53// Herzschmerz.

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"Ach ich gebe einen Scheiß drauf." Sagte Lucy mit einem Schulterzucken. "Die haben schon früher immer richtig viel Müll geschrieben." Sagte sie und wandte sich wieder zum Kühlschrank. Ich konnte mich nicht konzentrieren, wenn sie so beiläufig in meiner Wohnung war, als wäre es das normalste der Welt. 
Ich war nach Hause gefahren, hatte mich geduscht und wollte mich auf den Weg machen, um Lucy zu finden. Doch sie fand mich. Sie wollte mich fragen, ob ich in Ordnung sei. Der Artikel sei echt ein Haufen Müll und ich solle mir nicht zu Herzen nehmen, was sie schrieben. 
Nur wusste Lucy auch nicht, was davon einfach mal wahr war. Und ich war ein Feigling. Denn seit über einer Stunde druckste ich darum herum. 
"Luce?" Abwesend nickte sie und holte die Eier aus dem Kühlschrank. Sie suchte krampfhaft nach etwas zu Essen. "Hme?" 
Es wäre am einfachsten wenn ich es kurz und schmerzlos machte. Wie ein Pflaster abreißen. Oder ne Schusswunde. In den Kopf. 
"Nicht alles in dem Artikel..." Begann ich, doch sie hörte mir nicht richtig zu. Ich wollte, dass sie mich auch wirklich verstand. "Lucy, sieh mich an!" Sagte ich energischer und riss sie aus ihrer Trance. 
Mit einem Lächeln sah sie mich an. Irritiert. "Nicht alles in dem Artikel ist gelogen." Ihr Lächeln verrutschte leicht, doch sie zog die Maske wieder zurecht. "Was genau ist nicht gelogen?" Fragte sie zögerlich. Vermutlich wollte sie die Antwort nicht hören. Und ich wollte sie ihr nicht geben. Denn ich hatte Angst vor ihrer Reaktion.
"Das ich nach LA gehe." Sie starrte mich an. Ich lächeln verschwand, doch sie sagte nichts. Es war als wäre sie eingefroren. Schnell sprach ich weiter. Wollte mich erklären. Wollte es ihr erklären.
"Also es steht nichts fest. Aber ich habe ein Angebot bekommen und ich würde das gerne annehmen. Es wäre für meine Karriere ein riesiger Schritt. Und ich wäre näher bei Marylin. Nur gibt es hier einige Dinge, die ich noch zu klären habe." Redete ich mich in rage. "Wie dein Baby?" Fragte sie gehässig. Ich wusste, sie wollte nicht so schroff klingen und es sollte ein Witz sein, doch es traf mich. 
"Der Rest des Artikels ist totaler Müll." Versicherte ich ihr. "Aber du gehst nach LA. Das stimmt?" Wollte sie wissen und ich nickte. "Meine Karriere ist bald vorbei. Ich kann in Cleveland nicht arbeiten. Jedenfalls nicht so, wie in LA. Mike würde mich sicherlich in den Trainerstab rufen. Aber Dan und ich..." Sie wusste, dass wir uns nicht verstanden. "Ich wollte es dir erzählen, aber ich war nicht schnell genug und..." Sie unterbrach mich. "Seit wann weißt du es?" Wollte sie wissen und ich biss mir auf die Zunge. "Seit ein paar Wochen." Es nützte nicht sie anzulügen. Ich wollte sie auch nicht anlügen. 
"Und wann gehst du?" Wollte sie wissen. Ich lächelte. "Ich habe das Angebot noch nicht angenommen. Ich weiß nicht mal, ob es noch gilt." Sie nickte. "Aber wenn es gilt, würdest du es annehmen?" Am liebsten wollte ich auch darauf nicht antworten. Doch ich nickte. 
Geschlagen ließ sie sich gegen die Arbeitsplatte sinken und blickte zu Boden. Wir wussten beide, jetzt würde der schwere Teil der Unterhaltung folgen. Wir würden über uns und unsere Zukunft sprechen und ich wollte hören, dass sie mich begleitete. Das wir zusammen nach LA gingen und ich ihr mein Zuhause zeigen konnte. 
"Dann gratuliere ich dir. Ich hoffe der Job ist das was du dir wünscht." Lucy stieß sich von der Arbeitsplatte ab, ging um den Tresen herum zur Garderobe und steuerte, mit ihrer Jacke, die Tür an. Perplex sah ich ihr nach. Ich brauchte einen Moment, um zu reagieren. 
"Ist das alles?" Fragte ich, bevor sie die Tür geöffnet hatte. Sie hielt inne. "Mehr hast du nicht zu sagen?" Wollte ich wissen. Jetzt war auch ich wütend. Doch meine Wut verpuffte, als Lucy sich zu mir umdrehte. In ihren Augen standen Tränen. 
Zum ersten Mal in meinem Leben brach mein Herz. Sie sah verletzt und verloren aus. Wie das vierzehnjährige Mädchen. So hatte Maggie ausgesehen, als ich sie kennengelernt hatte. Nachdem ihre Mom gestorben war. Das war Trauer. Das war Herzschmerz. Und all das war meine Schuld.
"Ach, Luce." Flüsterte ich und ging auf sie zu. Ohne zögern zog ich sie in meine Arme. Ich presste sie an mich. Sie war ganz kalt. Nur zögerlich legte sie ihre Arme um mich, presste mich dann aber wild an sich. Ihre Finger vergruben sich in meinem Shirt und ihre Tränen nässten den Stoff.
"Ich..." Begann ich, doch was sollte ich sagen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie so reagierte. Das sie wütend war. Dass sie mich anschrie. Das sie nichts sagte. Dass sie ging. Aber nicht mit dieser Welle an Herzschmerz. Damit hatte ich nicht gerechnet. 
Es war alles was ich brauchte, um zu wissen, dass sie mich liebte. Dass sie mich genauso liebte, wie ich es tat und das in der erwachsenen, wunderschönen Frau noch immer der vierzehnjährige Teenager steckte, den ich einfach ignoriert hatte. 
"Alle Menschen verlassen einen. Irgendwann tun sie es alle." Flüsterte sie zynisch. "Ich werde dich nicht verlassen. Ich bin keiner von diesen Typen, die du wieder abschießen kannst, wenn es ernst wird. Du hast mich an der Backe." Sie lachte verbittert. 
"Und wie soll das gehen?" Fragte sie genervt und löste sich von mir. Ich konnte sehen, wie sie die Schotten dich machte. Wie sie versuchte mich auszuschließen. Ich sah es in ihrem Gesicht, an ihrer Haltung. Sie wollte mich loswerden. Das war der Moment in dem ihr die Sache zu ernst wurde. Jetzt wurde ihr klar, was sie fühlte und das machte ihr Angst. Sie hatte mir gesagt was sie fühlte. Doch erst hier und jetzt spürte sie das gesamte Ausmaß.
"Luce..." Begann ich, doch sie sah mich nur mit kaltem Blick an. Ich hasste diesen Ausdruck. "Tu das nicht." Flüsterte ich, denn ich wollte mit ihr reden. Ich wollte dieses Problem lösen.
"Was denn? Es gibt keine Lösung dafür. Ich pendle doch jetzt schon zwischen Phoenix und Cleveland. Wie soll LA da rein passen? Es macht keinen Sinn, sich weiter an etwas zu klammern, für das es keine Lösung gibt. Oder fällt dir eine ein?" 
Im Nachhinein war mir klar, dass ich darüber schon nachgedacht hatte. Doch trotzdem überraschten mich meine nächsten Worte: "Du könntest mich heiraten!" 

Ein Cavalier hin und wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt