Sie warten, ob Elf siegt. Elf Schützen. Zwölf egal.
Die Worte brennen sich in Finnicks Gedächtnis ein, lange bevor er die verschlüsselte Botschaft vernichtet. Kein Beweis bleibt übrig, nachdem das Wasser Tinte und Papier fortspült. Wieder einmal bleiben sie Beobachter. Es liegt einzig an den Mentoren, den Jungen aus Elf zu beschützen, der in diesem Jahr die Aufmerksamkeit der Rebellen errungen hat.Er zweifelt daran, ob sie ernsthaft glauben die Taten des Tributs könnten etwas ändern. Sicher, was immer mit ihm passiert, allein seine Anwesenheit in der Arena wird die Unzufriedenheit in der Untergrundbewegung von Elf weiter befeuern. Nach allem, was Beetee vergangenen Sommer erzählt hat, brodelt es dort gewaltig. Ob der Junge stirbt oder nicht, ist fast schon egal, solange der Hass brennt. Wenn er jedoch gewinnt, wäre es auch ein Sieg für Distrikt elfs Rebellen. Das versteht er. Und alles wird die Schuld des Kapitols sein, die seine Ernte manipuliert haben.
Es gibt nicht viel, was Vier unternehmen kann, um sein Leben zu schützen. Er wird seine Tribute davor warnen, sich mit ihm anzulegen. Aber das war es schon. Andere in höheren Positionen als Spielmacher haben mehr Macht, zu helfen. Vorausgesetzt es lohnt sich für sie. Bei dem Gedanken daran, sich ausgerechnet auf diese Leute zu verlassen, zieht sich sein Herz zusammen.
Wenig begeistert seufzt Finnick und schwingt die Beine über die Bettkante. Wie in den Nächten zuvor kommt der Schlaf nicht. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es bereits zwei ist. Alle anderen dürften längst im Bett liegen. Auf leisen Sohlen schleicht er sich an ihren Zimmern vorbei, auf der Suche nach einem Snack, zur Ablenkung.
Damit ignoriert er geflissentlich das Diät-Programm, das Cece ihm erst gestern verordnet hat. Bei dem Gedanken daran, wie sie toben würde, sollte sie je von seinen nächtlichen Ausflügen zum Kühlschrank erfahren, grinst er. Wahrscheinlich würde sie ihm vorwerfen, dass er seine Figur und all ihre harte Arbeit ruiniert. Beides ist ihm herzlich egal. Solange er sich bester Gesundheit erfreut, sieht er keinen Grund in einer Diät. Zumal es in den Distrikten kaum möglich ist, übergewichtig zu werden, dafür sorgen die rationierten Lebensmittel schon.
Sie hat nur Angst, dass sein Ruf des begehrtesten Junggesellen sich mit ein paar Gramm mehr in Luft auflösen wird und damit ihr größter Triumph. Gedankenverloren schleicht er auf das große Esszimmer mit der Küchenzeile zu, als aus dem angrenzenden Wohnbereich eine wohlbekannte Stimme erklingt.„Und deine Brüder? Haben sie keine Angst um dich?"
Annies zarte Stimme dringt ihm durch Mark und Bein. Anscheinend ist er nicht alleine schlaflos. Den Atem angehalten bleibt er reflexartig im Schatten des Flurs stehen. Das Gefühl, er dürfe nicht hier sein, erwacht. Er sieht nicht, mit wem sie redet, doch dann spricht ihr Gegenüber.
„Wenn, haben sie es nie gezeigt", sagt Cordelia leise, sodass er sich anstrengen muss sie zu verstehen. Obwohl lauschen sich nicht gehört, bleibt er. Ein unerklärlicher Drang zwingt ihn, zu verharren.„Hmm." Etwas klappert und Annies nächste Worte werden von dem Geräusch verschluckt.
Erst Cordelias Antwort ist wieder verständlich.
„Möglich. Ich weiß es nicht. Jetzt wäre es eh zu spät zu fragen, schließlich bin ich schon hier. Mein einziger Weg es herauszufinden, ist zu siegen."
Gefangen in einer unwirklichen Zwischenwelt, lehnt Finnick sich gegen die Wand, den Blick auf den Boden gerichtet, unfähig umzudrehen und wieder in sein Zimmer zurückzukehren. Das Gespräch scheint ihm zu intim, um sie zu überraschen. Sein Herz macht einen Satz, denn aus dem Nichts mischt eine dritte Person sich ein.
„Und wenn wir nicht wiederkommen, Elia? Wenn es alles ein Fehler war?"Sein Magen verknotet sich, angesichts der Angst in der Stimme. Am liebsten würde er Edy in den Arm schließen, denn er hat erkannt, was unausweichlich ist – die Hungerspiele bringen nur Leid. Er ist doch erst Fünfzehn, fleht er innerlich, aber natürlich ist da niemand, der seine stummen Bitten hört.
„Daran dürfen wir nicht einmal denken, Edy! Denk an Lana zurück, sie hat uns immer eingeschärft, dass wir nur nach vorne blicken dürfen. Bis keiner außer uns übrig ist."
Cordelias Worte sind kalt wie Stahl, doch selbst Finnick hört das leichte Zittern. Die Stimme von Annie dagegen gleicht der zarten Umarmung des Meeres.
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Meeressturm | Annie Cresta
FanfictionDie Hungerspiele zu gewinnen ist erst der Anfang. Das weiß niemand besser als Annie Cresta, in ganz Panem nur ‚die Verrückte' genannt. Geplagt von den Geistern der Vergangenheit versteckt sie sich an der Seite von Finnick Odair vor der Welt, in der...