Fourty-three

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Als ich klein war habe ich mit meiner Mutter zusammen stundenlang gepuzzlet oder gemalt.
Sie hat immer mit geduld gewartet bis ich entweder mein Strichmännchen gemalt oder das richtige Puzzleteil gefunden habe.
Genau aus diesem Grund sitze ich hier auf meinem Bett und warte geduldig bis meine Mutter rangeht, neben mir der offene Koffer der schon befüllt ist.
Ich habe mir Urlaub in der Redaktion genommen, damit ich ein wenig Auszeit bekommen kann. Ich habe das Gefühl das ich das gerade brauche.
Den Schlüssel den ich bekommen habe zu Weihnachten, habe ich nicht vergessen. Trotzdem wäre es schön wenn sie davon wüsste. Von meiner spontanen, zukünftigen Ankunft.

Die Idee das ich nach Hause zu meiner Mutter möchte, kam mir spontan in den Kopf. Gleich heute morgen als ich meine Augen aufgeschlagen habe.
Genau jetzt fühlt es sich nunmal richtig an auszubrechen.

„Julie, Schatz?"

Die vertraute Stimme meiner Mutter bringt mich ein wenig zum lächeln. Ich bin froh das sie rangeht.

„Mama..."

Nachdem ich ihr die Situation geschildert und erklärt habe, stimmt sie freudig zu das ich sie besuchen kommen kann. Sie sagt mir das ich sofort den nächsten Zug nehmen kann, sie zwar noch arbeiten ist, ich aber den schlüssel habe um reinzukommen.

„... Auf der Theke in der Küche steht noch ein Rest Lasagne von gestern. Das kannst du dir warm machen, süße."

Mein Mutter und ich waren schon früher als ich klein war unzertrennlich. Ich habe die beste Mum der Welt.
Freudig lege ich auf und sorge dafür das ich so schnell wie möglich meine Wohnung verlassen kann.
Vor allem checke ich mindestens fünfmal den Herd, obwohl ich den nie nutze. Ich habe trotzdem keine Lust das meine Wohnung abfackelt.
Kurz sehe ich mich nochmal im Badezimmerspiegel an, ob ich so in die Öffentlichkeit treten kann.
Zufrieden lächle ich mir selber zu und hole meinen Koffer aus dem Schlafzimmer und schaue nochmal nach, ob ich den Schlüssel für zu Hause eingepackt habe.

~

„Gleis 5" murmelnd suche ich nach der Richtigen Bahn, um nach Hause zu kommen. Die Anzeigeschrift leuchtet mir mit einem hellen Orange entgegen. Es dauert tatsächlich noch eine halbe Stunde bis der fährt.
Augenrollend setze ich mich auf eine silbrige Bank, die ich für mich allein habe.
Was soll ich bloß die Zeit über machen? Ich fange an mir die Gegend anzusehen. Um die Uhrzeit sind tatsächlich schon viele Menschen hier, die entweder vollbepackt an ihren Gleisen stehen oder gerade ihre Tickets ziehen. Kinder, die lachend tick spielen oder sich bei ihren Eltern am Hosenbein ängstlich umsehen. So viele verschiedene Menschen und ich mitten drin.

Aus Langeweile schnappe ich mir mein Handy und checke meine Nachrichten. Überraschend fällt mir auf, dass Blair sich gar nicht mehr gemeldet hat. Sie hat ja wirklich schnell aufgegeben. Wobei ich ihr sowieso nicht verzeihen würde.
Jo hat sich genauso wenig gemeldet. Was er wohl gerade macht?
Meine Gedanken schweifen rüber zu dem gitarrespielenden Jo. Vielleicht ist er ja gerade auf dem Weg zur Bar oder arbeitet schon längst...

Die Zeit verfliegt und die halbe Stunde ist rum. Langsam rollt mein Zug in den Bahnhof ein. Freudig schnappe ich mir den Koffer, der ganz brav neben mir stand und mache mich auf den Weg.
Der Zug hält und ich steige ein.

~

Die frische, bekannte Heimatluft steigt mir sofort in meine Nase. Ein wohliges kribbeln macht sich breit. Es ist toll wieder hier zu sein.
Langsam verlasse ich samt Koffer den Bahnhof.

„Stop, Julie!"
Erschrocken drehe ich mich um, als meine Mutter mir grinsend entgegen stürmt. Sie trägt noch ihre Arbeitskleidung. Sie muss direkt von der Arbeit hier her gekommen sein.
Als sie bei mir ankommt, umarmt sie mich sofort.
„Endlich!"
Fest drückt sie mich an ihre Brust, sodass ich gezwungen bin meinen Koffer loszulassen und auch meine Arme um sie zu Schlingen.
„Ich habe dich so vermisst, mein Schatz."
Langsam löst sie sich, hält aber beide meine Schultern fest in ihren Händen.
Ich nicke.
„Ich dich auch, Mum."
Sofort lächelt sie und greift nach meinem Koffer.
„Komm, lass uns endlich nach Hause fahren. Der gestank ist ja nicht auszuhalten."
Das stimmt. Es riecht hier wirklich nach allem. Nach ALLEM.
Aber so ist das eben am Bahnhof.

Im Auto quatschen wir über belangloses Zeugs. Meistens aber beschwert sich meine Mutter entweder über die Arbeit oder unseren Nachbarn.
Dennoch weiß ich das sie ihren Job gerne macht und auch Spaß dran hat.
Wie sie es schon immer gemacht hat, rückt sie konzentriert ihre Brille zurecht. Schmunzelnd beobachte ich sie und merke jetzt wie sehr ich sie eigentlich vermisst habe.
Im Auto riecht es auch stark nach Pfefferminzkaugummi, sowie es das schon immer getan hat. Daran hat sich nichts geändert. Es liegt daran das meine Mutter immer Pfefferminzkaugummi im Auto liegen hat.
Auch unsere Auffahrt sie genauso aus wie damals als ich zu Weihnachten hier war. Die Erinnerung an Weihnachten schießen mir durch den Kopf. Der Abend mit Jo, wo ich ihn das erste Mal richtig kennengelernt habe und Owen auch.
Der Abend hat mir definitiv neue Wege beschert.

„Wir sind da."
Sie hält den Wagen und schnallt sich ab. Ich mache es ihr gleich und gehe noch zum Kofferraum um mir meinen Koffer zu holen. Meine Mutter schließt währenddessen die Tür auf und betritt das Haus.
Ich mach es ihr nach.
Sofort entledige ich mich meinem Mantel und meine Schuhe folgen. Den Koffer stelle ich so in den Flur, dass er nicht stört.
„Coralee? Schatz?"
Eine männliche Stimme tritt aus der Küche. Überrascht Blicke ich auf und sehe zu meiner Mutter die mich unsicher ansieht. Mein Vater ist das sicherlich nicht. Aber wer ist der Mann der meine Mutter 'Schatz' nennt?
Ohne den verwirrten Blick von meinem Gesicht verschwinden zu lassen, betrete ich langsam die Küche und erkenne von hinten einen gut gebauten, schwarzhaarigen Mann, der einnkariertes Hemd trägt und sich gerade Kaffe macht. Perplex starre ich ihn an, bis die Stimme meiner Mutter hinter mir ertönt.

„Mike, ich dachte du bist noch arbeiten."
Der Fremde dreht sich um und starrt erst sie und dann mich an.
Auch er sieht mich fragend an. Ja Mister, das kann ich nur zurückgeben.
Meine Mutter legt ihre Hand auf meinen Rücken und sieht zu mir rüber.
Ich weiß nicht was ich von alldem halten soll.
„Schatz, das ist.."
„.. Mike. Ich weiß", beende ich ihren Satz.
Sie verstummt und nickt unsicher. Sie weiß was ich denke. Obwohl ich selber gerade nicht mal weiß was ich denken soll.
Seit wann sind sie schon zusammen? Und warum hat sie mir nie was erzählt?

„Ich gehe mal kurz ins Bad."
Um aus der Situation zu verschwinden, gehe ich ins Bad und schließe mich ein. Ich wollte hierher flüchten. Jetzt will ich von hier flüchten.

When two lonely hearts meetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt