Thirty-four

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Völlig betrunken betritt er mein Wohnzimmer und schlendert zum Sofa.
Wieso, weshalb, warum?
So viele frage schweben mir im Kopf rum, doch ich folge ihm und beobachte ihn dabei, wie er sich hinsetzt und seinen Kopf hinten an die lehne legt.
Unsicher gehe ich auf ihn zu und setze mich mit einem großen Abstand neben ihn hin. Soll ich ihn ansprechen? Oder wird er mich dann auch angreifen sowie Owen?
Im Moment kann ich ihn nicht einschätzen. Und gerade das macht es so unfassbar kompliziert.
Er schließt seine Augen und versucht sich kläglich zu entspannen, aber sein angespannte Kiefer macht dieses Bild kaputt.
Irgendwas stimmt hier gewaltig nicht.
Mutig reiße ich mich zusammen. Ich will nicht länger so still neben ihm sitzen.
„Was-was ist passiert?"
Eigentlich habe ich erwartet das er mir nicht antwortet oder nur eine knappe Antwort gibt, aber das ist nicht der Fall.
Jo sieht mich traurig an, seine Augen glasig, sodass sich sofort eine Gänsehaut auf meiner Haut bildet.
Ohne drüber nachzudenken, greife ich nach seiner Hand, die eiskalt ist. Anstatt sie wegzuziehen, lässt er seine Hand in meine. Langsam streiche ich mit meinem Daum über seinen Handrücken, als Zeichen dafür das er mir vertrauen kann. Körperlich gesehen.
„Es tut mir einfach leid wie ich zu dir war."
Der Wodka-Geruch steigt mir in die Nase. Es ist zwar unangenehm, aber aushaltbar.
„Bist du noch sauer?"
Mittlerweile streichelt sein Daumen mein Handrücken. Ich setze mich im Schneidersitz hin und lächle ihm aufmunternd zu.
„Ich war nie sauer auf dich. Es hat mich alles nur verwirrt, weißt du?"
Er nickt und seufzt. Ich wiederum kann meinen Blick nicht von ihm abwenden.
Ich würde ihm so gerne helfen, nur wie wenn er mir nichts sagt?

„Willst du was trinken?"
Locker versuche ich die Stimmung ein wenig zu dämpfen, damit das alles nicht mehr so merkwürdig ist.
Meine Hand löst sich aus seiner und ich stehe auf.
Er beobachtet jede meiner Bewegungen, während er nur nickt. Jo wirkt so müde und ausgelaugt, daß tut mir so leid.
Meine Füße tragen mich in die Küche und ich hole zwei Gläser aus der Geschirrspülmaschine, eine Flasche aus der Abstellkammer und auch Kekse, die noch nicht aufgebraucht sind.

Jo schreibt gerade an seinem Handy, als ich das Wohnzimmer betrete. Sofort als er mich erblickt, steckt er sein Handy beiseite.
Ich übergebe ihm sein Glas, schenke ihm was ein, was er sofort wegschlürft. Hoffentlich nüchtert das Wasser ihn aus.
Keine Sekunde vergeht, in dem ich nicht versuche in meinem Kopf Sätze zu bilden wie ich ihn drauf ansprechen kann was mit Owen vorgefallen war.
Vielleicht will er nicht drüber reden und ihn nerven will ich auch nicht. Aber meine Neugier ist so groß, daß ich jedesmal einen neuen Ansatz in meinem Kopf zusammen spinne.

„Wo ist die Toilette?"
Er unterbricht meinen Gedankengang und sieht mich fragend an. Seine Augen sind nicht mehr so rot wie vorher.
„Einfach den Flur lang und dann die erste rechts."
Ich deute Richtung Flur und er nickt, steht auf und begibt sich Richtung Badezimmer. Zwar mich langsam, aber sicherer als vorher.
Nachdenklich stecke ich mir einen Keks in den Mund und der Schoko Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Ein Mitternachtssnack hat noch niemanden geschadet.
Die Uhr zeigt das es mittlerweile ein Uhr morgens ist. Hölle, der Arbeitstag wird mehr als anstrengend. Aber ich kann Jo jetzt nicht in dem Zustand rauswerfen.
Vielleicht kann er einfach hier auf dem Sofa schlafen?
Kaum denke ich zuende setzt sich Jo wieder neben mich. Sofort beginnt er zu gähnen.
Stille.
„Du?"
Ich sehe zu Jo.
„Danke. Das du trotzdem ich so mies zu dir war, mich reingelassen hast."
Ich hätte ihn schlecht draußen lassen könne. Er wäre möglicherweise erfroren.
Ich ziehe mein Knie an die Brust und lächle ihn an.
„Kein Problem."
Am liebsten hätte ich ihn gefragt warum er denn getrunken hat, aber das mache ich wenn es besser passt. Im Moment passt die Stimmung einfach nicht.
„Also-wenn du willst, kannst du hier übernachten. Nur ich muss morgen früh hoch."
Überrascht sieht er zwischen meinen Augen hin und her, beginnt zu lächeln.
„Ehrlich? Gerne. Das ist echt cool von dir."
Ich zwinkere frech.
„Ich bin cool."
Er lacht und nickt „Stimmt."
Eigentlich lasse ich nie jemand fremden bei mir schlafen, aber kann ich Jo noch einen Fremden nennen?

Nein, schon lange nicht mehr.

Kurze Zeit später habe ich ihm Decke und Kissen gebracht, versucht ihm das gemütlich zu machen.
Er hat sich während dessen frisch gemacht.
Mittlerweile ziehe ich mir mein Schlafshirt über, dann meine Schlafhose.
Da ich mein Handy im Wohnzimmer liege gelassen habe, gehe ich zurück.

„Liegt mein-" Meine Stimme bricht. Dort steht Jo, wie er sich das Kissen richtet. Nur in Boxershort.
Er scheint mich nicht zu bemerken, doch ich kann meinen Blick nicht von ihm lassen.
Verdammt ich darf ihn nicht so anstarren.
Bevor es noch ausartet, drehe ich mich um.
„Julie?"
Mein Kopf dreht sich zurück und ein lächelnder Jo, deckt sich soeben zu.
„Gute Nacht. Und danke nochmal."
Auch ich lächle.
„Gute Nacht", und knipse das Licht aus.

Im Schlafzimmer lege ich mich sofort in mein Bett und schließe die Augen. Irgendwie fühlt es sich komisch an, dass Jo ein Zimmer weiterliegt und schläft. Ich drehe mich zur Seite, mit der Hoffnung das ich so besser ruhe finden. Fehlanzeige.
Wieder drehe ich mich, nur diesmal auf meinen Rücken.
Auch das hilft nicht.
Seufzend knipse ich das Licht an und schnappe mir mein Handy.
Vielleicht hat mir jemand interessantes geschrieben.
Das einzig interessante jedoch ist Logans Profilbild mit Natascha, die ihm direkt auf den Mund küsst, während er selbst in die Kamera zwinkert.
Augenrollend mache ich das Handy wieder aus. Davon bekommt man nur schlechte Laune.
Die Decke wühle ich so lange hin und her, bis ich tatsächlich in einen komischen Traum abdrifte.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt