Thirty-seven

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Anstatt mir zu antworten, greift er an mir vorbei, zum Tisch und nimmt sich eine silberne Armbanduhr. So eine besitze ich gar nicht.
„Ist meine. Ich habe sie bei dir vergessen."
Sofort bindet er sich die Uhr um sein Handgelenk. Zu seinem schlichten Outfit passt die Uhr gar nicht ins Bild.
Aber dadurch verstärkt sich meine Vermutung das er für die Uhr viel Geld ausgegeben haben muss, damit er sie mit stolz tragen kann.
Aber auch sein Auto, welches ziemlich teuer sein musste, scheint von ihm bezahlt zu sein.
„Woher hast du die Uhr?"
Fragend sehe ich auf das silberne Gestell und anschließend in seine Augen, die mich fragend ansehen.
„Warum?"
Wieso blickt er mich so argwöhnisch an? Ich habe ja wohl ein recht dazu ihn zu fragen.
Ich merke auch gleichzeitig das ich mich mehr darauf als auf meine tolle beste Freundin konzentriere.
Doch es ist gut.
„Habe ich mir mal gekauft."
Sofort gehen bei mir die Alarmglocken an, als er aufsteht.
„Wohin gehst du?"
Ohne richtig drüber nach zudenken, greife ich nach seiner Hand, die lose neben seinem Körper baumelt.
Sein Blick wandert von meinem Gesicht zu unseren Händen. In sekundenschnelle entziehe ich ihm meine Hand.
Peinlich berührt streiche ich mir eine Strähne hinter mein Ohr und stehe dann auch auf, sodass ich ihm direkt gegenüber stehe.
„Ich will nach Hause."
Etwas enttäuscht von seiner Antwort nicke ich nur. Wie gerne hätte ich ihn nochmal als Schlafgast bei mir gehabt.
Langsam setze ich mich wieder hin. Jo bleibt auf der Stelle stehen und sieht auf mich herab, mit einem Blick den ich nicht deuten kann.
„Soll ich noch bleiben?"
Langsam sehe ich zu ihm auf und weiß nicht was ich darauf antworten soll. Soll er? Oder soll er nicht?
Ja, er soll. Aber ich will ihn nicht dazu drängen.
„Gut, ich bleibe."
Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, setzt er sich wieder hin und sieht mich von seiner Seite aus an.
Überrascht fange ich an zu lächeln, kann es nicht richtig fassen.
Er bleibt!
„Gut, ähm... Hast du durst, Hunger?"
Bereit aufzustehen, schaue ich ihn direkt an. Jo nickt. In eile, laufe ich in die Küche und sammle alles zusammen was mein Haushalt hergibt.
Chips, Salzstangen und zu trinken eine Flasche Orangensaft.
Verzweifelt versuche ich am Regal oben noch zwei Gläser rauszuholen, doch durch die anderen Dinge in meiner Hand werde ich ziemlich eingeschränkt.
„Ich helfe dir, warte."
Ein langer Arm greift über mich rüber und schnappt sich zwei Gläser.
Dankbar lächle ich ihm zu, was er erwidert.
Zusammen machen wir uns zurück ins Wohnzimmer. Nachdem er meine Einladung hier nochmal zu nächtigen angenommen hat,
haben wir diskutiert ob wir 'Titanic' oder 'Kingsman' schauen, aber wir haben uns für einen ganz anderen Film entschieden. Einen, von dem ich niemals dachte das ich ihn jemals mit einem Jungen sehen würde.
'Ein Engel auf Erden' mit Romy Schneider.
Begeistert werfe ich die DVD rein und setze mich, wie Jo, auch unter die Wolldecke.
Nach einem großen Schluck vom O-Saft, greife ich in die Tüte mit den Salzstangen und beobachte Jo, wie er nach den Chips greift.
Ein wohliges Gefühl breitet sich in mir aus. Es ist toll das er hier geblieben ist, immerhin werde ich davon abgelenkt was Blair abgezogen hat.
„Schau wie er sie ansieht!"
Aufgeregt schlage ich Jo mit meiner Faust gegen seinen Oberarm den er sich spielend schmerzhaft reibt.
„Ja, aber sehe ihn dir doch mal an. Würdest du den Daten? Ich meine was sind das für Haare?"
Ohne groß drüber nachzudenken, werfe ich ihn mit einen Chip ab.
„Rede keinen Stuss. Die Besetzungen sind perfekt. Da gibt es bei niemanden etwas auszusetzen."
Wieder gleitet mein Blick zum Bildschirm.
„Auch nicht die komische Föhnfrisur von Romy Schneider?"
Ich will gerade nach der Tüte greifen, da hat er sie zuerst und hält sie hinter seinem Rücken versteckt.
„Vergiss es. Akzeptiere diese Aussage, ohne mich..."
Er deutet zur Tüte.
„.. Abzuwerfen."
Eigentlich bin ich gut darin mich in solchen Situation reif zu verhalten, aber meine spielerische Seite kommt zum Vorschein und augenblicklich springe ich auf ihn rauf und versuche ihm die Chips wegzunehmen.
Lachend hält er sie von unseren Körpern weg und mein Arm versucht verzweifelt ranzukommen. Fehlanzeige.
Als ich mich nach außen beuge, schiebt er mich wieder zurück und drückt mich dicht an seinen Körper, damit ich nicht an die Tüte komme.
„Komm Jo, ich will dich nicht abwerfen. Ich habe wirklich Hunger."
Skeptisch sieht er mich an und versucht meinem Blick zu entlocken, ob ich es ernst meine oder nicht.
Wir sind uns verdammt nahe und sein Atem trifft mein Gesicht. Was passiert hier gerade?
Auch wenn ich es gerade sehr komisch finde, habe ich keine Lust von ihm runter zu gehen.
Es tut gut, diese Nähe.
Sein Blick wandert von meinen Lippen zu meinen Augen. Ich mache nichts anderes.
„Kann ich was ausprobieren?"
Benommen nicke ich. Ich weiß was er vor hat, aber ich will ihn nicht davon abhalten.
Unsicher legt er seine Hand an meinen Hinterkopf, zieht ihn näher an sein Gesicht ran. Immer mehr spüre ich seinen Atem an meinem Gesicht. Aus Reflex schließe ich die Augen, warte bis sich unserer Lippen treffen.
Doch dann schreit es im Film und wir beide zucken zurück.
Als würde ich aus meiner Trance aufwachen, frage ich mich was gerade passiert ist.
Automatisch kletter ich von ihm runter. Meine Wangen sind heiß und ich könnte im Erdboden versinken.
Wir sagen beide nichts, sehen stumm auf den Bildschirm. Ich traue mich ja nicht mal kurz zu ihm rüber zu sehen, auch wenn es mich interessieren würde, ob er genau so peinlich berührt ist wie ich.
Meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an.
Auch den Rest des Films, läuft es nicht anders.
Wir sagen uns nur stumm gute Nacht, als der Film zu Ende ist und ich ins Schlafzimmer laufe, um mich ins Bett zu legen.
Mein Handy lege ich auf den Nachtisch, das kleine Nachtlicht lasse ich an. Unruhig kuschel ich mich in die Decke ein, kann nicht ganz glauben, was eben passiert ist.
Jo und ich hätten uns fasst geküsst.
Was wäre geschehen hätten wir es getan? Ob ich dann jetzt nicht allein in meinem Zimmer sondern bei ihm auf dem Sofa liegen würde?
Total fertig, stehe ich auf und gehe ins Bad, als Vorwand damit ich nachsehen kann ob er schon schläft.
Leise öffne ich die Tür und tu so als würde ich ins Bad schleichen, dabei schaue ich um die Ecke, entdecke Jo der anscheinend schläft.
Ich hätte mir irgendwie gewünscht das er noch wach wäre, aber es ist schließlich schon spät.
Seufzend schreite ich zurück in mein Zimmer.
„Julie?"
Mein Herz bleibt stehen, als ich hinter mir seine Präsenz spüre.
Langsam drehe ich mich um und sehe im Dunkeln nur seine große Silhouette.
„Ähm, hi."
Automatisch kratze ich mich am Oberarm. Ein Zeichen für meine Unsicherheit.
„Kannst du auch nicht schlafen?"
Ich schüttel den Kopf, was er vermutlich gar nicht sieht.
„Ich auch nicht."
Oh, anscheinend sieht er es doch.
Ob er auch aus dem selben Grund nicht schlafen kann?
„Ich wollte noch mal kurz auf Klo."
Er deutet neben sich zur Tür, wo sich das Bad befindet.
Ist er nicht wegen mir wach geworden?
Am liebsten würde ich ihn bitten bei mir zu schlafen in meinem großen Bett, aber ich weiß auch das zwischen uns heute viel zu viel passiert ist.
„Mach das. Gute Nacht."
Ich versuche zu lächeln und trete in mein Schlafzimmer. Er hat mir ja nicht einmal gute Nacht zurück gewünscht.
Seufzend lasse ich mich in mein Bett fallen und schlafe überraschen früh ein.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt