Marylin Thomas war eine Naturgewalt. Ich konnte sie schon von weitem ausmachen. Sie wirkte mit der beigefarbenen Leinenhose und der weißen Tunika völlig fehl am Platz. Sie sah gut aus. Elegant und trotzdem lässig aber man konnte ihr ansehen, dass sie nicht von hier war.
Als sie mich sah, breitete sie die Arme aus und kam schnurstracks auf mich zu. "Schätzchen!" Rief sie und zog mich in eine feste Umarmung. Dann hielt sie mich eine Schulterbreite auf Abstand und musterte mich. "Du siehst wirklich gut aus. Das liegt bestimmt an deiner neuen Freundin." Erklärte sie und ich verdrehte die Augen. "Sie ist nicht meine Freundin." Gab ich aus und Gran machte eine wegwerfende Handbewegung. "Noch nicht. Das hast du selbst gesagt." Ich nickte. Stimmt, das hatte ich wirklich gesagt.
Mein Blick fiel auf den kleinen Koffer zu ihren Füßen. "Ist das dein ganzes Gepäck?" Fragte ich sie und sie nickte. "Ich bleibe nur zwei Wochen und keine Zehn." Erklärte sie mit einem Schulterzucken. "Dann lass uns fahren. Wir sind heute bei Maggie zum Essen eingeladen. Außer du willst dich ausruhen?" Fragte ich sie und brachte sie damit zum Lachen.
"Ich hab zuhause genug Zeit mich auszuruhen." Erklärte sie und griff nach ihrem Koffer, doch ich hatte ihn schon gepackt. "Außerdem freue ich mich darauf Maggie zu sehen. Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen." Ich nickte wieder. Es würde wie damals sein. Kaum waren die beiden beieinander, saß ich nur daneben und konnte zusehen. Nicht das mich das störte. Nicht sehr jedenfalls. Immerhin sah ich Lucy heute wieder.
Es war schon drei Tage her seit ich bei ihr im Krankenhaus war. Aus dem Gedächtnis hatte ich ihre Liste aufgeschrieben und machte mich nach und nach daran Ideen zu sammeln. Ich würde jeden dieser zehn Punkte erfüllen. Auch wenn ich mir bei einigen ziemlich sicher war, dass sie unmöglich zu erreichen waren. Immerhin konnte man nicht an zwei Orten Gleichzeitig sein.
"Kommt deine neue Freundin auch?" Fragte sie, als wir gerade im Auto saßen und ich verdrehte wieder die Augen. "Sie ist nicht..." Gran schnalzte mit der Zunge. "Wenn du mir ihren Namen sagen würdest, dann müsste ich sie nicht immer deine 'neue Freundin' nennen." Sie hatte es drauf mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Doch darauf würde ich nicht reinfallen. Immerhin wollte ich nichts beschreien. Wenn man nicht darüber sprach, konnte das Universum auch kein Arschloch sein. So einfach war das.
Ohne Umschweife fuhr ich direkt zu Maggie und unterhielt mich mit Marylin über das Team und über Anton. Ich konnte sehen, wie skeptisch sie war. Ich glaubte das sie immer gehofft hatte, das Maggie und ich irgendwann zusammenkamen. Wie alle anderen auch. Doch Maggie und ich waren gut als Freunde. Ich war froh, dass sie Anton gefunden hatte. Die beiden passten gut zusammen. Wie Arsch auf Eimer. Die Faust aufs Auge. Blumenkohl zu Broccoli. Eben gut.
Doch Marylin würde Anton vermutlich einem ziemlichen Verhör unterziehen. Ich freute mich jetzt schon darauf.
Allerdings ließ ich alle schwierigen Themen aus. Die ganze Sache mit Mike und Dan, Lucys Operation und das Schwanger - oder auch nicht - Ding. Ich hatte den Test in einen Schuhkarton gepackt und den auf meinen Schrank gestellt. Denn ich war mir nicht sicher, ob ich ihn brauchen würde. Als ob man so etwas nochmal brauchen würde. Doch lieber haben als brauchen. Aber ich nahm mir fest vor mit Maggie zu sprechen.
Wir fuhren auf die Einfahrt und hielten hinter Pippas Wagen an. "Ein wirklich schönes Haus." Sagte Gran, als sie gerade aus dem Auto stieg. Ich nickte. "Du hast mir nie erzählt wie groß es ist." Ich lachte auf. "Der Familie gehört ein NBA-Verein. Was glaubst du denn?" Sie schnaubte und lachte dann auch. "Stimmt, hätte ich mir denken können."
Wir steuerten die Haustür an, doch noch bevor wir die Tür erreicht hatten, ging diese schon auf und Maggie kam herausgestürzt. Sie warf sie förmlich auch Gran, die sie aber sofort in ihre Arme schloss. "Mag." Begrüßte Gran sie lachend. Sofort begannen die beiden durcheinander zu sprechen. "Du siehst gut aus." Hörte ich von Maggie. Ein: "Du strahlst förmlich." Gran tat es ihr gleich. Jedenfalls im Kontext. "Komm rein. Wir haben so viel zu besprechen." Ich verdrehte die Augen. "Vor allem kannst du mir die Geschichte erzählen, wie du zu dem Gips gekommen bist." Ich lächelte. Ich hatte Maggie davon erzählt und mich ziemlich darüber aufgeregt. Noch immer könnte ich dabei aus der Haut fahren. Und ich war froh, dass auch Maggie die Mission hatte Gran etwas Vernunft einzubläuen.
Zusammen betraten wir das Haus. Es war schon kurz vor Sechs. Als ich in die Küche kam, sah ich Anton, der neben Lucy am Herd stand. Die ganze Zeit versuchte ich Maggie wenigstens einen fragenden Blick zuzuwerfen, doch sie wich meinen Blicken aus.
Lucy, die sich eigentlich ausruhen sollte, streckte sich gerade hinauf zum Schrank. "Lass mich das machen." Sagte Anton gerade und schnaufte angestrengt, als Lucy nur genervt Antons Arm abschüttelte. "Ich kann schon etwas aus dem Schrank holen ohne dabei draufzugehen." Maulte Lucy und schüttelte schnalzend mit dem Kopf. "Rühr du lieber weiter!" Ermahnte sie Anton, der sofort an den Herd zurückkehrte, doch Lucy skeptisch musterte.
Als er mich sah, hob er die Brauen und nickte zu Lucy. Hilf mir! Formte er mit den Lippen. Ich nickte. Gran war eh gerade mit Lucy beschäftigt. Und vermutlich würde sie das auch eine ganze Weile.
Ich straffte meine Schultern und ging zum Küchentresen. "Hallo." Begrüßte ich die beiden und lächelte, als Lucy sich kurz zu mir wandte und sanft Lächelte. Doch sofort drehte sie sich wieder weg.
"Luce?" Fragte ich sie und ohne mich anzusehen machte sie ein fragendes Geräusch. "Hme?" Ich verdrehte die Augen. "Können wir kurz reden?" Fragte ich sie, doch sie schüttelte den Kopf. "Ich mache Essen." Erklärte sie und ich schnaubte. "Ich weiß Anton sieht nicht so aus, aber glaub mir, er schafft das schon für ein paar Minuten." Erklärte ich ihr und sah wie sie ihre Schultern fielen ließ. Dann sah sie Anton an. "Versau das nicht!" Mahnte sie und erhob den Zeigefinger. Er nickte ernst. Als würde es hier um sein Leben gehen.
Ich führte Lucy ins Esszimmer und wie schon beim letzten Mal blieb sie mit dem Rücken zu mir vor dem Fenster stehen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, doch zuckte zusammen. Vermutlich hatte sie ihre Nähte berührt. Ihr ganzer Körper war angespannt. Als wäre sie unter Hochspannung. Sie würde es mir heute nicht leicht machen.
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Ein Cavalier hin und weg
RomanceDer zweite Teil der Cavalier- Reihe. (Teil 1: Ein Cavalier zum Frühstück) "Ich sollte gehen. Tut mir leid." Erklärte sie mit gesenktem Blick und steuerte die Tür an. Sie sollte nicht gehen. Nicht so. Ruckartig griff ich nach ihrem Arm. Ich hatte n...