Wiederwillig löste ich mich von ihr, als sie ihre Finger auf meine Brust legte und mich von sich schob. Mit einem gequälten Grummeln legte ich den Kopf in den Nacken und verfluchte Philippa Davis. Und ihr absolut mieses Timing.
"Lucy?" Rief sie. Gerade als Lucy vom Tisch gesprungen war, sich die Haare gerichtet hatte und einen Schritt zurückgetreten war, kam Pippa herein. Sie musterte uns kurz.
"Was ist hier los?" Wollte sie wissen und ich räusperte mich. Doch Lucy begann sofort zu schalten. "Komm rein und mach die Tür zu." Für einen Moment glaubte ich, sie würde Pippa erzählen was gerade passiert war, doch sie winkte sie nur heran.
"Maggie hat in zwei Wochen Geburtstag. Wir überlegen, was wir ihr schenken könnten?" Ich erstarrte. Scheiße. Maggies Geburtstag hatte ich ja total vergessen. Pippa nickte.
"Darüber habe ich auch schon nachgedacht." Sagte Pippa nachdrücklich und ich nickte, als wären meine Gedanken bei nichts anderem als Maggies Geburtstag.
"Dean hatte die Idee mit einer Party." Sagte Lucy. Sie log ohne rot zu werden und ich fand das ebenso erschreckend wie ich es beeindruckend fand.
Doch eigentlich war es Pippa die ich ansah. Denn ihre eigenartig neugierige Art, hatte sich nie so einfach abspeisen lassen. Vielleicht kannte Lucy sie einfach gut genug, um sie so abzulenken. Aber ich hatte schon oft erlebt, wie schnell Pippa jede Stimmung im Raum lesen konnte. Wie sie mit nur einem Blick jeden einschätzen konnte und auch meist nicht so weit daneben lag. Deswegen überraschte es mich, dass sie es bei ihrer eigenen Familie nicht zu schaffen schien. Dass ihre Antennen irgendwie gekappt waren, wenn sie mit ihrer Familie sprach. Sonst hätte sie längst schon erfahren, warum Maggie und Mike kaum miteinander sprachen und sie hätte definitiv verstanden, dass Lucy höllische Angst vor der OP hatte. Und vor dem K-Wort.
"Das ist keine schlechte Idee." Sagte Pippa. "Aber es sind nur noch zwei Wochen und..." Sie sah Lucy an. "Dienstag ist deine OP."
Ich wusste natürlich von der OP, doch es fühltes ich trotzdem an, wie ein Schlag in den Magen. Und auch Lucy wirkte, als hätte Pippa ihr einen Schlag verpasst. Lucy wandte den Blick hinaus in den Garten. Sie sah plötzlich so zerbrechlich und verloren aus.
Diese OP und im allgemeinen das böse K-Wort, war der rosa Elefant, in jedem Raum den Lucy betrat. Wir ignorierten es alle. Als würde es weniger real sein, als würden wir dann weniger Angst haben. Als würde das Lucy helfen.
Aber wir alle wusste, es würde nicht einfach weggehen. Selbst nach der OP war eine Bestrahlung oder Chemotherapie nicht ausgeschlossen. Und doch taten wir alle so als ginge es hier darum sich die Augen lasern zu lassen.
"Weißt du was ich kümmere mich um alles." Erklärte Pippa dann und lächelte Lucy zu, doch die blickte noch immer in den Garten. Auf die wilden Rosen, die ihre Mutter so geliebt hatte. Der gesamte Garten war davon voll. Auch wenn ich mir sicher war, dass sie jetzt gerade nicht das sah, was ich sah, wenn ich aus dem Fenster blickte. Sie wirkte Meilen weit weg. Als wäre sie ganz woanders.
Pippa schien das aber kaum mitzubekommen. Sie war völlig in den Vorbereitungen. Sie war gut darin Dinge zu organisieren. Sie kümmerte sich oft um solche Veranstaltungen. Es schien ihr eine Sicherheit zu geben. War etwas verlässliches. Doch offensichtlich war sie eine Niete darin ihre Familie zu lesen. Subtile Veränderungen wahrzunehmen. So war Pippa eben.
Auf der Arbeit war sie anders. Man konnte ihr kaum etwas vormachen. Sie brauchte nur einem der Jungs in die Augen gucken und wusste direkt was los war. Warum fiel es ihr bei Lucy dann so schwer? Oder spielte sie das alles nur? Wollte sie so tun, als wüsste sie nichts? Als merke sie nichts von Lucys Angst? Warum sollte sie das tun?
Sie nickte ein paar Mal holte ihr Handy aus ihrer Hosentasche und begann sich eilig Notizen zu machen. Auch sie war nun in einer anderen Welt. In ihrer eigenen Welt, bestehend aus Partyhüten und Fingerfood.
Sie verließ den Raum zur Küche und begann wahrscheinlich gerade Listen in ihrem Kopf anzulegen. Das war der Grund, warum Maggie und sie so gut zusammenarbeiteten. Sie beide hatten eine Schwäche für Listen. Sie waren beide gradlinig, wobei an Maggie und ihrer perversen Liebe zur Akkuratesse niemand so schnell vorbeikam.
Pippa konnte, wenn sie wollte, richtig aufdrehen. Sie liebte es zu feiern. Ging gerne aus, war eine Frau die wusste was sie wollte. Deswegen war sie auch in die Innenstadt gezogen. Sie war eine der Frauen, die Männer mit nach Hause nahm, sich selbst aber nie abschleppen ließ. Sie tanzte und feierte die ganze Nacht durch und am nächsten Tag, stand sie pünktlich und wie aus dem Ei gepellt auf der Matte. Ich hatte das mit eigenen Augen gesehen.
Doch ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Lucy zu. Die noch immer aus dem Fenster blickte und mir somit den Rücken zuwandte. Sie war so schön. Ihre Haare glänzten in dem Licht der untergehenden Sonne
"Bist du in Ordnung, Lucy?" Fragte ich sie und riss sie aus ihren Gedanken. Mit einem zögerlichen Lächeln blickte sie hoch, doch es erreichte ihre Augen nicht. "Es wird alles gut." Erklärte ich ihr fest. "Du packst das." Fügte ich hinzu und sie nickte.
"Klar. Ist ja nur eine kleine OP. Nichts wildes." Sie sagte es, als würde sie es meinen, doch trotzdem konnte ich ihr ansehen, dass sie ihre eigenen Worte nicht glaubte. Ich konnte es fühlen und ich hasste es.
"Lass uns rüber gehen." Schlug sie vor und ging zur Tür. Doch wir hatten noch nicht gesprochen. Noch nicht über den Kuss letztens und erst recht nicht, über das was eben passiert war.
"Lucy..." Begann ich, doch sie hob die Hand und drehte sich zu mir herum. "Bitte. Bitte, nicht." Bat sie leise und mit bebender Stimme. Das alles schien zu viel für sie zu sein. Also nickte ich schweigend. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum. Und wieder ließ sich mich zurück. Nur diesmal war ich mir sicher, dass sie mich genauso sehr wollte, wie ich sie.
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Ein Cavalier hin und weg
RomanceDer zweite Teil der Cavalier- Reihe. (Teil 1: Ein Cavalier zum Frühstück) "Ich sollte gehen. Tut mir leid." Erklärte sie mit gesenktem Blick und steuerte die Tür an. Sie sollte nicht gehen. Nicht so. Ruckartig griff ich nach ihrem Arm. Ich hatte n...