FÜNFZIG

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Nach dem Frühstück verstauten wir also unsere Taschen wieder ins Auto und machten uns auf den Weg. Wohin wusste ich immer noch nicht.

„Möchtest du mir jetzt vielleicht mal sagen, was dein Plan ist?", fragte ich zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag.

„Na gut", gab Elias endlich nach. „Aber nur weil du es bist."

„Ha, ha", lachte ich trocken auf, auch wenn ich immer noch dieses Lächeln auf den Lippen hatte. „Also was ist jetzt?"

„Wofür sind wir eigentlich hier her gekommen?", stellte Elias einen Gegenfragen anstatt mir zu antworten.

„Um Urlaub zu machen?", antwortete ich zögerlich, was aber auch fast schon wieder nach einer Frage klang.

„Ja das auch", bestätigte Elias. „Aber den Urlaub hätten wir auch irgendwo anders verbringen können. Wir sind ja schließlich aus einem guten Grund nach Norwegen gefahren. Nämlich um Nordlichter zu sehen. Und deshalb hab ich mich gestern mal schlau gemacht, wo man die am besten sehen kann."

„Und da fahren wir jetzt hin", schlussfolgerte ich.

„Genau und weil es bis dahin schon ein gutes Stück an Stecke ist, hab ich uns gleich noch ein anderes Hotel für die Nacht besorgt", erklärte Elias weiter. „Und dann könnten wir uns die Rückfahrt ja so gestalten wie vor drei Jahren."

„Du meinst, einfach in der Nacht in die grobe Richtung drauf los fahren und sich zum Schlafen ein Hotel irgendwo im Nirgendwo suchen?", hackte ich nach.

„Jup", stimmt Elias zu. „Also zumindest für mich klingt das nach einem gutem Plan."

„Ich hätte ja lieber wieder im Auto übernachtet, das hatte damals irgendwie was", überlegte ich laut. „Aber erstens haben wir in diesem Auto nicht unbedingt Platz dafür und zweitens ist es dafür deutlich zu kalt."

„Irgendwann können wir ja nochmal so einen Road-Trip machen", steig Elias in meine Überlegungen mit ab. „Aber dann vielleicht etwas Südlicher, Kroatien soll recht schön sein hab ich gehört."

Dies Idee war der Start eines langen Gespräches darüber, wo man alles schön Urlaub machen konnte. Danach drifteten wir in ein Austausch über die schon bereisten Urlaubsziele und ehe wir uns versahen war es draußen schon wieder stock dunkel geworden. Das wir weiter in den Norden gefahren waren hatte zu dieser Tatsache wohl auch beigetragen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit durchs Dunkle fahren kamen wir an unserem Hotel für die Nacht an. Elias hatte dieses mal mit Absicht ein Doppelzimmer für uns gebucht, was mein Dauerlächeln sogar noch etwas breiter werden ließ.

„Such dir schon mal warme Kleidung raus, wir sitzen vielleicht etwas länger draußen", meinte Elias als wir gerade unsere Taschen im Zimmer abgestellt hatten. „Ich muss noch ganz kurz was fragen gehen."

Und schon war er wieder aus dem Zimmer verschwunden. Ob das wohl einen neue Masche von ihm werden würde?

Kurz darauf war er aber mit zwei dicken Decken unter dem Arm auch schon wieder zurück. „Ich zieh mir auch noch eben was Warmes an, dann können wir los."

Langsam wurde ich wirklich aufgeregt. Ich würde heute Nacht wirklich Nordlichter betrachten können. Schneller als gedacht waren wir an dem uns empfohlenen Platz angekommen.

Wir waren etwas außerhalb der Stad auf einem Berg. Hier war die Lichtstreuung sehr gering und man hatte einen wunderbaren Blick auf den Nachthimmeln. Elias hatte einer der beiden Decken auf den Boden gelegt. In die andere hatte er uns beide eingewickelt und so hatten wir es trotz der kühlen Temperaturen recht warm.

„Ich glaube ich könnte in diesem Land nicht leben", begann ich irgendwann ein Gespräch.

„Warum?", wollte Elias wissen und drehte seinen Kopf leicht zu mir.

„Naja, im Sommer wird es hier in manchen Regionen nicht wirklich dunkel und im Winter bekommt man mit ein bisschen Pech die Sonne gar nicht zu Gesicht", teilte ich ihm meine Gedanken mit. „Das würde mich irgendwie fertig machen."

„Jetzt versteh ich wie du das meinst", nun setzte auch Elias ein nachdenkliches Gesicht auf. „Ich kann mich zwar Nachts besser konzentrieren als tagsüber, aber ich glaube den ganzen Winter würde ich trotzdem nicht hier verbringen wollen. Außerdem hat sich das mit meiner Konzentration etwas normalisiert."

„Das hab ich mir schon fast gedacht", fiel es mir ein. „Immerhin sieht man dich des Öfteren zu normalen Zeiten im Büro."

„Irgendwie war es doch mehr Gewohnheitssache als ich dachte", erklärte Elias. „Und manchmal braucht man einfach eine gute Motivation um Gewohnheiten zu ändern."

Wieder konnte ich Elias Blick auf mir spüren, so das ich mich etwas mehr zu ihm drehte. Seine Augen funkelten mir durch die Brillengläser entgegen und ich konnte einfach nicht anders als fast in ihnen zu versinken. Das Graublau darin schien mich regelrecht an zu ziehen.

„Du musst schon hinschauen wenn du etwas sehen willst", als Elias lächelte leuchteten seine Augen leicht auf.

Was ich allerding nur für meinen kurzen Moment zu sehen bekam, denn da hatte er seinen Blick auch schon wieder dem Nachthimmel zugewandt. Also wandte ich mich auch wieder von ihm ab und ließ meinen Blick über den Himmel wandern. Und tatsächlich waren dort nun helle Schlieren zu sehen.

An der linken Seite erstrahlte der Himmel in einem zarten rosa, welches dann in ein helles blau, ja fast schon türkis überging und schließlich in einem hellen grün endete. Unwirklich bewegten sich die Farbsteifen über den tief dunklen Himmel. Mir stand bestimmt der Mund offen und meine Augen vergaßen beinahe zu blinzeln. Doch es war mir egal, dass ich wahrscheinlich gerade selbst sau dämlich aussah. Denn der Anblick der sich vor uns bot war einfach unglaublich. Nordlichter auf Bildern betrachten schön und gut, aber sie wirklich live zu sehen war einfach überwältigend.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war als ich mich wieder von dem Farbenspiel über uns lösen konnte. Langsam drehte ich meinen Kopf schließlich zurück zu Elias, um fest zu stellen dass dieser mir schon entgegen blickte.

„Danke", ich bekam nur ein Hauchen über meine Lippen.

„Entweder mach ich jetzt alles kaputt, oder ich mach dieses Moment jetzt endgültig komplett", wisperte Elias genauso leise. Und noch bevor die Bedeutung seiner Worte vollständig in meinem Kopf angekommen waren und ich ein verwundertes Geräusche hatte von mir geben können lagen auch schon Elias Lippen auf meinen.

Ohne überhaupt eine Millisekunde darüber nach zu denken erwiderte ich den Kuss. Sofort fühlte es sich in meinem Inneren an als wäre irgendetwas an die exakt richtige Stelle gerückt worden. Wie als hätte man ein Puzzlestück gefunden, dass sich perfekt ins Gesamtbild einfügte. Obwohl man davor keine Ahnung hatte, dass genau dieses Teil einem noch gefehlt hatte. Kurzum fühlte ich mich einfach komplett.

Meine Hände wanderten wie von selbst zu Elias Haaren, sie waren einfach so schön weich. Auch wenn es fast nicht mehr möglich war rutschten wir noch näher aneinander, wobei die Decke von unseren Schultern rutschte.

Doch das war gerade völlig nebensächlich. Für uns zählten nur die Berührungen des andren. Erst als wir uns, auf Grund von Sauerstoffmangel, von einander lösen mussten spürte ich die Kälte die uns umgab.

„Du hast diesen Moment perfekt gemacht", brachte ich immer noch etwas außer Atmen hervor und konnte das Lächeln auf meinen Lippen nun endgültig nicht mehr abschalten. Genau das hatte mir gefehlt. Auch wenn es mir vor diesem Moment noch gar nicht richtig bewusst gewesen war.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt