Snows Palast befindet sich unweit des Trainingscenters, mitten im Herzen der Stadt. Ein prächtiger Prunkbau auf einem künstlichen Hügel, umgeben von Gärten. Davon bekommt Finnick nichts zu Gesicht, denn er und Cece werden von zwei Friedenswächtern durch ein verschachteltes unterirdisches Labyrinth direkt in die untere Etage des Palastes geführt. Er kommt nicht umhin, sich wie ein Sträfling zu fühlen.
Auch seine Begleiterin sieht verstimmt aus. Auf ihre Versuche, eine Konversation anzufangen, hat keiner reagiert und jetzt sind ihre Lippen fest aufeinandergepresst. Das harsche Klackern ihrer Absätze hallt von den grauen Betonwänden wieder.„Können wir nicht hier abkürzen?", herrscht sie die Friedenswächter urplötzlich an. Sie weist mit einem langen Fingernagel einen weiteren, identisch aussehenden, Gang hinab. „Ich habe keine Lust ewig hier herumzuspazieren. Ich habe Arbeit zu erledigen, eine Tributin zu betreuen!"
Der Größere der Soldaten lässt ein Seufzen hören. „Mrs. Sae, bitte folgen sie uns. Wir haben direkte Anweisungen sie in den Rosengarten zu bringen."
Bei diesen Worten wird Finnick hellhörig. In der Vergangenheit hat Snow ihn ausnahmslos in sein Büro bestellt, aber nie in den Garten. Cece scheint davon ebenfalls verwirrt. Langsam lässt sie ihre Hand sinken und folgt den Männern in die andere Richtung, ihre Augenbrauen beunruhigt zusammengezogen.Am Ende des Gangs wartet ein Fahrstuhl auf sie, der direkt vor die gläsernen Tore eines gewaltigen Gewächshauses fährt. Von draußen drückt die Nacht sich an die Fenster, doch im Inneren brennt Licht. Schon im Vorraum ist der süßliche Blumenduft allgegenwärtig. Als die Friedenswächter die Türen öffnen und Finnick eintritt, überwältigt ihn der Geruch. So viele Rosen wie hier hat er nie zuvor gesehen. Links und rechts des Weges drängen sich Rosenbüsche in den unterschiedlichsten Farben. Rot, gelb, rosa. Im Zentrum wachsen allerdings ausschließlich weiße Blüten, Snows Markenzeichen.
Genau darauf steuern sie zu. In der Ferne hört Finnick Wasser plätschern, sieht aber keine Quelle. Auf einem gewundenen Pfad laufen sie zu einer großen Terrasse mit einem Pavillon. Ranken voller schwerer Rosen wachsen über das Dach und zarte Blütenblätter bedecken die Pflastersteine davor.
Inmitten seiner Blumen erwartet der Präsident sie. Er trägt einen schlichten Anzug, wie immer mit einer einzelnen Rose am Revers. Ihre Ankunft scheint er nicht zu bemerken, denn er sitzt zurückgelehnt in einem Gartenstuhl, ein aufgeschlagenes Buch in seinen Händen.Die Friedenswächter führen sie bis vor den Pavillon, ehe sich einer von ihnen verlegen räuspert. Snow sieht auf, sein Gesicht völlig reglos. Knapp nickt er den Soldaten zu und stumm verschwinden sie zwischen den Büschen. Einen Moment lang betrachtet der Präsident sie schlicht. Finnick bemerkt, dass Cece begierig einen der freien Stühle beäugt, aber er bietet weder ihr noch ihm einen Platz an. Schließlich schlägt er gemächlich das Buch zu.
„Mrs. Sae, Mr. Odair. Ich danke Ihnen, dass sie zu mir gekommen sind." Weiterhin zeigt sich keine Emotion auf der unnatürlich glatten Haut. „Ich denke, es ist Ihnen bewusst, in welcher Sache ich mit Ihnen das Gespräch suche."Neben sich hört Finnick, wie Cece energisch einatmet und der steife Stoff ihres Kleides raschelt, als sie die Schultern strafft.
„Natürlich, Mr. Präsident. Ich bin hier um die volle Verantwortung für Miss Cresta zu übernehmen. Wenn Sie mir gestatten-" Weiter kommt sie nicht. Abwehrend hebt Snow die Hand.
„Mrs. Sae, wir wollen doch nicht voreilig sein."
Aus dem Augenwinkel sieht Finnick, wie sie rasch den Blick senkt.„Offen gestanden haben wir wohl unterschätzt, in welcher Verfassung sich Miss Cresta befindet." Snow lächelt schmallippig. „Dafür möchte ich mich bei Ihnen beiden, als auch bei Ihrem Team, entschuldigen. Es hätte unsere Aufgabe sein müssen, vor den Hungerspielen dafür zu sorgen, dass Miss Cresta angemessen behandelt wird."
„Es tut mir wirklich Leid, Mr. Präsident, ich hätte ehrlicher-" wieder wird Cece von Snow unterbrochen.
„Meine Liebe Mrs. Sae, ich verstehe ihre Aufregung, doch ich bin noch nicht fertig."
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Meeressturm | Annie Cresta
FanfictionDie Hungerspiele zu gewinnen ist erst der Anfang. Das weiß niemand besser als Annie Cresta, in ganz Panem nur ‚die Verrückte' genannt. Geplagt von den Geistern der Vergangenheit versteckt sie sich an der Seite von Finnick Odair vor der Welt, in der...