12// The tables have turned.

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Ich hätte zuhause sein sollen. Ich war schon betrunken, bevor ich auf die bescheuerte Party gekommen bin. Und an den Blicken der anderen, konnte ich sehen, dass sie irritiert von mir waren. Ich war keiner der Männer die sich volllaufen ließen. Jedenfalls war ich das nicht gewesen. Vorher. 
"Dean?" Ich wandte mich um, kam dabei leicht aus dem Gleichgewicht und griff nach der Arbeitsplatte, damit ich nicht direkt umfiel.
"Maggie!" Rief ich freudig. Anton stand ein paar Meter hinter ihr und blickte mich stirnrunzelnd an. Was für ein Spielverderber. 
"Bist du okay?" Fragte sie mich und legte mir ihre Hand auf den Arm. Aber ich lachte nur und schüttelte sie wieder ab. 
Mir ging es gut. Heute ging es mir ausgezeichnet. Ich hatte seit Stunden nicht mehr an, die dessen Name nicht gedacht werden darf, gedacht. Ich fühlte mich losgelöst und frei. Keine Verantwortung, kein Drama, kein Herzschmerz und keine bescheuerten grünen Augen, die mich anstarrten, als wäre ich gerade Staatsfeind Nummer Eins geworden. 
"Mir geht es prächtig!" Erklärte ich und griff nach meinem Bier, das auf der Anrichte stand. Leider aber stieß ich es um, bevor ich es wieder fing und grinste Maggie triumphierend an. 
Aber ich konnte in ihrem skeptischen Blick sehen, dass sie mir kein Wort glaubte. Sie hatte diese Gabe mich zu durchschauen. Es war absolut nervig. Jedenfalls in diesem Moment. 
Nur einmal wollte ich einfach mal kein Vorbild sein. Ich wollte kein heißer Spieler sein. Niemand der gefragt war. Der Leistungen bringen musste. Ich wollte einfach nur ich sein. Der Dean der vor zehn Jahren aus LA gekommen war. Damals hatte ich bei allem Spaß. 
Nicht dass ich das Spiel weniger liebte. Oder das ich nicht dankbar war. Doch ich war frustriert und im Gegensatz zu damals, konnte ich es nicht einfach abschütteln. Früher hatte ich genickt und weitergemacht. Doch diese eigenartige Abfuhr heute, das fast verlorene Spiel... Das alles ließ sich nicht mehr so einfach wegstecken. 
Ich war bereit für ein neues Kapitel. Ich war bereit für einen neuen Weg. Und immer wenn ich daran dachte, spürte ich die Panik in meinem Magen. Denn ich konnte nichts anderes, als Basketball. Ich hatte nie etwas gelernt. Ich war auf dem College, als ich in die Liga gekommen bin und habe dann mein Studium abgebrochen.
Und das einzige, dass ich jetzt gerade wollte, was ich in der Zukunft wollte, schien es nicht eilig genug haben zu können von mir wegzukommen. 
Also hatte ich das Recht ab und an mal über die Stränge zu schlagen. Ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Ich war erwachsen. Ich traf eine ganze Weile schon meine eigenen Entscheidungen. Und so wie es mir ging, hatte ich offensichtlich nicht nur schlechte Entscheidungen getroffen. Im Gegenteil. Ich hatte mich ziemlich gut angestellt. 
"Vielleicht solltest du etwas trinken, damit du etwas lockerer wirst." Sagte ich. Dabei klang meine Stimme harscher, als ich es beabsichtig hatte. Maggie atmete tief ein. Sie hatte wieder diesen Ausdruck. Diesen überheblichen Ausdruck. Als würde sie mir helfen wollen. Und es nervte sie, dass sie es tun musste. Aber ich brauchte keine Hilfe. Ich war nur betrunken. Ich brauchte auch sie nicht, um mich zu therapieren. Ich wollte Spaß haben. Und wenn meine sogenannte beste Freundin das nicht wollte, dann konnte ich daran nichts ändern. Aber sie würde mir meine Laune nicht versauen. Ganz einfach.
"Ich möchte nichts, danke." Ihre Stimme angespannt. Ich wusste, dass sie langsam sauer auf mich wurde, doch es war mir einfach egal. Anton hatte den Ruf sich ständig zu betrinken und ohne Rücksicht auf Verluste Party zu machen. Warum konnte ich das nicht tun, ohne das Maggie mich gleich so verurteilend ansah? Little Miss Perfect. 
"Was machst du dann auf einer Party, Maggie?" Fragte ich sie und bot ihr mein Bier an. Doch sie schüttelte nur den Kopf. Genervt griff sie wieder nach meinem Arm. "Du benimmst dich seltsam, Dean." Erklärte sie mit einer gedämpften Stimme.
Lachend warf ich den Kopf in den Nacken. Eine nette Umschreibung. Noch vor einigen Wochen hatte ich ihr ziemlich ähnliche Worte um die Ohren gehauen. Eigenartig. Sie hatte mich vier Wochen lang belogen und ich hatte es verstanden. Sie hatte sich aber Monate vorher schon von mir distanziert. Ich hatte auch das hin genommen. Ich hatte geglaubt sie würde zu mir kommen, wenn sie reden wollte. Diesen Gefallen sollte sie einfach erwidern. Aber erst recht ohne mich zu verurteilen.
"Du meinst weil ich keinen Stock im Arsch hab wie du? Weil ich die Schnauze voll davon hab, dass Richtige zu tun?" Fragte ich sie bissig. "Nur einen Tag ohne deine Vorwürfe, wären echt traumhaft." Fügte ich verbittert hinzu. Sie zog ihre Brauen zusammen. Sie war angepisst. Und wenn ich eins gelernt hatte, war es nie - niemals - Maggie Davis wütend zu machen. Tja, zu spät.
Als Anton neben ihr auftauchte und seine Hand auf meine Schulter legte, so wie Maggie es eben getan hatte, ruckte ich zurück. "Mann, ich glaube das reicht jetzt." Sagte er leise und sah sich um. Er hatte Angst ich würde eine Szene machen. The tables have turned. So schnell kann es gehen. Noch vor vier Wochen hatte ich ihn beinahe bei jeder Party aus Schwierigkeiten rausgehalten. Nun, ich steckte aber nicht in Schwierigkeiten. Ich war nur betrunken. Doch weder Anton noch Maggie schienen das zu verstehen.
"Ich glaube du hast recht." Erklärte ich und verzog angewidert das Gesicht. Ich hatte keine Lust mehr auf das Theater. "Ich werde schon jemanden finden, der Spaß haben will."
Ohne ein weiteres Wort ging ich an den beiden vorbei und marschierte geradewegs zur Tür. Vielleicht war das hier nicht LA oder Vegas. Aber auch in Cleveland konnte man feiern. Auch in Cleveland konnte man Spaß haben und heute Nacht würde ich Spaß haben. Den Spaß meines Lebens. Und wenn ich Glück hatte, würde ich alles vergessen was heute passiert war. Auch den Kuss. Vor allem den Kuss. 

Ein Cavalier hin und wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt