VIERUNDSECHZIG

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„Morgen“, begrüßte ich Anna im vorbei gehen und klammerte mich dabei weiter an meinen Kaffeebecher. Es war zwar nicht mehr so kalt, immerhin hatten wir schon Mitte März, aber es war trotzdem schön etwas zu haben an dem man sich die Finger wärmen konnte.

„Huch, so früh schon der erst Kaffee“, stellte Anna überrascht fest. „Schlecht geschlafen?“

„Ja schon“, gab ich zu. Ich hatte diese Woche jede Nacht bei mir im Bett verbracht und nicht wie in den letzten bei Elias. Und irgendwie schlug sich diese Tatsache auf mein Schlafverhalten aus.

„Aber der hier hat etwas geholfen“, zur Verdeutlichung hielt ich den Kaffeebecher kurz in die Höhe.

„Na immer hin etwas“, merke Anna leicht amüsiert an.

„Ich geh dann mal nach oben und versuche zu arbeiten“, verabschiedete ich mich.

„Viel Erfolg“, wünschte Anna mir noch. „Dein Chef ist übrigens schon da.“

„Oh, danke für die Info“, rief ich ihr noch zu, als sich gerade die Aufzugstür hinter mir schloss.

Oben angekommen hörte ich tatsächlich etwas aus Elias Büro, aber da seine beiden Türen geschlossen waren, beschloss ich ihn später zu begrüßen. Während der Computer hoch fuhr steckte ich mich nochmal ausgiebig. Der Kaffee hatte zwar etwas geholfen, aber die Müdigkeit steckte mir immer noch in den Knochen.

Die Arbeit ging schleppend voran. Irgendwie schien immer irgendetwas nicht ganz zu passen. Aber auch bei Elias schien es heute nicht wirklich gut zu laufen. Immer wieder hörte ich wie seine Stimme bei den Telefonaten lauter wurde. Ich konnte zwar nicht verstehen worum es genau ging, aber zufrieden klang der definitiv nicht.

Die Mittagspause verbrachte ich wie üblich mit Anna. Welche mir natürlich den neusten Klatsch und Tratsch aus dem Gebäude erzählte, worauf ich mich irgendwie nicht richtig einlassen konnte. Meine Gedanken kreisten nämlich immer wieder um Elias und was für Probleme er gerade zu lösen versuchte.

Ob er wirklich dabei war seine eigene Firma zu gründen? Gab es dabei womöglich Probleme? Ich wusste es nicht.

Später am Nachmittag wagte ich es dann einfach und trat zu Elias ins Büro. „Hey ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich vorsichtig nach.

„Hm“, überrascht hob Elias den Kopf, den er tief über irgendwelche Dokumente gebeugt hatte. „Ach du bist es. Ja soweit alles gut.“

„Elias“, sagte ich ernst und versuchte dabei fest in seine Augen zu blicken. „Lüg mich nicht an. Irgendwas macht dir doch zu schaffen, das merk ich doch.“

„Es ist nur Arbeitsgedöns“, wank Elias erneut ab. Was mich langsam etwas wütend werden ließ. Wollte oder konnte er sich mir nicht anvertrauen.

„Du könntest es mir ja erklären, vielleicht kann ich dir helfen“, bot ich an.

„Nein lass mal“, lehnte Elias ab. „Sonst heißt es wieder ich würde dich bevorzugen, weil wir privat mehr miteinander zu tun haben.“

„Sowas wird behauptet?“, überrascht blickte ich ihm entgegen.

„Klar, was denkst du warum ich in letzter Zeit so viele Mitarbeitergespräche führen muss“, sagte Elias als wäre es das Nebensächlichste überhaupt.

„Warum sagt du mir sowas denn nicht?“, fragte ich leicht empört zurück. „Ich hätte doch auch mal mit einen Kollegen reden können.“

Langsam aber sicher brodelte die Wut in mir immer mehr auf. Erzählte der Mann mir überhaupt irgendetwas Wichtiges? Es war mir bewusst, das unsere Kollegen mittlerweile mitbekommen hatten, das zwischen uns etwas lief. Aber das es sie anscheinend so sehr störte, dass sie ein Gespräch mit Elias aufsuchten war mir neu.

„Das ist doch nichts Wichtiges“, wank Elias ab und stand nun endlich mal auf, um einen Schritt auf mich zu zugehen.

„Doch ich finde das schon sehr wichtig“, beharrte ich. „Immerhin betrifft dieses Thema mich direkt. Elias, du muss auch mal mit mir reden.“

„Ich rede doch mit dir“, schloss Elias zurück, der nun auch etwas angespannter wirkte.

„Ja, schon“, gab ich zu. „Aber irgendwie nie so richtig. Ich weiß gar nicht was dich momentan so beschäftigt.“

„Es ist ja auch nicht alles so wichtig, dass ich es dir erzählen müsste“, Elias Unterton klang leicht patzig.

„Manches ja anscheinend schon. Vor allem wenn es mich direkt betrifft. Du kannst doch nicht alles in dich reinfressen“, versuchte ich nochmal zu ihm durch zu dringen.

„Du tust ja gerade so als würden wir gar nicht kommunizieren“, schoss Elias direkt zurück und blockte mich somit erneut ab.

„Manchmal hab ich wirklich das Gefühl, als wäre es so. Immerhin musste ich gefühlt tausend mal nachhacken bis du mir mal erzählt hast das unsere Kollegen ein Problem mit der Sache zwischen uns haben. Das finde ich schon erzählenswert. Und ich merk doch ganz genau, dass du momentan irgendwas Schweres zu klären hast. Lass mich dir doch helfen“, meine Stimme bebte schon leicht von der ganzen aufgestauten Wut.

Er wollte es wohl einfach nicht verstehen, dass ich gerade versuchte ihm zu helfen. „Das würdest du nicht verstehen, Malin. Ich muss das alleine klären. Das ist Chefsache. Du bist hier nur eine Angestellte, du kannst mir dabei nicht helfen. Versteh das doch!“, mit jedem Satz wurde Elias Stimme lauter, bis er mich an Ende fast anschrie.

Als die Bedeutung seiner Worte schließlich vollständig zu mir durch sickerten musste ich ein Mal heftig schlucken, um die auf kommenden Tränen zurück zu halten. Nur eine Angestellte also.

„Ach, aber zum rummachen bin ich dir gut genug oder was?“, mit zusammen gebissenen Zähnen verschränkte ich die Arme vor der Brust.
Mit aller Macht versuchte ich die Tränen zurück zu drängen was mir einen gewaltigen Kloß im Hals verschaffte. Meine nächsten Worte wollte ich ihm genauso kraftvoll entgegen schmettern, wie er mir seine. Doch leider glichen sie eher einem Flüstern.

„Du hast ja nicht mal versucht es mir zu erklären. Schön zu wissen was du so von meinen Qualitäten hältst.“

Stille trat ein in dem Raum.

Elias Gesichtsausdruck konnte ich nicht ganz deuten. Ob es nun an meiner langsam doch durch Tränen verschleierten Sicht lang, oder an den fehlenden Emotionen konnte ich nicht sagen.

„Ich geh dann mal zurück an meine Arbeit“, brachte ich hervor und war stolz darauf das meine Stimme nicht zitterte und mir sogar ein scharfer Unterton gelang. „Nicht, dass es später noch heißt, ich hätte diese Job nur weil ich mit dem Chef geschlafen habe.“

Mit dem letzten bisschen Würde das ich zusammen kratzen konnte verließ ich das Büro. In meinem angekommen schloss ich die Tür direkt hinter mir und sacke dann an eben dieser langsam zu Boden.

Die Tränen konnte ich nun nicht mir zurück halten und ließ sie einfach stumm über meine Wangen laufen. Ich fühlte mich leer. Wie ein Gegenstand den man nur dann zu sich holte, wenn man ihn gerade gebrauchen konnte. Der aber sonst nur im Weg herum stand und damit sogar Probleme verursachte. Nur eine Angestellte, hallten seine Worte in meinem Kopf nach. Und ich Dummerchen dachte er würde mehr in mir sehen. So wie ich mehr in ihm sah. Aber gut, wenn er das in mir sah, dann würde ich mich auch so verhalten.

Kurzentschlossen rappelte ich mich vom Boden wieder auf, wischte die Tränen grob von meinen Wangen, setzte mich an meinen Schreibtisch, zog energisch die Tastatur zu mir heran und hakte die nächsten Worte förmlich hinein.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt