21// Busted.

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Mir war klar das es spät war. Es war schon fast zehn. Aber ich hatte es einfach nicht früher geschafft und auch wenn die Besuchszeit seit fast zwei Stunden vorbei war, so wollte ich sie nur noch einmal kurz sehen. 
Danach würde ich brav sein und nach Hause fahren. Mich in mein Bett legen und schlafen. Jedenfalls war das der Plan in der Theorie. Zu meinem Glück war der Empfangstresen unten nicht besetzt, also wandte ich mich direkt nach links, fuhr mit den Aufzügen hinauf und spähte hinaus. Doch auch hier saß keine Schwester. Erleichtert huschte ich über den Gang. 
"Sie wissen sicherlich, das sie Besuchszeit nur bis Acht Uhr ist?" Busted. Langsam drehte ich mich um. Mist! Ich erkannte das freundliche Gesicht der Schwester und lächelte ihr bittend zu. "Nur fünf Minuten. Ich bin sofort wieder weg. Ich konnte nicht früher." Bat ich sie verzweifelt und versuchte mich an dem mitleiderregendsten Schmollen, das ich je zu Stande gebracht hatte. Wenn das nicht funktionierte, würde nichts funktionieren. Sie sah mich streng an, dann musterte sie mich mit zusammengekniffenen Augen. 
Für einen langen Augenblick ließ sie mich zappeln. Ich merkte erst das ich die Luft anhielt, als sie endlich etwas sagte und ich nach Luft schnappte. 
"Nur fünf Minuten. Maximal zehn." Erklärte sie mit einem schiefen Lächeln und scheuchte mich davon. Schnell legte ich meine Hände zusammen und dankte ihr lächeln. "Vielen Dank." 
Dann hastete ich die letzten paar Meter zu Lucys Zimmer und klopfte leise. Ich hoffte sehr ich würde sie nicht wecken. "Ja?" Hörte ich aber ihre klare Stimme und ich seufzte erleichtert, als ich die Klinke herunterdrückte und den Raum betrat. 
Lucy setzte sich auf und blickte zu mir. Überrascht sah sie mich an. "Dean?" Fragte sie und ich lachte. "Ich weiß wir haben uns ne Weile nicht gesehen, aber hab ich mich wirklich so verändert?" Fragte ich scherzhaft und sie lächelte leicht. 
"Es ist nur..." Sie biss sich auf ihre Unterlippe. "Ich bin überrascht, das ist alles." Ihr Blick huschte zu dem Strauß, der nun nicht mehr neben ihr auf dem Tisch lag, sondern in einer Glasvase auf dem breiten Fensterbrett stand. Woher...?
"Ich war heute morgen schon mal da. Aber du hast noch geschlafen." Sagte ich mit dem Blick auf die Blumen. Ich wollte wissen ob sie ihr gefielen. Und wenn ja, dann sollte sie wissen, dass sie von mir waren. Ich wollte ihr Lächeln sehen, wenn sie die Blumen entdeckte. Ich wollte das sanfte glitzern in ihren Augen sehen. Ich wollte sie einfach nur sehen.
"Das hat mir Maggie gar nicht erzählt." Sagte sie leise und lächelte. "Danke." Ich erwiderte ihr Lächeln. Sie sah müde aus. Sie sah wirklich erschöpft aus und plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich hier war. Ich hätte sie einfach in Ruhe lassen sollen. Sie schlafen lassen. 
"Maggie wusste es nicht." Erklärte ich ihr mit einem Schulterzucken. "Ich war noch vor ihr hier. Ich wusste nicht wann die OP ist oder wann du aufwachen würdest." Fügte ich hinzu. 
"Warum?" Irritiert sah ich sie an. Blickte in ihre schönen Augen und fragte: "Warum was?" 
Sie senkte den Blick verlegen. "Warum warst du heute früh hier?" Ich lachte auf. "Was glaubst du warum?" Fragte ich belustigt. Verstand sie es denn wirklich nicht? 
"Ich... Keine Ahnung. Ich meine du hättest mir einfach Grüße bestellen können." Sagte sie leise. "Versteh mich nicht falsch, ich bin dir dankbar das du an mich gedacht hast aber das war nicht nötig. Du hast doch bestimmt besseres zu tun, als mich hier zu besuchen." Ich schnaubte. Doch bevor ich etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür und die dunkelhaarige Schwester streckte lächelnd ihren Kopf herein. Das waren doch niemals zehn Minuten. 
"Es tut mir leid, aber..." Ich nickte freundlich und erhob mich von dem Stuhl, auf dem ich mich kurz niedergelassen hatte. "Ich bin sofort weg." 
Vorsichtig griff ich nach ihrer Hand, beugte mich vor und flüsterte. "Mir wäre nichts eingefallen was besser wäre als dich zu besuchen." Dann senkte ich meine Lippen auf ihre Stirn und verharrte einen Moment so. Sog tief ihren Duft in meine Lungen und lächelte. Sie roch selbst jetzt noch nach Flieder. 
Doch ich musste mich von ihr lösen. Mit einem tiefen Seufzen richtete ich mich wieder auf. Verwirrt starrte mich Lucy an. Ich aber lächelte sie an und zwinkerte. Dann wandte ich mich zur Tür. Bevor ich aber hinausging, sagte ich noch: "Wir sehen uns morgen früh, Luce." 
Gutgelaunt verließ ich den Raum und schloss die Tür. Dann wandte ich mich zu der Schwester um. "Nochmal vielen Dank." Sagte ich und grinste. Ich schaffte es kaum das Grinsen von meinem Gesicht zu bekommen. Den ganzen Weg zu meinem Wagen grinste ich und auch als ich zuhause ankam, lächelte ich noch immer.
Denn anders als bei unserem letzten Kuss war ihre Reaktion nicht erschrocken, nicht verblüfft, nicht verängstigt. Sondern sie war verlegen gewesen. Überrascht vielleicht aber ihr Gesicht sah nicht so geschockt aus und ich nahm alles was ich kriegen konnte. 
Angefangen damit, dass sie wach war, die OP überstanden hatte und mit ihren leuchtenden Augen mich angesehen hatte. Mehr hatte ich doch heute Morgen nicht gewollt. Das reichte mir. Jedenfalls heute. 
Morgen würde ich sie ausquetschen über das, was der Arzt gesagt hatte und wie es weitergehen würde. Dann konnte ich mir überlegen, wie ich darauf reagieren wollte. 
Solange es ihr gut ging, wäre mir alles egal. Nun vielleicht nicht alles. Aber eine ganze Menge schon. 
Ich sprang unter die Dusche, zog mir meine Schlafsachen und ging ins Bett. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht fiel ich in den Schlaf und lächelte. Denn heute war ein guter Tag und nach guten Tagen, folgten gute Träume. 
Und es gab jetzt gerade nichts, auf das ich mich mehr freute, als auf gute Träume. Die Träume in denen Lucy einfach alles war. Die Träume aus denen ich nicht aufwachen wollte. Die Träume die ich zu meiner Realität machen würde. Sie zu meiner Realität machen würde. Uns zur Realität machen würde. 

Ein Cavalier hin und wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt