03 | Die Sieger - Part III

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Ich knie tief in der angenehm kühlen Erde meines Gartens. Die Sonne brennt vom Nachmittagshimmel herab, doch ich merke die Hitze auf Armen und Rücken kaum noch. In dem Beet vor mir liegt bereits eine ordentliche Reihe kleiner Erdbeerpflänzchen in der Erde.
Ich steche das Schäufelchen neu in die Erde, um ein weiteres Loch auszuheben. Behutsam hole ich ein weiteres Pflänzchen aus der Holzkiste neben mir und lege es in die Mulde. Die Wurzeln breite ich vorsichtig aus, ehe ich Erde darüber gebe. Sacht klopfe ich diese mit der Schaufel fest. Einen Moment halte ich inne, um tief Luft zu holen.

Es riecht angenehm nach frischer Erde und wachsendem Grün. Meine Brust schmerzt beim Atmen, doch der Schmerz erinnert mich auf eine tragische Art daran, dass ich immer noch am Leben bin. Ich vermeide es auf den Flieder zu schauen, selbst wenn ich weiß, dass Victoria nicht dort steht. Es ist wie Isla gesagt hat, sie ist tot, tot und begraben in Distrikt sieben. Sie kann mich nicht mehr verletzen. Nicht körperlich zumindest. 

Auf den Knien rücke ich einige Zentimeter weiter das Beet entlang, bevor ich ein neues Loch schaufle für das letzte Pflänzchen in der Kiste. Doch ehe ich es in das Loch heben kann, stolpert Isla aus dem Haus, wo sie unsere frisch geernteten Bohnen für das Abendessen geschnippelt hat. Sie trägt noch immer ihre Schürze und trocknet sich mit einem Lappen die Hände. Ich schiebe mir den Strohhut in den Nacken, um sie besser sehen zu können als sie eilig näher kommt.

„Annie", sagt sie mit sorgenvoller Stimme, „es ist soweit, sie rufen uns alle zusammen auf den Festplatz. Die Friedenswächter kommen schon unten der Hügel herauf. Wir sollten uns besser schnell auf den Weg machen."
Sie reicht mir eine von Jahren der harten Arbeit schwielige Hand und zieht mich mit einem Ruck auf die Füße. Meine Knie sind bereits weich, bevor ich ganz stehe. Die Hungerspiele enden. Das Schäufelchen rutscht aus meiner schweißnassen Hand. Mit einem dumpfen Geräusch schlägt es auf der Erde auf. Ich schaue herab, auf das einzelne kleine Erdbeerpflänzchen, doch Isla zieht mich bestimmt mit sich.

„Es tut mir so leid Annie, aber wir müssen uns beeilen. Ich will nicht, dass sie uns holen kommen." Sorge schwingt in ihrer Stimme mit.
Sie legt mir einen Arm um die Schultern und führt mich in die Kühle des Hauses. Die angenehme Wärme lässt nach und plötzlich fühle ich mich eiskalt. Wie betäubt greife ich nach dem feuchten Lappen, den Isla mir entgegenstreckt, um mir die Erde von den Händen zu wischen. Gedanken rasen durch meinen Kopf, einer schneller als der andere.
Wir müssen wieder herunter zum Festplatz um uns das Finale anzusehen. Sie werden mich auf eine Bühne zerren. Ich werde wieder sehen müssen wie jemand stirbt. Und dann wird es vorbei sein. Die anderen werden zurück kommen. Finnick wird wieder hier sein. 

Der Lappen in meinen Händen zittert als ich ihn auf den Esstisch lege. Isla ergreift meine Hand und drückt sie fest. „Lass uns gehen. Ich bleib auch an deiner Seite. Es wird alles gut." Sie zieht mich in eine hastige Umarmung. „Ich werde da sein."
Über ihre Schulter hinweg sehe ich wie sich ein Schatten in der Küche bewegt. Mit einem schmalen Grinsen im Gesicht lehnt sich Shine an den Türrahmen. Sie sagt nichts, also schließe ich schnell meine Augen und drücke mich fester an Isla. Diese scheint meine Verspannung zu bemerken, denn sie streicht mir beruhigend über den Rücken.
„Wer ist es?", fragt sie mit fester Stimme.
„Shine."
„Dann sage ich ihr lieber, dass sie hier nicht erwünscht ist. Für Geister ist kein Platz in unserem Haus!" Islas Stimme scheint durch den Raum zu hallen und als ich es wage, die Augen wieder zu öffnen, ist Shine spurlos verschwunden. Natürlich. Sie ist nicht real.

Froh, dass ich mich nicht in Krämpfen am Boden winde, drücke ich Isla noch einmal an mich. Ich will nicht hinunter zu den Spielen, doch wenn wir nicht gehen werden ohnehin nur die Friedenswächter kommen, um mich zu holen. Es ist das Mindeste, dass ich jedes Jahr an den Veranstaltungen rund um die Hungerspiele teilnehmen muss. Das größte Glück ist schon, dass ich nicht als Mentorin in das Kapitol muss.

Meeressturm | Annie CrestaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt