Thirty-six

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Hätte Henry niemals diese Idee geäußert wüsste ich nicht, wie lange ich noch hier mit Barbara gesessen hätte, aber dank ihm fliegen meine Finger über die Tastatur wie ein Haufen Schwalben im Himmel.
Vielleicht sollte ich ihn öfter um Rat bitten. Barbara hat mir kurz zu gesehen wie ich stumm ein Wort nach dem anderen eingetippt habe, dann ist sie wieder zu sich zurückgerollt.
Alle meine Erfahrungen und Gefühle bringe ich zum Ausdruck. Ich kann es nicht erwarten, bis Mister Collins den Text liest. Sicherlich wird er begeistert von der Idee sein.

Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich den fertigen Text vor mir stehen habe.
Es ist perfekt geworden, doch trotzdem sollte ich ihn nochmal zu Hause nach Fehlern zu durchsuchen.
Draußen ist es schon dunkler geworden. Unten auf dem Bildschirm verrät mir die Uhrzeit das ich langsam gehen kann, sowie die anderen auch. Selbst Barbara hat das Büro seit einer Stunde schon verlassen.
Schnell ziehe ich den Text auf den Stick, ziehe meinen Mantel an, werfe mir die Tasche über und verlasse das Büro. Vielleicht kann ich irgendwo noch was essen.
Im Büro von Mister Collins brennt noch das Licht. Mein Weg aber führt mich den Flur entlang zum Fahrstuhl, damit ich das große Gebäude verlassen kann.
Unten in der Lobby sehe ich keine Menschenseele, als wären alle vom Erdboden verschluckt. Doch das hält mich nicht davon ab nach langer Zeit mal wieder zufrieden die Redaktion zu verlassen.
Der Wind streicht mir augenblicklich durch mein blondes Haar. Es ist wirklich sehr kalt. Sicherlich wird es jeden Moment wieder anfangen zu schneien.
Ein paar passanten laufen an mir vorbei, während ich nach einem Fast Food Restaurant ausschau halte, wo ich mein Abendessen verzehren kann.
Schließlich fällt mir ein Burgerladen ins Auge. Einen netten Burger könnte ich jetzt gut vertrage. Voller Vorfreude betrete ich den Laden und eine angenehme Wärme erreicht mein Gesicht. Hier herrschen definitiv andere Temperaturen. Suchend fliegt mein Blick durch den Raum, auf der Suche nach einem geeigneten Platz.
Doch zwei Sekunden später erkenne ich jemanden. Ich fange erst an zu lächeln, aber eine Art Rückblende spielt sich vor meinem Auge ab. Auch merke ich nicht das ich mitten im Gang stehe und sich ein älteres Pärchen an mir vorbeiquetscht. Schnell schreite ich zur Seite, weshalb Blair mich schließlich entdeckt. Sieh sieht nervös aus, aber das bilde ich mir vermutlich nur ein. Sie winkt mich zu sich hinüber. Nicken laufe ich zögernd los und je näher ich dem Tische komme desto mehr kommt mir zum Vorschein das sie nicht allein hier ist. Eine weibliche Person. Lange braune Haare. Meine Schritte werden langsamer. Das kann nicht sein.
Als ich aber direkt vor dem Tisch zum stehen komme, sieht sie, die weibliche Person, mich mit ihren fiesen braunen Augen an. Ihre Lippen habe sich zu einer Linie gebildet.

Was macht Blair hier mit Natascha? Träume ich gerade? Was ist hier los? Hat Natascha mir jetzt auch noch meine beste Freundin weggenommen? Zu viele Fragen schweben mir im Kopf herum. Ich kann sie ja nicht einmal ordnen.

„Hast du Hunger Julie?" Blair erhascht augenblicklich meine Aufmerksamkeit. Diese Frage kann sie sich ja wohl selbst beantworten. Sofort hebt sich meine Augenbraue. Ich denke Blair kann sich denken was gerade Sache ist. Sie streicht sich eine braune Locke hinter ihr Ohr. Anschließend räsupert sie sich und rutscht unruhig hin und her. Diese Situation wirkt auf mich so surreal, aber es ist wahr. Alles was sich gerade vor meinem Auge abspielt ist wahr. Natascha lehnt sich genervt mit verschränkten Armen nach hinten.
„Ich habe Hunger. Können wir uns jetzt was bestellen?"
Diese nervige Stimme durchdringt mein Ohr, doch gekonnt überhöre ich dies und starre Blair an.
Ich erwarte eine Erklärung, aber sie sagt kein Wort.
„Ihr Blick wandert zu Natascha und sie nickt „Klar." Sie greift nach der Speisekarte.
Ignoriert sie mich jetzt ernsthaft?
Ohne groß zu überlegen, kippe ich das Glas Wasser welches vor Natascha steht, auf Nataschas kurzes Kleid. Empört springt sie auf. Sie kann froh sein das es nur Wasser war.
Ich stürme aus dem Burgerladen. Nicht mal nachgerufen hat mir Blair. Unsere Freundschaft scheint ihr ja echt wichtig zu sein.
Meine Tränen trocknen im Wind. Aber der Schnee macht es schwierig zu sehen wo ich hinlaufe. Mit meinem Ärmel wische ich mir die Tränen weg.
Orientierungslos biege ich ab und jogge.
Es ist so kalt und die Enttäuschung zerfrisst mich. Warum macht Blair sowas nur?
Laut flenne ich los und krame meinen Schlüssel aus der Tasche, weil ich mein Heim entdecke.
Dabei rutsche ich nur aus und falle hin. Der Boden ist zu rutschig. Weinend bleibe ich im Schnee liegen. Schlimmer kann der Tag doch nicht werden, dabei hat er so gut angefangen.

„Julie, ist alles gut?" Ich blicke auf und eine bekannte Hand zieht mich am Arm wieder auf meine Füße. Ich umarme ihn sofort, brauche grade diese Nähe.
Die Frage was er hier macht, stelle ich mir nicht einmal. Antworten sind im Moment das letzte was ich brauche. Ich brauche Geborgen und die bekomme ich von ihm.

Von Jo.

„Komm ich schließe auf." Er nimmt zaghaft den Schlüssel aus meiner Hand, nachdem ich nach einer gefühlten Ewigkeit mich von ihm gelöst habe. Ich klammer mich wie ein Äffchen an seinen Arm, er umschließt mich mit diesem. Vorsichtig betreten wir sie Stufen und an der Tür, schließt er die Tür auf.
„Vorsicht."
Er führt mich mit seiner Hand an meinem Rücken in den Flur, mit bedacht das ich nicht wieder stürze.
Langsam ziehe ich mir den Mantel und die Schuhe aus. Meine Füße schmerzen von der eisigen Kälte.
Wieder wische ich mir ein paar Tränen weg und nehme den Schlüssel an, die er mir hinhält. Ich gehe anschließend vor ins Wohnzimmer und höre wie er sich noch Schuhe und Jacke auszieht. Müde lasse ich mich auf mein Sofa fallen und schließe meine Augen.

Ich verstehe einfach gar nichts mehr.

„Willst du drüber reden?"
Stillt setzte sich Jo neben mir hin, wartet auf eine Reaktion meinerseits. Mein Kopf schüttelt sich von allein und ich greife nach einem Kissen, lege es mir auf den Schoß.
„Ok. Kann ich verstehen."
Ich merke das Jo versucht sehr sanft mit mir umgeht, damit ich vermutlich nicht wieder anfange zu weinen. Aber genau das zaubert mir ein kleines Lächeln auf mein nasses Gesicht als ich ihn dabei beobachte wie er sich unscheinbar im Raum umsieht, obwohl sich nichts verändert hat.

„Was machst du eigentlich hier?"

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt