Fourty-two

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Die Sterne im Nachthimmel werden von dem ruhigen See reflektiert, der wie eine riesige Scheibe aussieht. Still laufen Jo und ich mit langsamen Schritten um den See herum. Noch nie, seit ich in New York lebe, war ich hier. Habe geschweige denn was von dem Ort hier gehört. Der Schnee ummantelt das Ufer des Sees und lässt ihn noch mehr glänzen im Mondlicht.
Neben mir höre ich seine Schritte, wie wer abundzu ein paar Steine zur Seite kickt.
Die Laternen sind ausgeschaltet. Vermutlich dürfen wir zu dieser Uhrzeit nicht einmal hier sein. Hoffentlich werden wir dafür nicht verhaftet, falls man uns erwischen würde. Ich muss selbst grinsen bei dem Gedanken. Das wäre schon sehr übertrieben, wortwörtlich.
Der Ort, ich kann es nicht beschreiben, hat was besonderes.
Aber wieso genau hat er mich hierhergebracht?
Oder gibt es doch noch eine Überraschung die hier auf mich wartet?

Auf einmal kommt Jo zum stehen und sieht zu einem Steg rüber.
Plötzlich setzt er sich in Bewegung und betritt den knartschenden Steg. Ich folge ihm, ohne zu hinterfragen was er vor hat.
„Setz dich zu mir."
Jo hat sich ans Ende des Steges gesetzt und sieht bittend zu mir hoch, da ich da noch wie vergessen und nicht abgeholt stehe.
Ich mache es ihm zögernd nach und sitze kurze Zeit danach neben ihm auf dem Steg.

„Soll ich ganz ehrlich sein?"

Er sieht nachdenklich auf den See und dann in mein Gesicht. Ich warte auf eine Antwort von ihm. Was wird jetzt gelüftet?

„Ich war noch nie hier."

Okay, damit habe ich wirklich nicht gerechnet.
Verwundert sehe ich den See hinunter und kann die Schatten unserer baumelnden Füße leicht erkennen.
„Wie hast du dann hier hin gefunden?"

Er lehnt sich leicht zurück und schließt seine Augen.

„Instinkt."

Insitinkt? Soll das ein Scherz sein?

„Ich kann dir das nicht ganz glauben." Ehrlich schauend suche ich seinen Blick, den er mich schließlich schenkt.
Er sagt nichts, sondern sieht mich nur an.
Wir starren uns beide gegenseitig an. Auch wenn ich wollte, kann ich nicht aufhören ihn anzusehen.

„ Man braucht kein Ziel um zum richtige Ort zu gelangen. Es ist nur wichtig mit wem man die Reise beginnt."

Eigentlich finde ich so Sprüche immer sehr kitschig, aber der hat mich berührt, denn ich merke das es direkt aus seinem Herzen kommt.
Ich lächle und sehe beschämt zum See, da er es nicht einsieht wegzuschauen.
Ich bin Schlaftrunken denke ich. Das wird der Grund sein weswegen mir das alles wie ein Film vorkommt.

So wie wir hier sitzen, kann es doch alles gar nicht wahr sein.
Aber wie kann es sein das Jo rein instinktiv diesen Ort gefunden hat. Oder ist das nur eine Masche um mich rumzukriegen?

„Worüber denkst du nach?"
Fragend sieht er zu mir rüber und runzelt seine Stirn. Jetzt erst fällt mir auf wie strubbelig seine Haare noch sind.
Gott was mache ich ihr bloß?

„Keine Ahnung. An alles."

Ich weiß das die Antwort nicht wirklich hilfreich ist, dennoch habe ich keine Ahnung wie ich diese Frage beantworten soll.
Jo lacht leicht und legt sich mit seinem Rücken auf den vermutlich kühlen Steg.
Er sieht hinauf in den Nachthimmel, wodurch seine Augen beginnen zu glänzen.
„Das geht gar nicht das man an 'alles' denkt. Ich vermute einfach das du es nicht verraten willst."
Wow, er ist nicht schlecht. Aber darauf hätte ich auch selbst kommen können.
Ich sage daraufhin nichts, sondern sehe ihm dabei zu wie er langsam seine Augen mit einem lächeln schließt.
Er will doch jetzt nicht etwa einschlafen oder?
„Keine Sorge," er öffnet sein eines Auge und mustert meinen Blick. Ja, ich bin noch dabei anzustarren, „ich schlafe nicht ein."
Eigentlich ist mir sowas total peinlich aber jetzt muss ich lachen, weil ich das alles so unfassbar auffällig gemacht habe.
„Lege dich doch zu mir."

Auch ich lege mich mit meinem Rücken auf den Steg und überraschender Weise, ist er gar nicht so kalt wie erwartet.
Ich sehe auch zu den Sternen hinauf und kann es nicht fassen, wie wunderschön so etwas sein kann.
Von der Seite merke ich gar nicht das ich beobachtet werde.
Mein Blick fliegt zur Seite. Unsere Gesichter sind verdammt nahe.
Abwechselnd sieht er zwischen meinen Augen hin und her.
Plötzlich spüre ich so einen drang in mir. Einen drang meine Lippen auf seine zu pressen. Aber ich weiß das ich das nicht tun kann.
Das würde alles kaputt machen was jetzt gerade ist.
Auf einmal ohne den Blickkontakt mit mir zu unterbrechen, setzt er sich auf und lehnt sich langsam über mich rüber.
Was macht er da? Nervös sehe ich ihm dabei zu wie sein Gesicht meinem immer näher kommt. Will er mich jetzt küssen? Nein. Nein, nein!
Ich drücke ihm leicht von mir runter und stehe so schnell es geht auf.
Mein Herz pocht wie verrückt.
Jo sieht erschrocken und schuldig zu mir rüber.
„Es tut mir leid, Julie. Ich habe nicht nachgedacht."
Ich nicke einfach und kann dieses Bild einfach nicht vergessen.
Natürlich hatte ich auch dieses kribbeln, aber es geht einfach nicht. Das wäre beim besten Willen nicht richtig.
Mir geht es auf jeden Fall nicht gut und ich könnte jeden Moment anfangen zu weinen.
Als jo meinen traurigen Blick sieht, kommt er auf mich zu, doch ich trete einen Schritt zurück. Reflex.
„Julie, bitte verzeihe mir."

Eigentlich hat er ja nicht einmal was schlimmes gesagt, doch das einzige was meinen Mund verlässt ist „Kann ich bitte wieder nach Hause?"

Langsam und traurig nickt Jo. Diese Reue in seinem Gesicht ist ihm genaustens anzusehen. Warum fällt es mir so schwer ihm zu sagen das er nichts schlimmes getan hat?

Still und gemeinsam gehen wir zu seinem großen Auto und steigen ein.
Nicht einmal das Radio wird angeschaltet.
Jo lacht, redet oder grinst nicht. Er blickt nur monoton aus der Frontscheibe, fährt dadurch viel zu langsam. Aber es ist auch schon echt spät, also kann ich es nachvollziehen.

Bei mir angekommen sitzen wir stillt nebeneinander. Wie soll ich mich jetzt verabschieden?
Jo übernimmt den Part „Danke dir für den Abend. Und es tut mir nochmal leid."
Mein Blick gleitet zu ihm.

„Alles gut."
Ich versuche zu lächeln, aber ich merke das die Müdigkeit meinen Körper einnimmt.
Ohne ihm nochmal anzusehen, verlasse ich sein Auto und gehe zur Haustür.
„Julie?"

Ich drehe mich zu ihm um. Er hat das Beifahrerfenster runtergemacht.

„Wir sehen uns?"

Das klang eher wie eine Frage, dennoch beantworte ich sie mit einem müden nicken.

Langsam schließe ich die Tür auf und mache sie von innen wieder zu.

Heute war es anders. Aber gut anders... Denke ich.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt