Four

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Meine Gedanken, werde durch ein rufen unterbrochen. Ich sehe zur Seite und auf der anderen Straßenseite wird ein älterer, ziemlich verwahrloster Mann am Kragen aus einem Lokal rausgebracht.
Oben sind LED Lichter angebracht, die zwar nicht an sind, doch trotzdem zeigt es den Namen des Lokals „Jeff's Bar." Eine Bar also.
Mit allem was er hat ruft der ältere Mann, der ziemlich betrunken ist, gemeine Dinge dem blonden Mann zu.
Vielleicht ein Mitarbeiter dieser Bar. Doch er schüttelt den Kopf und schubst ihn ein wenig weg, ein Anzeichen dafür das der ältere verschwinden soll. Der Mitarbeiter verschwindet wieder drin und schließt hinter sich die Tür. Daraufhin ruft der draußen gebliebene Mann noch fiese Dinge, obwohl niemand mehr bei ihm ist.
Wie versteinert stehe ich dort und beobachte den Mann, der anscheinend ziemlich mit sich selbst zu kämpfen hat. Seine Klamotten wirken auch nicht sehr winterlich. Von hier aus kann ich die riesen Löcher in seiner Jacke sehen. Sicherlich friert er.
Plötzlich dreht sich sein Gesicht in meine Richtung. Es sieht so aus, als würde er mir direkt ins Gesicht schauen. Obwohl er weit weg ist, ist es ziemlich gruselig. Mich durchfährt ein Schauer und in Null komma nichts gehe ich weiter, weit weg von dem Mann.

Mit schnellen Schritten und knirschendem Schnee unter meinen Füßen, suche ich nach einem passenden Laden, wo ich was für meine Mutter finden kann. Seit Jahren ist es so, dass sie nie einen triftigen Wunsch äußert. Sie sucht eher nach einem Grund sich nichts wünschen zu müssen. Aber trotzdem habe ich ihr jetzt seit meinem zehnten Lebensjahr immer etwas Materielles geschenkt. Gefreut hat sie sich darüber immer.
Mein Kopf ist leer, obwohl es voller Ideen nur so sprühen müsste.
Verzweifelt bleibe ich an einem Schaufenster stehen, wo Bücher und kleine, bunt bemalte Dosen und Schächtelchen sind. Möglicherweise kann sie was mit einem Kochbuch anfangen, denn das muss sie noch dringend lernen.
In Gedanken schwelgend, betrete ich den nach rosmarin duftenden Laden. Sofort gehe ich zur Abteilung der Kochbücher und überfliegen mit meinem Zeigefinger die verschiedenen Einbände. Zum Glück ist das Regal nicht all zu groß.

„Hallo, kann ich Ihnen helfen?" Neben mir hält eine dunkelhaarige Frau, die mich mit ihren dunkelbraunen Augen fragend ansieht.
„Sie besitzen nicht zufällig ein Kochbuch für Frauen, die das Kochen nicht wirklich draufhauen?" Mein Blick fliegt zu den Büchern zurück. Amüsiert lacht sie „Klar. Nun ja," sie wühlt in den Regalen rum und sucht nach einem Buch, welches sie anscheinend gezielt sucht.
„Hier."
Die Verkäuferin überreicht mir ein dickes, dunkelgrünes Buch. Ein Kochbuch für jedermann. So verrät es mir die gelbe Schrift auf dem Kochbuch.
„Danke sehr," zusammen machen wir uns auf den Weg zur Kasse, wo ich das Geschenk bezahle.
„Danke für deinen Besuch."
Lächelnd bedankt sie sich und ich verlasse winkend den Laden.

Mir ist, als ich die kalte Luft an meinem Gesicht spüre, klar was mich jetzt erwartet. Das „Streitschlichtungsgespräch" mit Logan. Ich hoffe, dass ich standhaft bleibe und nach Blairs Tipp meinen Standpunkt selbstbewusst vertrete.
Mit einem nervösen Bauch, mache ich mich samt dem Geschenk meiner Mutter auf den Weg zu Logans Wohnung. Es klingt vielleicht naiv, aber wenn er mir wenigstens verzeihen würde, würde mir das reichen. Auch wenn ich im Grunde nichts schlimmes gemacht habe.
Ich brauche ihn und er braucht mich.
Mit schnellen Schritten überquere ich eine Kreuzung, mit dem Ziel nicht übergefahren zu werden. Die aus Backstein gebaute Wohnung erreiche ich nach ein paar Abbiegungen.
Nervös gehe ich auf die Wohnungstür meines Freundes zu.
Eine halbe Ewigkeit starre ich die Klingel an, bin am überlegen wie ich das gleich angehen kann. Mein Atem macht sich durch einen Hauch bemerkbar und meine Nervosität durch meine äußerst schwitzigen Hände.
Hinter mir höre ich aufgeregte Kinder die von dem morgigen Tag schwärmen, dem Heiligabend. Das ist auch ein Grund weshalb ich mit ihm reden muss. Ab morgen beginnen die Feiertage und eigentlich wollten wir die zusammen verbringen. Noch einmal atme ich tief aus und klingle anschließend.
Einen großen Schritt trete ich zurück.
Mein Herz pocht so, als hätte ich an einem Marathon teilgenommen.
Die Leute die hinter mir laufen, blende ich aus.
Lediglich starre ich an die Tür an und warte bis es piept und ich rein kann.
Doch es geschieht nichts.
Möglicherweise ist er gerade auf Toilette oder er hat es gar nicht gehört.
Ein letztes Mal berührt mein Finger die Klingel, nur diesmal bleibe ich am Punkt stehen.
„Komm schon," leise bete ich das er ein Zeichen von sich gibt, das er da ist.
Verärgert seufze ich. Dann hat man sich endlich mal mut zugesprochen und dann ist er nicht mal da.
Also ich gehe davon aus, dass er nicht da ist.
Ungeduldig zücke ich mein Handy aus der Jackentasche. Gut, dann rufe ich ihn eben an.
Ein letztes Mal sehe ich zur Tür, bis ich ihr den Rücken zudrehe und mit dem Handy am Ohr Richtung Heimat verschwinde.
Auch über Festnetz gibt er kein Zeichen von sich, als wäre er gestern vom Erdboden verschluckt worden.
Ich drängle mich an Passanten vor ei die sich bei verschiedenen Ständen Hot-Dogs oder Postkarten kaufen.
Man merkt schon die Feiertagsstimmmung, nur bei mir ist sie seit den letzten vierundzwanzig Stunden nicht mehr vorhanden. Es ist ungewöhnlich für Logan, das er nicht rangeht. Normalerweise ist er zu jeder Zeit erreichbar, nur jetzt nicht.

Langsam wird aus Trauer, Wut. Wut auf mich selber.
Hatte ich ihn gestern nicht so angeschrien, wäre es nie so weit gekommen. Logan wäre nicht einfach so verschwunden und würde vielleicht sogar an sein Handy gehen.

Wieder biege ich um die Ecke und sehe schon meine Wohnung. In meinem Kopf schmiede ich mir einen Plan, wie ich weiter vorgehen werde.
Erstmal durchatmen, dann nochmal anrufen und sonst nochmal Blair um Rat fragen.
Während ich weiter den Gehweg herunterlaufe, merke ich das der Mann von Miss Susan mich beobachtet, ob ich ja endlich den Gehweg freischaufele. Ich lächle nur verkrampft, gehe die Steinstufen nach oben zur Haustür.

Im Haus drinnen verfällt mein lächeln sofort zu einer traurigen Miene. Mein benutztes Handy lege ich auf die ablage im Flur, schnappe mir die Schneeschaufel und gehe raus um Miss Susan endlich zufrieden zu stellen.
~

Den ganzen Tag über habe ich mindestens die Hälfte meines Guthabens verschwendet um Logan per Handy zu erreichen. Es hat nichts gebracht.
Nicht ein einziges Mal ist er rangegangen. Meine Weihnachtsstimmung ist offiziell im Keller. Auch wenn ich noch die Hoffnung habe das er sich vor morgen meldet, weshalb ich mein Handy neben mir liegen habe  glaube ich auch das es vermutlich nicht so sein wird.
Das sagt mir mein Instinkt.
Genau aus diesem Grund liege ich in meinem Bett, mit dem Laptop auf dem Schoß. Meine Finger fliegen über die Tastatur. Bis morgen soll ich Mister Collins noch einen Bericht über den Export zwischen Europa und den USA liefern. Ein Thema was mich jetzt nicht so sonderlich reizt. Solange ich dafür morgen aber noch einen extra Lohn erhalte, ist doch alles gut.
Zu Heiligabend arbeiten ist, trotz der Liebe zu meinem Job, eine nicht wirklich angenehme Sache.

Mein Mund murmelt die einzelnen Sätze, die ich formuliere. Zwar versuche ich nicht alle zwei Sekunden auf mein Handy zu schauen, doch es ist bei weitem schwere als gedacht.
Ich nehme das Handy und schaue, ob mir wenigstens eine Nachricht geschrieben wurde, aber nichts, gar nichts.
Während ich mein Geld sozusagen aus dem Fenster werfe, sieht er es nicht mal ein mir zu antworten. Aber ich habe ja selbst schuld.
Seufzend klappe ich den Laptop zu. Der Artikel wird schon gut genug sein. Müde lege ich das Handy zurück auf den Nachtisch und knipse das Licht aus.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt