One

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„Vielen Dank, schönen Tag noch!" Mein neues Buch in die Tasche steckend, bedanke ich mich bei der netten alten Verkäuferin, die eine rote Hochsteckfrisur trägt.
Sie lächelt freundlich und schaut zum nächsten Kunden, der hinter mir steht und schon die ganze Zeit ungeduldig ausgeschnaubt hat. Ich gehe zum Ausgang und trete aus der Holztür, die vor sich hin knarrt.
Die kalte Winterluft macht sich an meinem ganzen Körper bemerkbar. Es schneit leicht, doch es ist angenehm und keinesfalls nervtötend. Die Laternen in den Straßen sind an, da die Dunkelheit früher Eintritt. Meine blonden Haare habe ich unter einer Wollmütze versteckt.
Der Schnee knirscht unter meinen Stiefeln, lassen die Schritte ein wenig erschweren. Schon jetzt freue ich mich schon in meinem kleinen Haus zu sitzen und mein neues Buch zu lesen. Einen leckeren Pfefferminztee werde ich mir zubereiten und selbstgebackene Kekse essen, die mir meine Mutter Coralee letztes Wochenende mitgegeben hatte, als ich sie für ein paar Tage besuchen kam.
Mit Sicherheit wird mein fester Freund Logan noch vorbeikommen und mit mir zusammen das Buch durchforsten. Die Vorfreude steigt in mir auf.

Schnell biege ich um die Ecke in eine kleinere Gasse, um das kleine Haus zu erreichen. Das schwache Licht der Straßenlaternen führen die vierstufige Steintreppe zu meiner Haustür hinauf. Mit kalten Fingern krame ich die Schlüssel aus meiner Tasche und stecke diesen anschließend ins Schloss.
Zügig schließe ich die Tür auf, drehe mich nochmal um und betrete das kleine Haus in West Village.

Sofort entledige ich mich meinen Mantel und setze die Mütze ab. Ein wenig nasser Schnee macht sich auf dem Flurboden breit. Seufzend gehe ich, nachdem ich mir die Stiefel ausgezogen habe, in die Abstellkammer um mir einen Wischer zu holen und den Schnee wegzumachen. Vorsichtig, damit auch nichts daneben geht, wische ich über den Suff.

„Machst du gut, Schatz."

Eine bekannte Stimme meldet sich hinter mir und ich lasse den Wischer vor schreck fallen.
Lachend lehnt sich mein gutaussehender Freund Logan an der Wand ab. Sein Lächeln ist zum dahinschmelzen. Es ist normal, dass er sich manchmal in meinem Haus aufhält, während ich entweder auf der Arbeit bin, ich arbeite übrigens für die Daily News, oder anderweitig unterwegs bin.
Dafür besitzt Logan einen Haustürschlüssel.
Seit einem Jahr arbeite ich jetzt schon für die Daily News und bin mehr als zufrieden. Mister Collins, mein Chef, hat ein sehr großes Herz und bei ihm macht es Spaß zu arbeiten.
Weil es mir Spaß macht zu schreiben, hab ich vor einem Jahr mein Abschluss in Journalismus gemacht.

„Ich bringe den eben weg."
Logan greift nach dem Wischer und zwinkert mir zu, während ich ihn anlächle. Irgendwas ist komisch mit ihm heute. Er ist so flirtig drauf.

Im Flur wird es allmählich kalt, weshalb ich ins Wohnzimmer gehe und mich aufs Sofa setze mit meinem neuen Buch in der Hand.
Ich liebe es zu lesen, doch noch besser ist es doch selber zu schreiben.
Die kleinen Teelichter, die Logan angemacht hat, vergelblichen die Seiten des Buches und ich beginne die ersten Seiten zu lesen.
Jedes Wort, jeden Buchstaben sauge ich auf und fühle mich als wäre ich die Protagonistin selbst.

Hinter mir vernehme ich die Schritte meines Freundes und keine zwei Sekunden später setzt er sich zu mir und legt seine Hände um meine Hüfte „Na, wie ist das Buch?"
Seine raue Stimme durchströmt mein Ohr und ich drehe meinen Kopf „Gut, es gefällt mir sehr."
Wieder widme ich meine Aufmerksamkeit dem Buch. Auf einmal spüre ich etwas feuchtes an meinem Hals.
Er fängt an meine Haare zurück zu streichen und meinen Hals zu küssen. Ganz leichte und weiche küsse.
Ich schließe meine Augen und genieße diese Geste.
Eigentlich kenne ich ihn so gar nicht. Logan ist eigentlich der Typ, der mit mir zusammen Bücher liest und darüber diskutiert. Er ist eigentlich der Typ, der mir einen Tee macht und allerhöchstens mit mir kuschelt, doch so kenne ich ihn nicht.
Doch ich versuche da hinweg zu sehen und schließe erneut meine Augen.
„Ich liebe dich, Jul."
Seine Stimme vibriert an meinem Hals und ich bekomme Gänsehaut.
Seine rechte Hand wandert von meine Taille zu meinem Bauch und versucht meinen grauen Wollpullover nach oben zu schieben, mit Erfolg.

Ich merke sofort das er mehr will. Ich merke das er mir das Oberteil komplett ausziehen will. Das Buch hat mittlerweile keine Bedeutung mehr. Es liegt vor mir aufgeklappt und wartet darauf weitergelesen zu werden.
Seine Hand streicht über meinen Oberkörper, während er mir das Oberteil entledigen will. Ich bin mir nur unsicher, ob ich das will. Klar, wir sind jetzt schon gute acht Monate zusammen, doch diesen Schritt sind wir noch nie gegangen. Die einzige sexueller erfahrung, die mit ihm war, als wir miteinander rumgemacht und gekuschelt haben.
Doch da hatten wir Klamotten an und jetzt will er das aber anscheinend unbedingt ändern. Weil ich doch finde, dass das zu schnell geht, nehme ich seine Hand und fabriziere sie dort zurück wo sie hergekommen ist.
Sofort lässt er von meinem Hals ab.
„Logan, nicht jetzt."
Gereizt schnaubt er aus und legt doch seine wieder dahin, wo sie vorher waren.
Seine Dominanz erschreckt mich. Was ist nur mit ihm los?
Auf einmal bekomme ich Angst.
Logan würde doch nicht so weit gehen und ohne, dass ich es will...

Mit aller Kraft entziehe ich mir ihm und er verliert mich aus seinen Händen. Ich kletterte zum anderen Ende des Sofas und sehe ihn erschrocken an. Er selbst scheint nicht den Eindruck zu haben, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
„Was ist in dich gefahren!"
Meine Stimme durchdringt den Raum. Seine Augen haben sich zu Schlitzen gebildet „Das sollte ich eher dich fragen. Warum willst du nicht mit mir schlafen, mh?"
Vielleicht weil ich noch nicht soweit bin? Diese Frage ist komplett sinnfrei. Würde ich einen Schritt weitergehen wollen, würde ich es zulassen. Aber doch nicht jetzt.

„Vielleicht weil das alles gerade ein bisschen schnell ging? Welcher Sinneswandel hat dich gepackt, dass es das einzige ist woran du im Moment denkst?"

Durch das Kerzenlicht kann ich nur sehen wie er sich durch seine braunen Haare streicht und auf meine Kuschelsocken hinabschaut.

„Dafür das du so Frigide bist, kann ich doch nichts." Wie bitte?

Sein Ton ist neutral, als wäre es das normalste der Welt mich Frigide zu nennen. Wütend stehe ich auf.

„Ich bin überhaupt nicht Frigide!"

Im Moment ist es mir egal, das ich Nachbarn habe, die alles mithören können. Sowas lasse ich mir nicht unterstellen.
Logan seufzt und erhebt sich auch. Anscheinend ist er nicht mal in der Lage mir in die Augen sehen zu können.
Er blickt aus dem Fenster, wo es immer noch zu schneien scheint. Seine Hände sind hinter seinem Rücken verschränkt. Ich fühle mich im Moment wie bei einer billigproduzierten Soap.
Mich kaum rührend starre ich ihn von hinten an.

„Ich bin mir da nicht so sicher." Sein Kopf dreht sich in meine Richtung und sein gleichgültiger Ton macht mich noch wütender.

„Du, du...."

Mir fällt nichts ein, was ich dazu einwerfen könnte. So erschrocken bin ich von seiner momentanen Art.

„Weißt du was Julie? Ich werde jetzt gehen. Du kannst dich ja melden, wenn du dich beruhigt hast."

Er geht Richtung Flur. Entsetzt stehe ich selber noch im Wohnzimmer, möchte ihm am liebsten die gemeinsten Sachen an den Kopf werfen, doch mir fällt einfach keine passende Antwort ein.
Ich höre wie er sich Schuhe und Jacke anzieht, anschließend ohne eine Verabschiedung aus der Haustür tritt. Ziemlich wütend knallt er sie zu, weshalb ich zusammenzucke.

Wie aufgetaut jogge ich zum Fenster um zu sehen, dass er die Straßenseite wechselt und in die entgegengesetzte Richtung läuft.

Wie konnte es in den letzten Minuten von etwas zärtlichen zu einem Streit kommen?

Traurig lasse ich meinen Rücken dir Wand runterrutschen.

Ist unsere Beziehung jetzt gefährdet?
Es ist mir egal, dass er mich Frigide genannt hat.

Das einzige was in meinem Kopf rumschwirrt ist die Angst ihn verloren zu haben.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt