Ihre Handschrift war ordentlich und verschnörkelt zugleich. Sie schrieb gleichmäßig und geordnet. Doch das war es nicht, was meinen Blick fing. Nein, es war die unterstrichene Überschrift, die mir echt den Sauerstoff aus der Lunge trieb.
"Du hast eine Bucketlist?" Fragte ich sie schockiert. Sie senkte den Kopf und knetete ihre Finger. Als wäre es ihr peinlich. Dabei war es nicht, das ich sie für albern hielt, aber es schockierte mich, das sie gedacht hatte, sie würde eine Liste brauchen. Vor allem eine die den Titel trug: Ten things I wanted to do before I die.
Dachte sie wirklich sie würde sterben? Schmückte sie ihren Befund aus? War es schlimmer als sie allen Weißmachern wollte?
"Ich weiß das ist kindisch und dramatisch aber..." Ich unterbrach sie heftig. "Lucy, ich will das du ehrlich bist. Stirbst du? Ist dein Befund schlimmer als du es sagst? Denn wenn es so ist muss ich das wissen." Warum ich das so unbedingt wissen wollte, konnte ich nicht sagen. Denn was sollte ich dagegen tun? Mich mit dem Krebs anlegen? Ihm Angst einjagen?
"Nein das ist es nicht. Aber die Möglichkeit besteht immerhin." Erklärte sie und schluckte. "Das hier ist keine Blinddarmoperation. Das hier ist Krebs. Egal wie klein. Es bleibt Krebs. Die Möglichkeit daran zu sterben besteht nun Mal."
Es war das erste Mal, das ich Lucy so ehrlich und neutral über das Thema sprechen hörte. Mit ihrer Familie spielte sie es immer runter, als wäre nichts so schlimm und vor ein paar Tagen hatte ich mich auch noch genau darüber aufgeregt. Und jetzt? Jetzt haute sie mich vom Hocker. Denn sie ging damit so stark und pragmatisch um. Fast ein wenig wie Maggie.
"Es schadet doch nicht sich dem bewusst zu sein und zu überlegen, wo ich im Leben hin will." Verteidigte sie sich und ich nickte. Stand aber noch immer wie angewurzelt mitten im Raum. Dann blickte ich auf die Liste. Es standen Zehn Punkte darauf. Nun eigentlich waren es Elf, doch der letzte Punkt war nicht ausgefüllt. Nur ein kleines ausgemaltes Herz war auf der Linie.
Langsam las ich die Punkte. "Bitte, bitte nicht." Flüsterte Lucy. Es war ihr sichtbar unangenehm. Doch ich konnte nicht aufhören. Zehn Punkte die sie machen wollte bevor sie starb. Also Zehn Dinge die ich ihr ermöglichen würde. Zehn Dinge bei denen ich mir Zeit lassen würde. Zehn Dinge wegen denen sie sich in mich verlieben wird. Zehn Dinge.
"Ich weiß wie albern das ist." Begann sie wieder und knetete noch immer ihre Fingerknöchel. Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin eigentlich nicht so dramatisch. Aber keine Ahnung..." Sie verstummte. "...es hat mir Angst gemacht."
Ihre Stimme war so leise, dass ich sie kaum hörte. Doch ich verstand ihre Worte und sie brachen mir das Herz. Denn es war eine Sache zu vermuten, dass jemand Angst hatte. Eine Andere aber war es tatsächlich zu hören, dass es so war.
"Es ist nicht albern." Erklärte ich also endlich und löste mich aus meiner Starre. "Du hast so getan, als würde es dir gut gehen. Ich habe nicht erwartet das du..." Diesmal brach ich ab. Ich hatte nicht erwartet das sie ans Sterben dachte. Niemand sollte das tun. Und es schockierte mich. Ich sah die fröhlich plappernde Vierzehnjährige vor mir und erkannte sie in der Frau vor mir nun nicht wieder. Sie hatte etwas von ihrer Leichtigkeit verloren und ich wollte der sein, der sie ihr wieder gab. Am liebsten Sofort.
"Aber für die Ehre einer Frau zu kämpfen?" Fragte ich und las Punkt vier vor. Sie grinste und auch ich lächelte. "Verbal oder eher im guten alten Duell?" Fragte ich und diesmal lachte sie laut auf. "Nun meine Schwerthand ist etwas eingerostet..." Erklärte sie mit einem nachdenklichen Gesicht und betrachtete ihre Finger. Dann schenkte sie mir eines dieser strahlenden Lächeln. Ich blickte auf die Liste. "Du bist noch nie in einer Bar gewesen und hast eine Runde geschmissen?" Fragte ich und überlegte, wann ich das letzte Mal eine Lokalrunde gegeben hatte.
Lucy schnaubte. "Ich bin Vierundzwanzig. Ich war noch nicht in vielen Bars." Erklärte sie und ich lachte auf. "Also mit Zweiundzwanzig kannte ich schon alle Kneipen in und um Cleveland. Also ist das keine Ausrede!" Sagte ich ihr mit hochgezogenen Brauen. "Dann bin ich vielleicht einfach langweilig." Fügte sie hinzu und ich schüttelte den Kopf.
Lucy Davis war alles andere als langweilig. Das wusste ich seit ich sie kannte. Selbst mit Vierzehn war Lucy schon mehr. Sie war schlau und lustig. Nur war das, was ich wertschätzte nun etwas anderes geworden. Und wenn ich ein paar Jahre Jünger wäre, dann hätte ich sie schon mit Vierzehn vergöttert. Da war ich mir ziemlich sicher. Ob ich es ihr allerdings gesagt hätte, stand auf einem anderen Blatt.
"Ich finde nicht, dass du langweilig bist." Erklärte ich und hätte am liebsten wegen dieser langweiligen Antwort gestöhnt. Sie war nicht langweilig. Ich hätte aber sagen sollen, dass sie klug und schön und witzig und schlagfertig und alles war, was ich je wollte. Nun vielleicht nicht das was ich früher gewollt hatte, doch ich konnte einfach nicht vergessen, wie sie ausgesehen hatte, als sie die Treppe hinuntergekommen war. Jedes Mal wenn ich sie sah, blieb mir die Luft weg. Und als sie mir dann noch erzählte, dass sie mich mit Vierzehn toll fand... Sie hatte mich umgehauen und ich musste dafür sorgen, dass sie mich auch nicht ganz so blöd fand. Ich musste dafür sorgen, dass sie keine andere Wahl hatte als sich in mich zu verlieben.
Denn egal wie sehr ich mein Leben jetzt liebte. Wie sehr ich den Verein und das Spiel liebte. Es würde nicht ewig bleiben und ich wollte nicht irgendwann aufwachen und merken, dass ich nichts hatte, außer die gute alte Zeit.
Denn das Spiel war meine Vergangenheit. Eine auf die ich stolz war und für die ich dankbar war. Doch eben noch immer meine Vergangenheit. Lucy hingegen, war alles und noch mehr. Und wenn sie mich lassen würde, würde ich ihr jetzt sofort einen Ring an den Finger stecken. Denn Lucy war meine Zukunft.
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Ein Cavalier hin und weg
Любовные романыDer zweite Teil der Cavalier- Reihe. (Teil 1: Ein Cavalier zum Frühstück) "Ich sollte gehen. Tut mir leid." Erklärte sie mit gesenktem Blick und steuerte die Tür an. Sie sollte nicht gehen. Nicht so. Ruckartig griff ich nach ihrem Arm. Ich hatte n...