Twenty

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Immer noch starre ich in die kalt aussehenden Augen meines eigentlich netten Chefs. Mister Colin schließt hinter sich die Tür und verschränkt mich gereizt ansehend seine Arme.
Langsam öffnet er seinen Mund und ich erwarte die schlimmsten Vorwürfe. Mein Herz pocht stark und ich überlege sogar schon wo ich einen neuen Job finden könnte.
Vielleicht in einer Bäckerei oder ich fange in der Bar an und leiste Owen Gesellschaft.
Meine Hände verknoten sich automatisch und nervös starre ich auf meine Schuhe.

„Miss Wyler," sein Ton lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen.
Somit muss ich mich von meinem Traumjob verabschieden. Man sieht sich, Job.

„Haben Sie schon ein Thema für Ihren Artikel?"
Verwirrt sehe ich zu ihm auf, während gleichzeitig ein Stein von meinem Herzen fällt.
Ich habe damit gerechnet das jetzt die schlimmsten Konsequenzen folgen, aber anscheinend ist das nicht der Fall. An seiner Stelle hätte ich mich zur Schnecke gemacht.
Apropos zur Schnecke machen. Ich habe noch gar kein Thema für meinen Artikel. Darüber habe ich mir kaum Gedanken gemacht in den letzten Tagen. Ich hatte zuviel um die Ohren.
Jetzt habe ich doch wieder ein schlechtes Gefühl, weil Mr. Colin sicher davon ausgeht das es mir unwichtig ist, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht.

„Nein, also ich bin noch nicht fündig geworden." Tatsächlich lächelt er kurz und legt seine Hand an meinen Rücken, während er mich durch den langen Flur führt.

„Das ist kein Problem. Sie haben ja noch Zeit."
Er schiebt mich am Ende des Ganges in das Büro wo auch ich meinen Sitz habe.

„Bis in zwei Wochen hoffe ich auf einen Artikel der die Leute mitreißen wird. Kein Stress."

Nett wie immer lächelt er mir zu. Ist ihm nicht auf gefallen das ich ihn die ganze Zeit belauscht habe?
Mein Kopf brummt, wärend ich meinen Chef beobachte, der einen Kollegen von mir eben eine Aufgabe erteilt.
Ich habe das Gefühl das noch Konsequenzen folgen werden, auch wenn es nicht zu ihm passen würde.

„Julie!" Erschrocken zucke ich zusammen und drehe meinen Kopf nach hinten, wo Sandy die Sekretärin steht und mir einem Zettel hinhält.
Freundlich grinst sie und zupft an ihren engen Rock.

„Was ist das?" Verwundet nehme ich den Zettel entgegen und lese mir die ersten Zeilen durch. Nichts als Zahlen und Schriften.
Sandy lehnt sich an meinen Schreibtisch und wirft immer wieder Blicke zu Mister Colin. Das sie ein Auge auf ihn geworfen hat steht schon seit langem fest. Sie streitet es ab, doch jeder kann es am bloßen Auge erkennen, das sie voll auf ihn abfährt.

„Naja," sie widmet ihren Blick wieder mir und räuspert sich kräftig.
Ich finde es wieder belustigend wie sie auffällig unauffällig versucht Mister Colins Aufmerksamkeit zu erhaschen.

„Also das ist eine Mitschrift eines Artikels, den du vor kurzem abgegeben hast. Export oder so?"

Ich nicke und lese oben auf dem Zettel das Wort Bemerkung

Was gibt es da anzumerken?

„Und was genau soll ich da machen? Morgen wird die nächste Zeitung veröffentlicht ich kann das jetzt nicht einfach umändern."

Abwesend nickt sie und wickelt sich eine Strähne um ihren knochigen Zeigefinger.
Ihr Blick bleibt auf meinen Chef kleben, der ausgiebig mit einem Arbeitskollegen lacht.

„Hörst du mir jetzt mal zu?" Genervt tippe ich sie an und kann es nicht fassen wie sehr sie sich von ihm ablenken lässt. Nebenbei ist er ein paar Jährchen älter als sie. Aber Alter ist nur eine Zahl richtig?
Auf jeden Fall scheint Sandy es so zu sehen.
Als würde sie wieder auf den Planeten Erde ankommen, starrt sie mich an und sinkt ihren Zeigefinger.

„Verzeihung.. Ich äh... Keine Ahnung. Sonst lese es dir mal durch und mach das was draufsteht."

Langsam, und nicht ohne nochmal zu meinem Chef zu schauen, geht sie aus dem Büro und läuft fast gegen einen Mülleimer der an der Tür steht.
Amüsiert sehe ich ihr nach und schüttele den Kopf.

Wenn Mister Colin nur wüsste.

Damit ich mir keinen Ärger einhandel, mache ich tatsächlich das was Sandy mir empfohlen hat. Den Artikel nochmal umändern.
Mein Computer fährt hoch und in Null komma nix fliegen meine Finger über die Tastatur, damit ich schnell fertig werde.
Ich nehme keine großen Veränderungen vor, nur ein paar kleine Sätze und Stichworte die ich weglasse. Motiviert starre ich abwechselnd auf meinen Artikel und dann wieder auf den Bildschirm meines Computers.
Ich bekomme es ja nicht einmal mit, als jemand mir einen Kaffe hinstellt, damit ich auch mal sowas wie Nahrung zu mir nehme, bevor ich Feierabend habe. Soweit man Kaffe als Nahrung betiteln kann.

Ein wenig später, nachdem ich den Text fertiggeschrieben und per Email an Mister Colin geschickt habe, lehne ich mich ausatmend zurück. Es fühlt sich an, als wäre ich ein Marathon gelaufen.
Draußen ist es dunkler geworden. Es erschreckt mich wirklich, wie lange ich dafür gebraucht habe. Da hätte ich die Zeit auch wirklich für was besseres nutzen können.

„Tschüss Julie." Carla, eine ältere Dame die schon hier war als ich hier als Redakteurin angefangen habe, winkt mir zum Abschied, bis sie ihre Haare unter einer grünen Mütze versteckt und sich ihren grauen Mantel überwirft.

Ich lächle „Schönen Feierabend, Carla."

Sie nickt und verlässt das Büro.

Als ich mich umschaue bemerke ich, dass nur noch ein paar Leute im Büro sitzen und an ihren Computern arbeiten oder telefonieren.

Ich entscheide mich schließlich auch nach Hause zu gehen.
Müde bin ich allemal. Zufrieden fahre ich den PC runter und stehe auf.
Den Mantel, der über meinem Stuhl hängt, ziehe ich mir über, schnappe mir die Tasche und begebe mich aus dem Büro. Schon jetzt freue ich mich auf zu Hause, vielleicht kann ich dann ja mal mein Buch was ich mir zuletzt gekauft habe, weiterlesen.
Ich lächle ein paar Kollegen zu die mir entgegen kommen und gehe anschließend in den Fahrstuhl um in den Foyer zu gelangen.

Im Fahrstuhl denke ich über den Artikel nach den ich schreiben soll über ein von mir ausgedachtes, spannendes Thema. Das wird noch sehr interessant.

Pling

Die Tür öffnet sich und ich trete raus, während ich mein Handy aus der Tasche hole. Als ich meinen Blick hebe bleibt mein Blick an der Glastür kleben. Eben läuft jemand raus, der mir sehr bekannt vor kommt.

Diese Größe und die Jacke erkenne ich sofort.

Jo. Jonathan.

Eilig gehe ich ihm hinterher. Das muss er sein. Verzweifelt stopfe ich das Handy zurück in die Tasche und gehe schnell durchs Foyer, raus aus der Tür.

Enttäuscht lasse ich meinen Blick nach vorne fliegen. Er ist weg.
Ich schaue sogar um die Ecke um zu schauen ob er da ist, doch nein.

Er ist verschwunden.

Wenn es Jo war, was hat er dann dort gemacht? Das macht absolut keinen Sinn.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt