Vor dem Spiel ist nach dem Spiel.

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Das Licht fiel durch das Buntglasfenster auf dem mittleren Treppenabsatz und tauchte den Raum in weiches Licht. Doch das war es nicht, was meinen Blick fesselte. Was mich erstarren ließ.
Ich war nicht der Typ, der an Liebe auf den ersten Blick oder Vorsehung oder so einen Scheiß dachte. Aber - Fuck! - in diesem Moment glaubte ich daran. Ich hätte an alles geglaubt. Selbst an den beschissenen Engelschor.
Ich hatte Lucy das letzte Mal gesehen, da war sie 14 Jahre alt. Sie war dünn, schlaksig, laut und wild. Wie ein nie endender Wasserfall plätscherten die wildesten und nervigsten Worte aus ihrem Mund. Und sie hielt nie an. Weder zu reden, noch sich zu bewegen.
Doch jetzt hatte Lucile Davis nichts mehr von dem 14-jährigen Mädchen. Sie war erwachsen geworden und ich konnte nicht anders als sie anzustarren. Ihr schlanker Körper hatte an genau den richtigen Stellen Rundungen. Ihre rotbraunen Locken, fielen ihr glänzend über die Schulter und ihr Lächeln als sie mich erkannte, trieb mir die Luft aus den Lungen. Doch erst als sie den Mund öffnete, und ihre Stimme eine Mischung aus dem Gesang der Engel und dem Läuten von Santas Glöckchen an meine Ohren drangen wusste ich, Dean Thomas, ich saß mörderisch in der Scheiße.
Nicht nur das Lucy erst 24 Jahre alt war und wie ich gehört hatte sich gerne ausprobierte, sie war auch die kleine Schwester meiner Freundin. Meiner besten Freundin, die fast wie meine Schwester war. Hieße das nicht, dass ich irgendwie auf meine kleine Schwester stand? Doch was ich gerade fühlte hatte nichts mit Geschwisterliebe zu tun. So viel stand fest!
Ich hatte in den letzten Monaten immer wieder darüber nachgedacht wie es wäre sich niederzulassen. Vielleicht ein kleines Haus in LA zu kaufen und sesshaft werden. Aber als ich Lucy langsam die Treppe hinunterkommen sah, dass Licht im Rücken, konnte ich vor meinem inneren Augen sehen, wie ich mit ihr dort auf der Veranda saß.
Mein Atem beschleunigte sich, mein Herz begann zu rasen. Ich saß sowas von in der Klemme. Scheiße, verdammte!
"Dean? Dean Thomas?" Lange sah ich sie an. Als wäre ich bescheuert. Sie wartete auf eine Antwort, doch alles was ich wollte, war sie zu küssen. Nun nennt mich altmodisch, aber das ging etwas schnell. Selbst für meine Verhältnisse.
Also räusperte ich mich, löste mich von ihren leuchtenden moosgrünen Augen und lächelte gezwungen. "Lucy." Brachte ich gerade so heraus. Doch nur dieses eine Wort, brannte auf meiner Zunge. "Man dich habe ich echt ewig nicht mehr gesehen." Begann sie und ich hielt die Luft an. Erwartete sie würde wild auf mich einreden, doch das tat sie nicht. Stattdessen musterte sie mich nur neugierig. "Ist alles in Ordnung?" Fragte sie mit Schiefgelegtem Kopf. "Brauchst du etwas?" Fügte sie hinzu und ich fragte mich wirklich, warum ich ein solcher Vollidiot war. Ich machte mich hier völlig zum Horst, doch tat ich nichts dagegen. Ich war ein Mann. Ich war 32 Jahre alt. Ich war kein verknallter Teenager mehr.
"Maggie hat mich reingeschickt, wegen einem Salat." Erklärte ich endlich und war regelrecht stolz auf mich, dass ich einen ganzen Satz fehlerfrei herausbekommen hatte. "Nun dann schauen wir doch mal nach." Machte sie sich über mich lustig? Mir war klar, dass sie denken musste ich war ein Idiot. Immerhin hatte ich sie nur anstarren können, doch sie war einfach atemberaubend. Nicht wie die anderen Frauen. Die vielen anderen Frauen.
Die anderen waren schön, keine Frage, aber Lucy war natürlich. Sie war eine von den Frauen, die man nicht verdiente. Die niemand je verdiente. Und doch wollte ich es versuchen.
Lucy hüpfte die letzten zwei Stufen hinab und ging beschwingt in die Küche hinüber. Nein, von dem kleinen, schlaksigen Teenager war nichts mehr übrig geblieben. Sie war erwachsen geworden und sie war perfekt.
Kurz verschwand ihr Kopf im Kühlschrank, dann kramte sie darin herum, räumte einige Dinge auf den Tresen hinter sich. Und - Moment? - summte sie?
Sie verarschte mich doch, oder? Sofort schossen mir Bilder in den Kopf. Äußerst unangebrachte Bilder. Und ich fragte mich, wie sie klingen würde, wenn ich sie zum kommen bringen würde. Schnell schluckte ich. Ermahnte meinen Körper sich ein bisschen zusammenzureißen. Das hier war immerhin Maggies kleine Schwester. Das hier war die kleine Nervensäge. Das hier war Lucy. Doch meine Gedanken spielten verrückt. Ich steckte sowas von bis zum Hals in der Scheiße!
Ich war doch kein Tier. Ich konnte mich zusammenreißen. Andererseits war ich auch nur ein Mann und Lucy, wie sie vor mir stand, in dem unschuldig wirkenden Kleidchen...
"Ich denke das wäre alles." Erklärte sie, schloss die Tür des Kühlschranks und sah mich an. Breit grinsend schob sie eine große Schüssel zu mir herüber und nahm selbst zwei kleinere Schüsseln in die Hand. Zusammen gingen wir Richtung Hintertür.
"Weißt du Dean, früher hast du irgendwie mehr geredet. Auch wenn du ein Arsch warst." Sie kicherte leise. "Ich war kein Arsch!" Verteidigte ich mich, doch sie lachte nur. "Oh doch. Du, Freundchen, warst ein riesiger Arsch. Du hast mir mal gesagt, dass ich nur dann nicht nerve, wenn ich den Mund halte." Wieder lachte sie und ich war mir sicher, es war das schönste Geräusch, das ich je gehört hatte. War ich wirklich ein Arsch? Hatte ich das echt zu ihr gesagt? Immerhin war sie erst 14 Jahre alt gewesen. Vielleicht war ich ein Arsch gewesen.
"Und das hat mich echt verletzt." Sagte sie gespielt beleidigt. Dann kicherte sie wieder. Ein absolut niedliches Geräusch. Wir erreichten die Terassentür und ich konnte die Stimmen der anderen hören.
"Ich war am Boden zerstört. Vor allem weil ich zu der Zeit echt in dich verknallt war." Ich erstarrte, während sie nur die Haare zurückwarf und mir mit einem breiten Grinsen zuzwinkerte, während sie sich mit wiegenden Hüften von mir entfernte.
Scheiße, scheiße, verdammte scheiße. Ich war ja sowas von am Arsch!

Ein Cavalier hin und wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt