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Als ich das Schwert heraus zog stolperte ich zurück und starrte auf die Schlange, die leblos vor mir auf den Boden krachte. Mir war schwindlig, doch das Gift verlor von Sekunde zu Sekunde mehr gegen meinen Körper. „Niala!", hörte ich und sah Bella auf mich zukommen. Zumindest war es ihre Stimme und eine schwummrige Gestalt, die ihr nicht unähnlich war. Die Gestalt sackte neben mir auf die Knie und legte ihre Finger an meinen Hals. „Du lebst, Liebste! Und... Bei allen Götter... Du... Ist er... Ist er..." „TOT!", keuchte ich. „TOT ist die verdammte Schlange!", an meiner Stimme könnte man meinen, ich hätte einen über den Durst getrunken. „Er ist...", sie schluchzte leise. „Oh den Göttern sei Dank er ist tot...", sie lachte leise und wischte sich über die Augen. „MIRDEN! Mirden! Komm her!", rief sie und half mir auf. Langsam fokussierte sich mein Blick. Immer noch hielt ich mein Schwert umklammert. „Niala, sei vorsichtig er... Er hat dich ja gebissen!", keuchte sie, als sie die blutigen Stellen in meinem Hemd sah, wo mein Körper das Gift heraus geblutet hatte... zumindest einen Teil davon. Ich taumelte zu Rakuras Leiche und nahm seinen Kopf unter meinen linken Arm. In der rechten hielt ich noch das Schwert. So zog ich ihn zum Schlachtfeld zurück. Alle waren noch mit Kämpfen beschäftigt, doch ich stieg auf eine der riesigen Armbrüste. „HEY!", brüllte ich so laut, dass es den nächsten Kriegslärm übertönte. „Rakura! Ist! TOT!", verkündete ich und schleuderte mit aufkommender Kraft die Leiche zu Boden. „Und ihr, die ihr ihm gefolgt seid, lasst die Waffen fallen oder sterbt!", verkündete ich. Ich sah viele Gesichter, die mich panisch anstarrten. Und dann ertönte Klirren über das gesamte Feld. Ein Klirren, das mir so viel Erleichterung gab, dass es mich beinahe zu Tränen rührte und ich sie wirklich gewaltsam zurückhalten musste. Meine Männer brachen in Jubel aus! Fielen sich in die Arme und sammelten die Schwerter der sich ergebenden Soldaten ein. Immer noch stand ich wankend da und ich spürte einen Arm um mich. Bella hielt mich, sodass ich nicht wankte. „Stell dich aufrecht hin. Heb dein Schwert! Ruf das Ende dieses verfluchten Krieges aus.", hauchte sie mir ins Ohr und ich gehorchte. Bella hielt mich, dass ich nicht weiter wanken konnte. Ich zog mein Schwert und hob es hoch in die Luft. „Dieser Krieg ist vorbei! Rakura ist tot!", verkündete ich und der Jubel schwoll nur weiter an. Glücklich trommelten meine Leute auf alles was sie fanden. Schilder, Balken der Katapulte. Alles. „Du hast es geschafft!", lachte Mirden und trommelte lachend mit seinen Fäusten auf die Balken der Armbrust, auf der Bella und ich standen.

Das Gift hatte eine Stunde später schon deutlich nachgelassen. Meine Männer hatten ohne Probleme die Mauern erklommen. Keiner der Soldaten Rakuras hatte sich mehr gewehrt und nur die Schwerter davon geschmissen. Einige hatten meinen Männern sogar darüber geholfen und ihnen Seile herunter gelassen. Das Tor hatten meine Leute geöffnet. Meine Männer trugen mich auf ihren Schultern in den Burghof. Jubel erscholl von allen Seiten. Sie ließen mich hoch leben! Und dann standen wir vor den Türen der Burg. Grinsend winkte ich die Wildschweine vor, die nur zu gerne die Tore einrannten. Bella marschierte an meiner Seite durch die Burg. Flüchtende Soldaten versuchten Dinge wie Kerzenständer, Gold und irgendwelche Wertgegenstände zu stehlen. Diese fielen aber den Schwertern meiner euphorischen Männer zum Opfer. Uns stand alles zu, was es zu plündern gab. Und endlich standen wir im Thronsaal. Wo Rakura seine Männer zusammen gerottet hatte. Jemand schob mich auf den Thron. Jemand setzte Bella neben mich auf den Stuhl, der wahrscheinlich einst Akira zugestanden hatte. Viele beglückwünschten mich. Uns. Alle. Ich antwortete wie in Trance und dankte. Im Augenwinkel sah ich Bella jemanden herwinken. „Elder, übernimm du die Führung. Niala blutet wie wild. Ich will sie irgendwo versorgen." „Natürlich. Mach ich. Weißt du, wo Rakuras altes Zimmer ist? Drei weiter ist ein Krankenzimmer. Er hat es für Arkyn einrichten lassen.", hörte ich Elder und kurz darauf zerrte Bella mich hoch.

Ich hatte noch mitbekommen, wie meine Frau mich auf ein Bett gedrückt hatte oder eine Liege. Dann war ich eingeschlafen oder in Ohnmacht gefallen... zumindest hatte ich das Bewusstsein verloren. Und als ich aufwachte, schien die Zeit wieder zu laufen, wie sie sollte und nicht mehr so rasend schnell wie nach Rakuras Tod. „Bella?", fragte ich verwirrt und blickte auf meine dösende Frau. Lächelnd erhob sie sich und gab mir einen Kuss. „Aufgewacht?", lächelte sie. Ich nickte und rieb mir die Augen. „Was ist geschehen?", wollte ich wissen. „Du hast Rakura erschlagen!" „DARAN erinnere ich mich schon noch aber... danach?", wollte ich wissen. „Du hast das Kriegsende ausgerufen und man hat uns Einlass in die Burg gegeben. Elder kümmert sich gerade um das Plündern und das Versorgen der Männer. Unsere Vorräte gingen ja sehr zu neige und Rakuras Vorratskeller sind reich gefüllt! Jeder isst sich jetzt erst mal bis zum Platzen voll, war Elders Befehl, wäscht sich und ruht sich aus. Dann würde weiter geredet werden.", lächelte Bella. „Ein sehr guter Befehl." „Oh ja! Ich fürchtete erst schon, dass die Männer in ihrer Euphorie an Ort und Stelle mit dir feiern wollen, doch allen geht es so wie dir. Sie wollen heim. Sie wollen mit ihren Lieben feiern und nicht hier in der Fremde." „Dann schicken wir sie alsbald heim." „Nicht so schnell. Erst müssen wir uns um die Reichsangelegenheiten kümmern!", gab sie zu bedenken. Ich seufzte und fiel zurück in die Kissen. Ich könnte schwören es waren mehr Kissen, oder zumindest weichere, geworden. „Es gibt kein Reich mehr! Rakura ist tot, damit ist sein Reich zerfallen." „Lassen wir das Reich zerfallen, dann herrscht das Chaos! Ein Chaos, dass sich durch Kriege zu ordnen versuchen wird! Und diese Kriege, werden vor unserer Haustür stattfinden und uns mit hinein ziehen! Ordnen wir es jetzt nicht und teilen es gerecht auf, war das nur der erste in einer Reihe von tausenden Kriegen!", riet sie. Ich seufzte tief. Ich verstand ihre Worte, auch ihre Notwendigkeit. Aber ich wollte nicht! Ich wollte schlafen! Ich wollte zu Tiu und Ora und heim! Ich wollte in meinem Bett schlafen, mich abends wieder am Feuer lustig betrinken! Wieder ein Clan sein und kein Königreich! Meine geliebte Ehefrau las in mir wie in einem Buch und strich mir beruhigend über den Kopf. „Hab keine Sorge. Ich habe mit Elder bereits einiges besprochen. Ich wollte mich auch mit Ingrim austauschen aber... er redet nicht." „Hat jemand schon Veras Leiche geborgen?", wollte ich wissen. Sie nickte. „Ja... aber ich weiß nicht, ob wir es Ingrim mitteilen sollten. Ihre Leiche ist entstellt und sieht alles andere als friedlich aus." „Wenn Ingrim wieder bei Kräften ist soll er es selber entscheiden.", beschloss ich und stemmte mich auf. „Ich werde es weiter geben.", bemerkte sie und beobachtete mich, wie ich mich hoch stemmte, Anstalten machte aufzustehen, nur um mit einem schmerzhaften Seufzten wieder zurück in die Kissen zu fallen. Bella griff vom Bett, während ich die Decke beiseite schlug. Sie hatte mich mittlerweile ausgezogen und verbunden. Vorsichtig begann ich am Verband zu ziehen. „Lass ihn dran. Lass es heilen." „Wie schlimm sieht es aus?" „Lass es heilen." „Bella, wie schlimm?", wollte ich wissen. Sie schwieg kurz. „Dass es nicht schön aussah, als ich es verband wirst du dir denken können. Wie es morgen aussieht kann ich dir aber auch nicht sagen.", sie zog ein Fläschchen hervor und reichte es mir. „Es ist noch ein Rezept meiner Mutter. Sie hat mir gestanden, dass sie es einst für Wotan braute. Es ist ein Mittel, dass einen Wolf schnell zu Kräften bringen kann.", lächelte sie. Ich nickte und ergriff das Fläschchen. „Wie viel?", wollte ich wissen. „Eigentlich nur wenige Tropfen. Aber trink ruhig die halbe Flasche. Dann ruhe. Und dann erwache wieder munter.", lächelte sie. Ich nickte und tat wie mir geheißen. Es war bitter und ich hatte Mühe nicht zu würgen. Ich biss die Zähne zusammen. Dann war es unten und ich atmete tief durch, als ich zurück sackte. Die Wirkung traf mich wie ein Hammer von Müdigkeit und mir fielen die Augen zu. „Ruh dich aus! Dann erwache in alter Stärke. Und bis du erwacht bist, habe ich schon alle Probleme grob gelöst.", hauchte sie, küsste meine Stirn und ich nickte weg.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt