Fifty Eight

48 2 0
                                    

Ewig lange starre ich ihm in seine Augen, bis ich bemerke was hier gerade abgeht.
Er hat mich entdeckt und ich habe keine Ahnung was ich sagen soll. Mein Herz klopft stark gegen meine Brust und es fühlt sich so an als könnten sich unsere Nasenspitzen fast berühren.
Ich trete einen Schritt zurück und setze ein falsches Lächeln auf.
„Jo? Man was für ne Überraschung."
Verdutzt zieht er eine Augenbraue nach oben und verschränkt seine Arme.
„Überraschung? So wie du da unten vorhin in die Bar gerannt bist, sah es nicht so aus als wärst du jetzt unabsichtlich hier oben."

Mein Blick wandert über das Geländer hinüber, wovon aus man die Straße unten ohne Probleme beobachten kann.
Mir fällt nichts ein, was mich aus dieser unangenehm Situation befreien könnte. Ich wünschte ich hätte jetzt Harry Potters Tarnumhang, mit dem ich unsichtbar werden könnte.
Ohne Worte sieht Jo mich noch an und setzt sich schweigend wieder unter die Decke. Zu meiner Überraschung hebt er die Decke ein bisschen an und nickt mich zu sich. Zögernd setze ich mich neben ihm hin und lege die warme Decke über meine Beine. Die Kälte habe ich zuvor gar nicht bemerkt. Meine Beine winkle ich an um schneller warm zu werden. Zum Glück trage ich eine Mütze, weil ohne würden meine Haare in alle Richtungen fliegen.

„So, was machst du hier oben?"

Natürlich steht diese Frage noch im Raum, obwohl ich das kurz verdrängt habe. Ich kann einfach nur hoffen das ich ihn nicht wieder von mir wegstoße, wenn ich ihn auf diese eine Sache drauf anspreche.
Innerlich bete ich.

„Nun ja... Ich- ich habe dich gesucht." Unsicher sehe ich auf meine Fingernägel. Ich wage es nicht einmal in seine Augen zu schauen.
„Warum?" Er nimmt einen Schluck auf seiner Thermoskanne. Ich kann nur hoffen, dass da kein Alkohol drinnen ist.
Ich muss es jetzt einfach fragen. Jetzt oder nie.

„Warum bist du letzten Abend einfach abgehauen? Hat es was mit der Weihnachtsfeier zu tun?"

Ich merke wie er leicht zusammen zuckt. Er stellt die Kanne zur Seite und sieht in den Himmel. Ich mache es ihm gleich. Hoffentlich habe ich jetzt keinen Fehler gemacht. Die Sterne strahlen zwar, aber die Angst mach sich in meiner Bauchgegend breit... Was habe ich mir bloß dabei gedacht?

Lange sagt er nichts sondern sieht sich die Sterne an, die langsam zum Vorschein kommen.
Ich denke, dass ich keine Antwort mehr bekommen werde.

„Na schön.." Jo atmet tief aus und sieht mir direkt in die Augen.
„Es gibt da etwas was du nicht weißt. Und ich weiß auch nicht ob es klug ist dir das zu erzählen, aber du hast eine Erklärung verdient."
Ich halte die Luft an und sage nichts. Zu groß ist die Angst, dass er seine Meinung wieder ändern könnte.

„Dein Chef, Mr. Collin, er-er ist..."
Besorgt sehe ich ihn an, wiel ich merke wie schwer es ihm gerade fällt. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und er schließt die Augen „.. Er ist mein Vater."

Ich reiße meine Augen auf. Moment mal. Mr. Collin soll Jo's Vater sein?
Vollig perplex und verwirrt sehe ich von ihm ab und starre in die leere. Ich habe ja mit allem gerechnet, aber nicht damit.
„Da ist noch mehr."
Jo scheint zu bemerken wie überrascht ich bin. Mein Blick wandert wieder zu ihm. Was folgt jetzt?
„Mein Vater und ich, wir führen seit langem schon eine echt schwierige Beziehung und ähm- wie soll ich es sagen? Ich bin mit 16 ausgezogen, weil ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe. Ich will ihm noch wenig wie möglich unter die Augen treten. Es sind ein paar Dinge passiert, auf die ich aber nicht weiter eingehen möchte."

All seine Reaktionen wenn ich von meiner Arbeit gesprochen habe oder seine Flucht vor kurzem. All das hat was mit seinem Vater zu tun, der mein Chef ist. Ist Mr. Collin deswegen so kalt? Wegen Jo?

Ich habe so viele Fragen, aber bevor ich irgendwas rausbekomme, steht Jo schon auf und nimmt sich die Decke.
„Ich denke du solltest jetzt gehen." Nun kommt wieder dieses Gefühl auf, dass er sich in nächster Zeit nicht mehr melden wird. Langsam verabscheue ich das.
Still nicke ich und laufe voran. Leise folgt er mir. Ich bin zwar froh, dass er mir das eben erzählt hat, aber ich muss das erstmal verdauen. Wir betreten wider die Bar, wo Owen gerade ein Glas abwäscht und mich anlächelt. Er belässt es aber, als er Jo's und meine Blick wahrnimmt.

„Tja, ich gehe dann mal." Der Duft vom Alkohol und Rauch macht sich in meiner Nase breit.

Jo nickt.

„Warte." Ich habe mich gerade umgedreht als Jo mich aufhielt. Er umarmt mich und ich atme sofort seinen Körpergeruch ein. Hat was von Vanille und Minze.
Obwohl es mich überrascht, genieße ich es.
Langsam lässt er von mir ab. Ich habe das Gefühl, dass alle Leute in dieser Bar uns gerade beobachten.
Ich lächle ihm nochmal zu, bekomme ein leichtes Lächeln zurück, als ich die rauchige Bar endlich verlasse.

Draußen ist es weniger kalt aus auf dem Dach eben.
Nachdenklich schlendere ich nach Hause. Mr. Collin ist Jo's Vater. Wie ist das möglich? Warum hat er es mir so lange verschwiegen?
Ob Jo es schon bereut es mir erzählt zu haben?

Selbst als ich ein paar Stunden später auf meinem Sofa liege, kann ich meinen Kopf nicht abstellen. Und das, obwohl meine Lieblingsserie gerade läuft.
Es hat doch keinen Zweck. Stöhnend verlass ich das Wohnzimmer und lege mich ins Bett.
Hoffentlich komme ich hier zu Ruhe. Eins steht auf jeden Fall fest. Ich muss nochmal das Gespräch mit Jo suchen. Und das, bevor er wieder dicht macht.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt