Thirty-three

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Während Owen noch tief ausschnaubt und sich beruhigt, fängt Jo an sich von mir los zumachen und wütend weg zu stürmen.
Verwirrt sehe ich ihm nach und verstehe nicht was mit ihm passiert ist? Er ist hoffentlich nicht so ein Schlägertyp der nur mit seinen Fäusten denkt. So habe ich ihn auf jeden Fall nie eingeschätzt.
Doch da ich im Moment nicht einschätzen kann weshalb er plötzlich so drauf ist, kümmere ich mich um Owen, der sich seinen Hinterkopf kratzt.
„Geht's?" Ich gehe auf ihn zu und lege meine Hand auf seine Schulter. Er nickt nur und stützt sich von der Wand ab, räuspert sich und weicht meinem Blick aus.
„Alles gut. Mach dir keine Sorgen, ja?"
Lächelnd schiebt er mich sanft zur Seite, damit er vorbei kann. Warum geht er jetzt? Owen geht den Flur hinunter und ich kann meinen verwirrten Blick längst nicht mehr verstecken.
Was zur Hölle?
Was für ein hirnloser Film läuft hier gerade?
Ohne mich vom Fleck zu bewegen, höre ich das klirren von Gläsern und von Flaschen. Das Owen jetzt so tut als wäre nichts gewesen wundert mich.
Ich bewege mich zurück zur Theke und entdecke Owen der sich an der Theke abstützt und den Kopf hängen lässt. Ja genau, es ist nichts gewesen. Langsam gehe ich auf ihn zu.
„Owen?"
Er hebt den Kopf und sieht mich bedrückt an, versucht dann aber zu lächeln.
„Ich sortiere gerade die Flaschen."
Ich nicke und er widmet sich widerwillig seiner Arbeit.
Er wird mir nicht sagen was vorgefallen ist, das ist mir bewusst.
Aber apropos vorgefallen. Wo ist Jo eigentlich?
Fragend drehe ich mich um meine eigene Achse. Ist er abgehauen?

„Jo ist weggegangen, falls du ihn suchst."
Owens Worte brennen sich in meine Brust, denn er scheint zu bemerken, wie sehr mich das alles bedrückt.
„Und wohin?"
Mein Blick bleibt an der Tür haften.
„Ruf ihn doch an. Er kann überall sein."
Ich nicke. Warum bin ich da nicht selber drauf gekommen?
Das klingt nach einem Plan.
Sofort hole ich mein Handy aus der Manteltasche und wähle seine Nummer.
Hoffentlich geht er ran.
Ungeduldig halte ich das Gerät an mein Ohr.
Es piept aber ich höre nicht die Stimme von Jo.
Ich hoffe nicht das er irgendwas dummes macht.
„Was?"
Mein Herz springt als er kurz bevor ich auflegen will, doch rangeht. Nur sein Ton ist ungewohnt und gefällt mir nicht.
„Wo bist du?"
„Julie?" Jetzt klingt er nur noch verwirrt.
Ich setze mich auf einen der Barhocker und kann Owen's Blick auf mir spüren.
„Du bist abgehauen. Wo bist du?"
Es kommt nichts. Doch im Hintergrund höre ich hupende Autos und jedemenge Menschen.
„Ich.... Ist doch auch egal."
Eigentlich bin ich ein sehr verständnisvoller Mensch, aber warum sagt er mir das nicht einfach?
Langsam nervt mich diese Ungewissheit.
„Jo, wo..."
Aufgelegt.
Ich höre nur noch das piepen der Leitung. Er hat mich einfach weggedrückt.
Genervt knall ich das Handy auf die Holztheke und schnaube tief aus.
„Hat er dich weggedrückt?"
Owen stellt ein Glas hinter sich in eine Vitrine.
Ich nicke und er schmunzelt. Warum schmunzelt er?
„Das macht er oft. Meistens dann wenn ihm etwas besonders unangenehm ist. So ist Jo nunmal."
Was soll das heißen, so ist er nunmal?
Nur weil er anscheinend so ist, muss ich es ja nicht gleich akzeptieren oder?
Es gehört sich einfach nicht, egal ob Jo nunmal so ist oder eben nicht.
Ohne Owen zu antworten, stehe ich auf und begebe mich zur Tür.

„Danke das du mich reingelassen hast. Tschüss."

Owen nickt nur stumm und ich verlasse die Bar um Jo zu suchen. Er kann ja nicht weit weg sein. Vielleicht ja auch gleich um die Ecke.
Ich muss ihn einfach zur Rede stellen.

————

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich schon auf den Beinen bin oder vielmehr dabei bin Jo zu suchen, aber eins weiß ich.
Meine Beine machen langsam schlapp und meine Füße tun weh.
Genau aus diesem Grund laufe ich die Steintreppen hinauf zu meinem kleinen Haus.
Ich war beim Time Square, am Hauptbahnhof und sogar im Central Park, aber ich habe ihn nirgendwo gefunden.
Ich habe ihm geschrieben, er hat nicht geantwortet. Ich habe ihn angerufen, er ist nicht rangegangen. Also, wozu mache ich mir die Mühe?

Weil ich mir verdammt nochmal Sorgen mache.

Sobald der Schlüssel steckt, öffne ich die Tür und schließe sie hinter mir.
Draußen ist es dunkel, sodass ich das Licht anknipsen muss.
Meine Beine tragen mich ins Schlafzimmer, wo ich meine neugekauften Sachen auf mein Bett lege.
Zufrieden sehe ich mir jedes einzelne Teil an. Trotz der aktuellen Situation ist es gut gewesen mal wieder was für sich selbst zu tun.
Das habe ich gebraucht.
Im Flur ziehe ich mir Schuhe und Jacke aus und gehe ins Wohnzimmer, damit ich mich meinen Büchern widmen kann. Vielleicht lenkt mich das ab.
Sofort ziehe ich mir mein neues Buch, was ich immer noch nicht durchgelesen habe aus dem Regal und mache es mir mit einer Wolldecke auf dem Sofa gemütlich.
Nachdem ich die Seite aufgeschlagen habe, bin ich sofort mittendrin in der Geschichte.
Verzaubert verfolge ich die Situationen und Geschehnisse des Buches und sehe auch abundzu auf die Uhr.
Wenn die Liebe doch nur ein Versuch Gottes ist uns auf die Richtige Bahn zu lenken? Gibt es sowas wie wahre Liebe überhaupt?
Das Zitat der Protagonistin schwebt mir durch den Kopf, weshalb ich mich umso mehr erschrecke, als es bei auf einmal an der Tür klingelt.
Etwas angst habe ich schon, denn es ist schon recht spät. Also warum sollte jemand so spät bei mir klingeln?

Zögerlich mache ich mich auf dem Weg zur Haustür.
Langsam drehe ich den Schlüssel um und öffne die Tür nur einen Spalt, sodass ich sie zur Not auch wieder zu knallen kann, aber Einbrecher klingeln bekanntlich nicht, richtig?
„Julie... Ich.... Es tut mir leid."

Ein trauriger Braunschopf steht vor meiner Tür mit rotunterlaufenen Augen und einem nassen Gesicht, hat er geweint?
Sofort öffne ich die Tür ohne ein Wort zu sagen und lasse ihn rein.

Was macht Jo bloß hier?

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt