29 | Goldene Worte - Part I

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Titania Creed steht mit einem breiten Lächeln auf den tiefroten Lippen vor Finnick, kaum, dass er das Trainingscenter betreten hat. Ihr Aufzug lässt einige der Anwesenden den Kopf verdrehen, so enganliegend ist das tiefgrüne Kleid. Mit einem Hüftschwung, der allzu verheißungsvoll ist, läuft sie auf ihn zu. In seinem Magen bildet sich ein eisiger Kloß und es kostet ihn einige Überwindung, ihr ebenso freudig entgegenzugehen. Zum Glück ist Annie bereits auf dem Weg ins Appartement und muss das nicht mit ansehen.

„Hallo Finnick", grüßt sie ihn mit schwerer Stimme, voll Verheißung auf eine Nacht, der er gerne entfliehen würde. Vor all den Partygästen ist ihm diese Show mehr als unangenehm, obwohl vermutlich jeder der Anwesenden weiß, was zwischen ihm und Titania ist – oder glaubt es zu wissen. Berechnend legt er ihr eine Hand an den Rücken und zieht sie an sich, im Bewusstsein, dass ihr genau das gefällt. Sie wird an diesem Abend im siebten Himmel schweben, doch für ihn ist es die Hölle.

„Tita, meine Liebste", raunt er, die Stimme tief gehalten, damit er anziehender wirkt. Oft genug wundert er sich, so wie jetzt, warum keine seiner Liebschaften dieses Spiel durchschaut. Wird es nie langweilig, immerzu denselben Tango mit ihm zu tanzen? Gibt es ihnen irgendeine Form der Erfüllung, sich seine Aufmerksamkeit zu erkaufen?
Titania jedenfalls pflanzt ihm einen Kuss auf die Wange und raunt nur für ihn hörbar „Ich freue mich schon auf heute Abend."

Nachdem Finnick sich aus der Umarmung löst, realisiert er mit Erleichterung, dass die anderen Mentoren sich mitsamt Cece aus dem Staub gemacht haben. Sie wollen nichts mit seinen Liebschaften zu tun haben. Er kann es ihnen nicht verübeln.
Zumindest für eine Weile spielen er und Titania brave Partygäste, die sich mit Sponsoren über die Interviews unterhalten und ordentlich für Distrikt vier werben. Doch das Interesse an seinen Tributen ist kaum da.

„Wissen Sie, ob Mr. Abernathy heute Abend noch auftaucht?", fragt ein junger Mann Finnick, „Ich würde wirklich gerne wissen, was Katniss zu dem Liebesgeständnis von Peeta sagt. Ich meine", er lacht laut auf, „ich muss doch wissen, ob sie ihn auch liebt, bevor ich mein Geld auf sie setze! Oder gar auf beide, damit sie eine Chance haben."
Säuerlich verzieht Finnick das Gesicht. „Leider bin ich kein Teil von Distrikt zwölf, also kann ich ihnen nur raten, meinen Distrikt nicht unterschätzen. Distrikt vier würde sich sehr über ihre Spende freuen."

Doch der Sponsor hört ihm nicht mehr zu, sondern stiert mit einem Leuchten auf dem Gesicht in die Menge. „Oh, das ist Cinna, der Designer von Distrikt zwölf", entschuldigt er sich, „ich muss ihm unbedingt zu der Idee mit den Flammen gratulieren!" Ohne ein weiteres Wort verschwindet er in einer Menschentraube, die sich um einen schlanken Mann mit dunkler Haut gebildet hat. Im Gegensatz zu seiner Kreation ist er unscheinbar, nicht operiert und in einen schwarzen Anzug gekleidet. Mit einem zurückhaltenden Lächeln nimmt er die Glückwünsche der Umstehenden an.

„Ich muss sagen, die Flammen waren aufregend", sagt Titania an Finnicks Seite. „So gut hat Distrikt zwölf noch nie ausgesehen. Und sie waren schon mal nackt." Sie kichert leise. Dann bemerkt sie seinen grimmigen Gesichtsausdruck. „Keine Sorge, Cordelia war auch hübsch. Sehr sogar. Wenn die Spiele erstmal begonnen haben, werden sich die Anderen daran erinnern. Die Kleine aus Zwölf aber ist dann ganz auf sich alleine gestellt ... so ganz ohne Bündnis. Da hilft ihr auch kein flammendes Kleid."
Er nickt nur geistesabwesend. Es fällt ihm schwer, ihren Worten Glauben zu schenken. Ablenkung naht in Gestalt Beetees, der sich durch die Massen zu ihnen schiebt. Der Mann lässt sich nicht von Titanias Anwesenheit irritieren, sondern grüßt sie nur höflich, ehe er sich Finnick zuwendet.

„Aufregendes Interview heute Abend, nicht wahr?" Finnick meint, etwas wie Besorgnis herauszuhören. Aber Beetee ist ja nicht blind und genauso Zeuge des Trubels um Zwölf, wie er selbst.
„Ja und unerwartet", seufzt er. Zu seiner Schande erinnert er sich jetzt schon nicht mehr an die Tribute aus Distrikt drei und kann nichts Nettes über sie sagen. „Scheint als würde die Bühne heute Abend jemandem gehören, der nicht einmal anwesend ist."
Zustimmend brummt Beetee. „Wundert es dich? Abernathy war nie ein großer Freund von dieser Veranstaltung. Vielleicht taucht er später für die Getränke auf... oder Trinket schleift ihn her, wie es ihre Aufgabe wäre". Finnick ist jetzt sicher, dass er sich Sorgen macht, warum der Mentor ausgerechnet seinen größten bisherigen Triumph versäumt. Innerlich pflichtet er ihm bei, da es kaum einen Grund gibt, die Chance auf mehr Sponsoren zu verpassen.

Meeressturm | Annie CrestaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt