Lucy schob sich lachend ein paar Fritten in den Mund. Sie hatte mich gefragt was ich später machen wollte. Mit einem verschmitzten Lächeln konnte ich ihr auf diese Frage nur eine Antwort geben. Doch sie schüttelte den Kopf.
"Nein. Mal im Ernst! Was willst du machen, wenn du nicht mehr spielen kannst oder willst?" Fragte sie mich und ich überlegte. Darüber hatte ich in den letzten Jahren oft nachgedacht. Ich war schon einer der ältesten Spieler der Liga. Auch wenn es Spieler gab, die weitaus länger in der Liga blieben. Aber der Sport ging auf die Gelenke und ich wurde nicht jünger. Niemand wurde das. Sportler muteten ihrem Körper viel zu und es gab Momente da wurde es uns klar. Wie verstanden, das wir nicht weitermachen konnten. Vielen brach es das Herz. Und auch wenn ich das Spiel liebte, das taten wir alle, sonst würden wir uns selbst nicht da durch bringen, war da noch viel mehr, dass ich erleben und erreichen wollte.
"Beruflich?" Fragte ich sie und sie nickte kurz. "Nun weiß ich nicht genau. Ich würde gerne im Sport bleiben. Vielleicht in der Nachwuchsförderung. Als Trainer oder so." Erklärte ich ihr mit einem Schulterzucken. "Das kann ich mir gut vorstellen." Stimmte sie mir zu. "Und privat?" Fragte sie mich und ich lächelte. Doch dann wurde ich ernst. "Ich werde wohl irgendwann nach LA zurückgehen. Marylin lebt dort und sie kann nicht ewig so weiter machen. Zudem komme ich von dort." Sagte ich ihr. Achtete genau auf ihre Reaktion. Doch sie nickte nur verständnisvoll. "Warum nennst du sie eigentlich immer Marylin?" Fragte sie weiter. "Weil sie es gerne möchte. Als ich jung war, dachten die Leute immer sie sei meine Mom. Naja irgendwie war sie das auch. Aber wenn ich sie Gran nannte, dann fühle sie sich so alt. Also hab ich sie Marylin genannt." Erklärte ich ihr und aß eine Fritte. "Sie liebt dich wirklich sehr." Kommentierte sie leise und wandte sich wieder ihrem Teller zu. "Ich bin ihre Familie. Und sie ist meine."
Es war das einzig richtige zu sagen. Denn es war wahr. Ich hatte mein ganzes Leben niemand anderen gehabt außer meine Gran. Sie hatte mir alles beigebracht. Hatte mich durch die Grundschule, die Mittelschule und die Highschool gebracht. Hatte mit mir meinen ersten Liebeskummer überstanden und hatte mich immer unterstützt. Nur wegen ihr hatte ich den Traum Basketball zu spielen verfolgt. Sie hatte mich hierher gebracht und das konnte ich ihr niemals zurückzahlen.
"Es muss hart gewesen sein nur sie zu haben." Sagte Lucy nachdenklich und ich schüttelte den Kopf. "Nicht so hart, wie jemanden zu verlieren." Erklärte ich. "Was ist mit deinen Eltern?" Wollte sie wissen. Ich redete eigentlich nicht über sie. Selbst Maggie hatte ich nur grob erzählt was mit ihnen war und warum ich nicht bei ihnen aufgewachsen war. Damals war ich besoffen gewesen und danach ohnmächtig auf der Couch zusammengebrochen. Kein besonders toller Tag.
"Ich erinnere mich an sie eigentlich kaum." Erklärte ich ihr. Als ich jung war, hatte mich immer eine eigenartige Wut gepackt, wenn ich an sie dachte. Aber diesmal war da nur dieses traurige Gefühl. "Sie sind bei einem Unfall getötet worden, da war ich gerade drei. Für mich waren sie eigentlich immer nur irgendwie eine Art Märchen." Führte ich weiter aus. Sie nickte. "Als würde mich das nichts angehen, verstehst du?" Lucy nickte. "So geht es mir heute auch manchmal." Sagte sie und ich lächelte. "Nur erinnerst du dich an sie. Ich glaube es ist immer schwieriger etwas zu verlieren das man hatte, als es nie gehabt zu haben." Sie senkte lächelnd den Kopf. Dann lachte sie auf und überraschte mich damit. "Seit wann bist du eigentlich so erwachsen, Mausebär?" Diesmal lachte ich.
Es hatte sich viel verändert in den letzten zehn Jahren. Ich hatte mich verändert und Lucy hatte sich definitiv verändert. Wir waren erwachsen geworden.
"Früher warst du anders." Ich schnaubte. "Ich weiß. Wie hast du es formuliert?" Ich kratzte mich am Kinn. "Ich war ein Arsch?" Sie lachte und errötete. "Nun zu meiner Verteidigung..." Begann sie und sah mich direkt an. "Du warst echt gemein zu mir und das obwohl ich in dich verknallt war." Erklärte sie und ich lachte auf. "Woher sollte ich das denn wissen?" Fragte ich sie. "Du hast nie was gesagt." Erklärte ich ihr und stellte mir die Frage, ob ich wirklich netter gewesen wäre, hätte ich es gewusst. "Und was hättest du dann getan?" Fragte sie und lehnte sich etwas zurück. "Keine Ahnung." Gab ich zu. Immerhin war sie vierzehn Jahre alt gewesen und ich über zwanzig. Das wäre absolut nicht angebracht gewesen.
"Kannst du dich noch an Maggies achtzehnten Geburtstag erinnern?" Fragte sie und ich runzelte die Stirn. Dann nickte ich langsam. "Du hast nicht mal gemerkt das ich da war." Ich schluckte. Damit hatte sie recht. Ich war der festen Überzeugung, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte, als ich das erste Mal bei Maggie war. "Erinnerst du dich daran?" Wollte sie wieder wissen. Zerknautscht schüttelte ich den Kopf. "Ich wusste es." Rief sie und zeigte auch noch auf mich. "Ich war wirklich fertig und hab mich das erste Mal betrunken." Sie lachte auf.
Ich war wirklich ein Arsch. Aber ich hätte doch wirklich nicht ahnen können, dass sie in mich verknallt war. Wie hätte ich es wissen können?
"Tut mir leid, Luce." Sagte ich und griff über den Tisch nach ihrer Hand. Sie drückte meine Finger. "Meine erste große Liebe hätte durchaus jemand schlimmeres sein können." Ein Scherz. Und doch trafen ihre Worte direkt in mein Herz.
"Danach bin ich ziemlich schnell über dich hinweg gewesen und zum Abschlussball mit Tom Baker gegangen. Er war ziemlich heiß, aber ein totaler Idiot." Lachte sie und befreite ihre Hand aus meinem Griff. Danach packte sie ihren Burger, hob ihn an und biss hinein.
Im Nachhinein wünschte ich mir, ich wäre Tom Baker gewesen. Denn wir hatten eine Menge gemeinsam. Wir waren beide total heiß. Und wir waren beiden totale Idioten gewesen. Nur war es mir mittlerweile bewusst geworden.
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Ein Cavalier hin und weg
RomantikDer zweite Teil der Cavalier- Reihe. (Teil 1: Ein Cavalier zum Frühstück) "Ich sollte gehen. Tut mir leid." Erklärte sie mit gesenktem Blick und steuerte die Tür an. Sie sollte nicht gehen. Nicht so. Ruckartig griff ich nach ihrem Arm. Ich hatte n...