudig zurück. „Schön dich mal wieder zu sehen."

„Du stehst gleich auf einer Bühne, dass kann ich mir doch nicht entgehen lassen."

„Siehst du Pandabärchen, wir sind nicht die Einzigen mit so komischen Namen", lachte Elias mir entgegen und zog mich zur Begrüßung in eine Umarmung.

„Ach die zwei nennen sich schon seit unserer Kindheit so", sagte ich wegwerfend und genoss Elias Nähe etwas länger als üblich. „Freut mich, dass du Zeit gefunden hast."

„Für dich find ich doch immer Zeit", gab Elias lächelnd zurück und löste dann unsere Umarmung, um mir gleich darauf seinen Arm um die Schultern zu legen. „Ist dir nicht kalt so ohne Jacke?"

„Es geht, wir hatten ja nicht vor ewig hier rum zu stehen", trotzdem war ich froh, als Elias mich noch etwas enger an sich zog.

„Sollen wir nicht lieber rein gehen?", rief ich meinem Bruder und meiner besten Freundin nach ein paar weiteren Sekunden zu, da beide wohl sehr in ein Gespräch vertieft waren.

„Warum? Du hast dich was zum Wärmen", wank Becci frech ab, machte sich dann aber doch auf den Weg nach Innen.

Symon warf uns kurz einen kritischen Blick zu, grinste dann aber genau so frech. „Ich glaub, ich mag diese Konstellation."

„Warum genau geb ich mich mit den beiden ab?", fragte ich an Elias gewandt, der mir nur lächelnd einen Kuss auf die Schläfe gab und mich dann zurück in die Wärme der Bar führte. Okay, das war neu, aber definitiv nicht schlecht.

„Meine Herren und Kev", begann Becci feierlich, als wir beim Rest der Band ankamen, was Kevin einen empörten Laut entlockte. „Darf ich vorstellen? Symon, oder auch Siggi, Malins Bruder und Elias, Malins Chef."

Bei diesem Wort verzogen Elias und ich beide ein bisschen das Gesicht. Irgendwie klang das so unpassend.

Dave war der Erste, der sich wieder rührte und Elias mit einem Handschlag begrüßte. „Cool dich mal wieder zu sehen. Hat das zwischen euch beiden jetzt endlich mal geklappt?"

„Hä, was hat geklappt?", fragte ich dezent irritiert zurück, wobei ich meinen Kopf leicht zur Seite neigte.

„Ach Malin, so jung und unschuldig und naiv", lachend wuschelte Felix mir leicht durch die Haare.

„Ich weiß nicht warum ich dir diese Chaoten vorstellen wollte", sprach ich zu Elias, der immer noch dicht neben mir stand. „Diesen Impuls kann ich momentan überhaupt nicht mehr nachvollziehen."

Meine Äußerung führte zu allgemeinem Gelächter, bevor die kurze Vorstellrunde weiter ging. Gerade als jeder mindestens einmal alle Namen gehört hatte musste die Band auch schon auf die Bühne. Also machte ich mich zusammen mit Elias und Symon auf den Weg zur Bar, um einen guten Blick zu haben.

Die Songs waren wie erwartet hervorragend, nur leider war der Gig viel zu schnell vorbei. Nachdem die Band ihre Instrumente wieder von der Bühne geräumt hatten gesellten sie sich noch zu uns an die Bar.

„Du kannst ja tatsächlich gar nicht so schlecht singen Bec-Star", begrüßte Symon sie und hielt ihr ein gefülltes Cocktailglas entgegen.

„Und du bist ja doch nicht so dumm wie du aussiehst Siggi", gab meine beste Freundin grinsend zurück.

„Ihr ward wirklich gut", lobte Elias ebenfalls, während sich auch der Rest der Band diverse Getränke orderte.

„Wir haben uns eben 'en echtes Goldkelchen eingefang'n", leicht verschwitzt aber trotzdem glücklich lächelnd zog Kev Becci zu sich.

„Schleimer", meinte diese nur uns stupste ihren Freund in die Seite.

„Lasst uns doch an einen Tisch gehen", schlug Dave vor, nachdem alle ihre Getränke hatten. „Das ist doch gemütlicher, als hier rum zu stehen."

„Du saßt doch schon die ganze Zeit", neckte Felix ihn, setzte sich aber trotzdem in Bewegung.

„Ja, schon, aber für mein Hinterteil ist das trotzdem eine willkommene Abwechslung", äußerte Dave sich erneut, was Fox dazu brachte seinen eben getrunkenen Schluck prustend wieder aus zu spucken.

„Gut, dass wir einen Tisch in der hintersten Ecke gefunden haben, sonst fliegen wir wegen denen noch raus", raunte Becci mir lachend zu und deutete dabei auf ihre Bandkollegen.

„Ich muss leider schon los", verabschiedete mein Bruder sich, als er sein Bier geleert hatte. „Bis irgendwann mal wieder, war echt nett bei euch."

„Bis denne Siggi", wank Becci ihm nach. „Und sag Alice und Mia Grüße von mir."

„Mach ich doch gern Bec-Star."

„Bec-Star also", grinsend drehte Felix sich zur Angesprochenen. „Der Name passt irgendwie."

„Vergiss es", warnte Becci gespielt böse. „So darf nur Siggi mich nennen."

„Ich glaub ich mag deine Freunde", raunte Elias, welcher bis eben noch in ein Gespräch mit Dave und Kev vertieft war, in mein Ohr, was mir eine leichte Gänsehaut verpasste.

„Das freut mich", gab ich genauso leise zurück. „Denn ich glaub, du musst sie noch ein paar mal sehen, wenn du öfter mit mir unterwegs bist."

„Na dann hoffe ich mal, dass ich sie noch ganz oft sehen muss."

„Also entweder ihr küsst euch jetzt, oder ihr macht mir kurz Platz, damit ich die nächste Runde holen kann", drang auf einmal Daves Stimme zu mir durch.

Irritiert blickte ich auf. Ihn und die anderen hatte ich doch tatsächlich kurz vergessen.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt