46// Völlig egal.

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Betrunken. Lucy war absolut und total betrunken. Nicht das ich nüchtern war. Doch Lucy war total besoffen. Sie tanzte wild. Mitten im Laden. Dabei war die Musik absolut nicht tanzbar. Es war als würde sie ihre eigene Musik hören. 
Nach acht Shots war das vielleicht aber auch so. Mittlerweile hatte sie mit allen im Laden den Kontakt aufgenommen. Es waren sogar noch drei weitere Männer dazugekommen. Die sich liebend gerne mit ihr unterhielten. Zuerst war ich nervös geworden, doch sie hatte mich ziemlich schnell beruhigt, als sie ihnen erklärt hatte, dass sie mit mir hier war. Und ich hatte sie keine einzige Sekunde aus den Augen gelassen.
Es war unserer Sache nicht gerade förderlich, dass sie damit angab mich zu kennen. Den besten Basketballspieler der Cavaliers. Das sie meinen Namen ungefähr zehn Mal sagte, half noch weniger. Aber ich würde mir was einfallen lassen.
Sie kam auf mich zu, warf mir schwankend ihre Arme um den Hals und presste ihre Lippen fest auf meine. Ihre Finger fuhren in meinen Nacken und ihr Körper presste sich an mich. Scheiße!
Nicht der richtige Ort für die richtigsten aller Dinge. "Luce?" Sagte ich leise und schob sie von mir. Mit verschleiertem Blick sah sie mich von unten herab an. "Mhme?" Machte sie und lächelte sanft. Wie konnte jemand so unschuldig und sexy zugleich sein? 
"Wie wäre es, wenn wir nach Hause gehen?" Fragte ich sie mit bebenden Lippen. Denn der Alkohol hatte sich auch in mir ausgebreitet und spielte meinem Verstand bösartige Streiche. "Jetzt schon?" Fragte sie mit einem Schmollmund und ich nickte nur. "Wir haben eine Mission, weißt du noch?" Fragte ich und sie nickte. Plötzlich schien sie wieder aufgeregt zu sein. "Wie wäre es, wenn wir ganz langsam abhauen?" Fragte sie und ich lachte leise. "Wie wäre es damit, wir fingieren einen Streit und dann rennst du raus und ich folge dir?" Kurz überlegte sie, dann lachte sie auf und nickte freudig. Doch sofort wich das Lächeln von ihren Lippen. Sie entfernte sich ein paar Schritte von mir und wandte sich ab. 
"Du hasst es wenn ich mal Spaß habe!" Rief sie laut, so dass es alle mitbekamen. Definitiv. Es fiel mir schwer ein Lächeln zu verbergen. "Das habe ich nicht gesagt." Erklärte ich kühl. Sofort verengten sich ihre Augen, sie stemmte ihre Hände in die Hüften und sah mich kalt an. Beinahe glaubte ich, dass sie wirklich sauer war. "Ich darf nicht zu viel trinken, nicht mit anderen Männern sprechen, nicht tanzen..." Sie schnaubte. "Wie soll ich denn sonst Spaß haben?" Fragte sie mich und spielte ihre Rolle mehr als überzeugend. "Baby, wenn du jemanden suchst, mit dem du Spaß haben kannst..." Unterbrach sie einer der Typen die zuletzt gekommen waren. Ich erhob mich. "Misch dich da lieber nicht ein." Erklärte ich fest. Eine Schlägerei hatte ich wirklich nicht geplant. Das würde meinen Plan irgendwie ruinieren.
"Warum nicht?" Wollte Lucy wissen und legte den Kopf schief. "Er hat doch recht. Wenn ich mit dir keinen Spaß haben kann, dann sollte ich mir jemanden suchen..." Doch ich unterbrach sie. "Das ist wieder typisch. Nur weil ich nicht will, dass du dich völlig zulaufen lässt und mit jedem dahergelaufenen Typen schläfst..." Sie nickte energisch. "Ja, vielleicht bringst du es einfach nicht." Schlug sie vor und fiel mir damit ins Wort. "Vielleicht bist du auch einfach ein bisschen zu anstrengend?" Warf ich ein. "Deswegen hält es auch kein Kerl mit dir aus!" Sie schnappte nach Luft. Für eine Sekunde machte ich mit Sorgen, dass das vielleicht zu viel des guten war. "Du bist so ein Arschloch." Rief sie, wandte sich auf dem Absatz um und marschierte mir erhobenem Haupte aus der Kneipe. Am liebsten hätte ich applaudiert. "Verdammte..." Rief ich, bevor ich ihr ohne zu zögern folgte. 
Die Tür schlug laut gegen die Wand und ich überflog die Straße. Lucy grinste mich breit an. Sie hatte direkt vor der Tür gewartet. Ich griff nach ihrer Hand und rannte los, zerrte sie hinter mir her und lachte auf. Ich hatte meinen Wagen einen Block weitergeparkt und erst als wir dort angekommen war, wandte ich mich zu ihr um. Ihr Lachen hatte die Rufe des Wirtes völlig übertönt. Eigentlich hatte ihr Lachen alles überschattet. 
Ich wirbelte sie zu mir herum, packte ihr Gesicht und küsste sie. Küsste sie tief und innig. Küsste sie fest und wild und sanft und zärtlich. Ruhig und drängend und mit allem was ich hatte. Denn verdammt nochmal das war absolut und total heiß gewesen. Lucy war lieb und nett, doch sie konnte genau so auch gemein und fies sein. Ich war nur froh, dass wir nicht wirklich stritten. Auch wenn ich mich auf den ersten richtigen Streit irgendwie freute. Denn auf den ersten Streit folgte die erste Versöhnung und das war etwas das nicht früh genug kommen konnte.
"Das war..." Brachte ich raus, als ich mich von ihr löste. Völlig mit Adrenalin überschüttet sahen wir uns an. Ihre Finger landeten wieder in meinem Nacken und sie zog mich an sich. "Das war heiß." Flüsterte sie, bevor sie ihre weichen Lippen wieder auf meine legte und mich sanft küsste. Sie roch nach Lavendel, nach etwas süßem blumigen, aber nicht klebrig. Und sie schmeckte nach Minze. Berauschend.
"Wir sollten dringend nach Hause fahren." Erklärte sie und ich nickte. Auch wenn mein Plan gewesen war nüchtern zu bleiben, hatte ich jeden der Shots mitgenommen. Also griff ich nach ihrer Hand, zog sie zur nächsten Querstraße und sprang dem ersten Taxi das ich sah, fast auf die Motorhaube. Denn sie hatte recht. Es wurde Zeit, dass wir nach Hause fuhren. Dringend. Wenn sie sich heute auf meinen Schoß setzen würde, würde ich kein Gentleman sein. Denn egal ob sie es anders sah. Wir waren zusammen. Wir gehörten zusammen. 
Wie könnte ich auch jemanden gehen lassen der jeden meiner bescheuerten Pläne mitmachte? Der sich mit mir die Kante gab und sich dann auf einen Fake-Streit einließ, um die Zeche zu prellen? Auch wenn das auf ihrer Liste gestanden hatte. Egal. Und auch wenn ich, ohne ihr wissen, die Rechnung schon bezahlt hatte. Egal. Und erst recht, wenn ich dem Wirt fünfzig Mäuse dafür geboten hatte uns hinterherzurufen. Alles völlig egal. Denn für Lucy war das echt. Und sie hatte keine Sekunde gezögert. 

Ein Cavalier hin und wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt