Ich weiß nicht wie lange ich hier schon sitze, aber es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Der Computer Bildschirm scheint mit ins Gesicht während meine Augen nur auf mein Handy starren. Die ganze Zeit über habe ich den Chat von Jo und mir geöffnet. Seit Tagen meldet er sich nicht, wobei ich damit auch schon gerechnet habe. Habe ich wirklich geglaubt, dass er sich mir öffnet und danach alles anders sein wird?- nein. Er ist und bleibt ein Mysterium. Ein Mysterium welches ich nicht entschlüsseln kann. Heute Morgen als ich den Flur Richtung Büro entlang gelaufen bin, kam mir Mr. Collin entgegen. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Innerlich hatte ich das Gefühl, dass er weiß was ich weiß. Obwohl ich nicht einmal Mr. Collin die Fähigkeit zutraue, Hellsehen zu können. Mehr als ein leises "Guten Morgen" habe ich einfach nicht raus bekommen. Das Jo wirklich der Sohn meines Chefs sein soll ist mir immer noch völlig fremd. Dabei weiß ich davon schon seit ein paar Tagen.
Völlig in Gedanken versunken lasse ich meinen Kopf hängen. Mein dampfender Kaffee steht mir direkt vor der Nase, doch heute habe ich eigentlich gar keine Lust auf meinen Energy-Kick. Viel lieber möchte ich nach Jo suchen und ihn fragen was los ist. Bereut er es mir das mit seinem Vater erzählt zu haben? Schämt er sich dafür? Ich muss ihm ja auf eine bestimmte Art und Weise das Gefühl geben mir nicht vertrauen zu können. Verzweifelt lehne ich mich zurück. Auf meinem Computer ist mein Schreibprogramm noch an, doch nicht ein Wort habe ich eingetippt. Dabei soll der nächste Artikel bereits am Nachmittag Online veröffentlicht werden. Auch der Professor, mit dem ich Dank Mr. Collin ein Interview führen soll, hat noch nicht auf meine Mail geantwortet. Mein Karma scheint es im Moment nicht gut mit mir zu meinen. "Läuft wohl nicht gut, mh?" Barbara legt ihre Hand auf meine Schulter und man riecht ihr Parfüm, duftend nach etwas blumigen. Ich sehe zu ihr auf und schüttele den Kopf. Nichts läuft gerade gut. "Willst du deinen Kaffee gar nicht? Ist was passiert?" Auch ihr scheint aufzufallen wie suspekt es ist, dass ich meinen Kaffee noch gar nicht angerührt habe. "Wirst du krank?" Völlig theatralisch legt sie ihre Hand auf meine Stirn und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Das ist nicht witzig", ich muss auch ein bisschen lachen. Wie auch immer sie das macht, aber sie bringt einen irgendwie immer dazu ein bisschen zu lächeln und die Probleme zu vergessen. Sie lässt von mir ab und nimmt meine volle Tasse mit in die Küche. Dankend lächle ich ihr zu und versuche mich endgültig an meinen Text zu setzen. Ich muss meinen Kopf zumindest für die nächsten paar Stunden ausschalten...
5 Stunden später....
Erleichtert schließe ich meine Tabs und ziehe meine Jacke an. Der Artikel ist gerade noch so fertig geworden, auch wenn der Weg bis dahin sehr holprig und schwer war. Draußen ist es noch hell, auch wenn wir schon 16 Uhr haben. Es geht auf den Frühling zu. Lustig, dass in zwei Wochen bereits die Weihnachtsfeier ist. Mein Blick wandert zu meinem "Mitplaner". Devon sitzt immer noch vor seinem hellen Bildschirm. Um genau zu sein als einziger. Bestimmt ist er schon total nervös wegen der Weihnachtsfeier. Gestern hat er sich die Location angesehen und mit den Inhabern über den Aufbau besprochen. Dem Ganzen steht nichts mehr im Wege. Zufrieden schalte ich meinen Computer aus und schultere meine Tasche. Barbara ist schon weg, da sie auch früher als ich angefangen hat. "Bis Morgen, Devon", ich lächle ihm kurz zu und er lächelt zurück "Bis Morgen, Julie." Meine Füße tragen mich zum Fahrstuhl und ich fahre in die Lobby. Niemand scheint mehr hier zu sein. Ich drücke die Tür auf und eine angenehme, nicht zu kalte Luft, umgibt meinen Körper. Der Himmel ist kaum bedeckt und zwei Tauben kämpfen um ein Stückchen Brot, welches völlig verloren auf dem Parkplatz rumliegt. An ihnen vorbei laufend will ich mir meine Kopfhörer in die Ohren stecken, als mich eine Stimme davon abhält.
"Julie, warte", langsam drehe ich mich um und Jo kommt auf mich zu. Ich sage nichts, sondern beobachte ihn dabei wie er auf mich zu kommt. Was macht er hier? Wo kommt er her? Seit wann steht er hier schon? So viele Fragen schwirren durch meinen Kopf.
Mit etwas Abstand bleibt er vor mir stehen. Er streckt mir einen Coffe-to go entgegen und ich nehme diesen zögernd an. Jo scheint kurz zu überlegen was er als nächstes sagen soll, während er sich auf seine Unterlippe beißt und seine Augenbrauen zusammenzieht. Ich nehme kurz einen Schluck aus meinem Kaffee. Den brauche ich jetzt doch. "Es tut mir leid." Er sieht mich an und wartet auf eine Reaktion meinerseits. Was tut ihm leid? Das ist mir zu wenig Kontext. Ohne etwas zu sagen, nicke ich nur und nehme erneut einen Schluck aus meinem Becher. Jetzt erst merke ich, wie sehr ich den heute eigentlich brauchte. "Es liegt nicht an dir das ich mich nicht gemeldet hab, ich"- Ich habe meine Hand und unterbreche ihn. "Ich weiß das ich keine Schuld dran habe." Damit habe weder ich noch er gerechnet. Nur langsam steigt die Wut in mir auf, was ihm einfällt sich dauernd nicht melden? Er denkt nicht drüber nach, was er damit bei Menschen anrichtet. Langsam klopft mein Herz immer schneller. Wütend sehe ich ihn an, während er nicht mehr zu wissen scheint was er sagen soll. Jo weiß, dass ich langsam keine Geduld mehr habe. "Ich habe es satt, dass du mich immer wieder von dir wegstößt. Was fällt dir ein? Weißt du eigentlich wie blöd das ist, dir in den einen Moment nahe zu sein und im nächsten Moment behandelt zu werden als wäre ich nicht existent?" Ich habe gar nicht bemerkt, dass mir eine stille Träne über die Wange rollt, bis Jo auf mich zu kommt und sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck wegwischen will. Meine Füße lassen dies aber nicht zu und ich trete einen Schritt zurück. "Werde dir bewusst was du willst oder lass mich endgültig in Ruhe." Stürmisch drehe ich mich um und lasse ihn zurück ohne mich umzudrehen. Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war. Zumindest fühlte es sich gut an die Wut und den Schmerz rauszulassen.
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When two lonely hearts meet
RomanceDie Geschichte spielt in der Winterzeit in New York City. Eine Romanze, die unter die Haut geht. Die Naivität der Protagonistin Julie Wyler bringt sie zu einem Menschen, der mehr zu sein scheint, als er es vorgibt, sein Name Jo. Julie ist jung, etwa...