SECHZIG

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„Wie ich diese stressigen Tage doch hasse“, etwas schlapp ließ Becci sich neben mir auf das Sofa fallen, das sie in ihrem Bandproberaum aufgestellt hatten. „Wie läuft es momentan bei dir auf Arbeit?“

„Irgendwie ist da so eine komische Spannung in der Luft“, gab ich zu. „Die meisten Leute haben jetzt wohl mitbekommen, dass ich was mit meinem Chef am laufen hab und so richtig scheinen sie mich nicht darauf ansprechen zu wollen, aber es scheint einigen auch nicht zu passen.“

„Woher weißt du das, wenn die Leute es nicht ansprechen?“, fragte Becci interessiert nach.

„Es sind einfach dies Blicke die mir zugeworfen werden.“

„Welche Blicke?“

„Ich weiß auch nicht genau, aber irgendwie sind sie so herabwürdigend. Kollegen die mich früher für meine Arbeit gelobt haben schauen mich jetzt nur abschätzig an. So als würde meine Arbeit nicht mehr das gleiche Wert sein, nur weil ich mit unserem Chef zusammen bin.“

„Manche Menschen sind doch einfach blöde. Lass dich von sowas nicht unterkriegen“, aufmunternd lächelte meine beste Freundin mich an. „Mach deine Arbeit einfach so weiter wie bisher und irgendwann werden die Penner auch kapieren, das deine Beziehung nichts an eurer Arbeitsmoral ändert.“

„Ich hoffe so, dass du recht hast“, seufzte ich auf und ließ mich tiefer ins Polster sinken. „Aber jetzt genug von der Arbeit, ich bin doch aus einem bestimmten Grund hier, oder?“

„Stimmt genau“, bestätigte Becci und erhob sich auch schon wieder. „Du musst dir unbedingt anhören was wir da zusammen gebastelt haben.“

„Okay, jetzt bin ich aber mal gespannt“, Becci hatte mich nämlich in ihren Probenraum zitiert, weil sie mir unbedingt live etwas zeigen wollte. Was natürlich auf gar keine Fall auf elektronischem Wege ging.

Der Rest der Band hatte sich auch bei uns im Raum eingefunden und schienen sich nochmal kurz zu besprechen, bevor Dave einen Tackt mit seinen Sticks vorgab. Kurz darauf stiegen auch Kev und Fox mit ein und dann stimmte Becci einen Song an, den ich davor noch nie gehört hatte. Ich überlegte noch ein bisschen vor mich hin, ob mir der Song vielleicht doch bekannt vorkam. Aber das gab ich recht schnell auf und lauschte einfach der Musik.

Kaum hatte Becci den letzten Ton ins Mikro gesungen hüfte sie auch schon wieder zu mir aufs Sofa. „Und wie findest du es?“

„Das war richtig toll“, gab ich begeistert von mir. „Auch wenn ich den Song davor noch nie gehört habe.“

„Das hättest du auch gar nicht können“, stolz grinste Becci mich an. „Der ist nämlich von uns.“

„Von euch?“, überrascht starrte ich erst Becci und anschließend die anderen Bandmitglieder an, welche aber immer noch mit ihren Instrumenten beschäftigt waren.

„Jap, von uns“, bestätigte Becci immer noch breit lächelnd. „Kev hatte schon ewig diese eine Melodie im Kopf. Irgendwann hat er sie dann hier mal vor sich hin gespielt und Dave ist dann mit einem Schlagzeugpart eingestiegen. Fox hatte zwar etwas Probleme die passenden Töne auf dem Klavier dazu zu finden, aber dafür hat er bestimmt zwei Drittel des Textes einfach mal so aus dem Ärmel geschüttelt. Der Rest kam dann von mir.“

„Wow“, brachte ich überwältigt hervor. „So viel Kreativität auf einem Haufen. Ich könnte wahrscheinlich nicht mal eine Gitarre richtig herum halten, wenn man mir eine in die Hand drücken würde.“

„Ja wahrscheinlich“, lachte Becci auf. „Und du findest es echt gut?“

„Ja, das war sogar mehr als gut“, bestätigte ich komplett ehrlich. „Noch ein paar Songs dieser Art und ihr könnt euer eigenes kleines Konzert geben.“

„Wir arbeiten tatsächlich schon an neuen Songs“, gab Becci zu. „Aber von denen ist noch keiner komplett fertig.“

„Egal, ich will sie trotzdem hören“, ermutigte ich sie. „Vielleicht kann ich unkreativer Blob ja doch irgendetwas dazu beisteuern.“

„Na gut“, lachend erhob sich meine beste Freundin wieder. „Jungs, Malin möchte auch die anderen Song hören.“

„Aber die sind doch alle noch im Rohbau“, gab Felix etwas zweifelnd von sich.

„Das ist mir sowas von schnuppe“, entgegnete ich. „Immer her mit den Musikfetzen.“

„Okay, du hast es nicht anders gewollt“, warnte Dave mich vor. „Ohrenschaden auf eigene Gefahr.“

„Ja, ja, ja. Die Gefahr geh ich gerne ein“, wank ich ab und machte es mir auf dem Sofa ein Stückchen bequemer, um mir die nächste Stunde einzelne Songstücke an zu hören. Mal war es nur ein instrumentaler Teil. Dann auch mal nur Gesang von Becci ausschließlich von Kevin auf der Gitarre begleitet. Und einmal haute Dave einfach ein Schlagzeugsolo raus, weil er wohl gerade einfach Lust dazu hatte.

„Alles in allem nicht schlecht“, war mein schlussendliches Fazit.

„Wir müssen des hat noch in ne‘ sinnvolle Reihenfolge bringen“, gab Kev zu bedenken.

„Ach das schafft ihr schon“, sprach ich zuversichtlich. „Und wenn ihr wieder etwas fertig habt, dann möchte ich das bitte wieder vorgespielt haben. So als Fan der ersten Stunde.“

„Ich glaube das lässt sich machen“, grinste Dave mich an und wirbelte seine Sticks durch die Luft.

„Ich sehe großes Potenzial in euch“, ehrlich nickte ich ihnen zu. „Wenn ihr dann irgendwann mal ein Management sucht wisst ihr ja an wen ihr euch wenden könnt. Momentan betreuen wir ja eher Influencer, aber eine Band bringen wir sicherlich auch noch irgendwo unter.“

„Du meinst das wirklich ernst“, stellte Felix fest.

„Natürlich“, gab ich zurück.

„Nawww, du bist einfach die Beste“, schon hatte Becci sich zu mir aufs Sofa geworfen und erdrückte mich fast mit ihrer Umarmung.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt