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„Niala?", weckte mich Ora und ich brummte missmutig. „Was?", murrte ich. „In deiner Abwesenheit hatte ich das Kommando. Darum habe ich beschlossen mich mehr in die Angelegenheiten des Clans einzumischen!", verkündete sie. Verwirrt blickte ich sie aus dem Bett aus an. „Ja... ähm... in Ordnung... aber wieso?", wollte ich wissen. „Weil wir uns endlich mal zusammensetzen müssen. Darum habe ich ein Treffen einberufen. Du, Laila, Luan, ich, Bella und Theo." „WAS?" „Ja." „Nein!" „Genau darum habe ich dich nicht um Erlaubnis gebeten. Laila ist bereits mit einer Einladung los. Sie müsste sogar bald zurück sein. Ich habe dich lediglich informiert.", erklärte Ora. „Ora, du hast keine Ahnung von dämonischer Diplomatie und..." „Genauso wenig wie du. Darum hole ich Bella her. Sie wird kommen, wenn sie es für richtig hält. Wenn nicht dann nicht. Ansonsten wird sie wohl heute nach Sonnenuntergang kommen.", erklärte sie und ging. „Ora! Ora warte! Verdammt...", ich ließ mich zurück ins Kissen fallen. Wie könnte ich nach dem gestrigen Abend Bella noch unter die Augen treten? Vielleicht hatte sie mich ja nicht erkannt... vielleicht hatte ich ja Glück...

Draußen hatte ich gerade mal den Eingang meiner Höhle beleuchtet und wartete am Kopfende des Tisches. „Laila? Schiebe mir doch die Karaffe rüber.", bat ich und Laila grinste. Sie schob mit Schwung die Karaffe in meine Richtung doch fing sie Ora ab. „Du betrinkst dich nicht.", erklärte sie und stellte sie außerhalb meiner Reichweite. Ich seufzte. Ein Schritt auf dem Stein der Höhle ließ mich aufsehen und Bella trat ein. Ich starrte sie an. Diese enge Hose aus Wildleder und diese Bluse... dazu die engen Stiefel. „Guten Abend.", grüßte sie. „Guten Abend, Bella. Setz dich doch.", bat Ora und deutete auf einen Platz an der von mir linken Seite des Tisches. Rechts saßen Ora, Laila und Luan. Bella schritt grazil die Reihen entlang allerdings ging sie einmal um den Tisch herum statt den direkten Weg zu nehmen. Gerade als sie an mir vorbei ging strich sie mir unbemerkt über den Nacken und hauchte mir ein: „Spanner.", ins Ohr. Ich schluckte und errötete als sie sich setzte. Gestreckt saß sie da und legte ihre gefalteten Hände auf die Tischplatte. „Nun... Ora, sieh mich doch nicht so mitleidig an. Welchen Grund siehst du an mir für Mitleid?", sie lächelte Ora an, als wäre sie der sorgloseste Mensch dieser Welt. „Nein... ich sehe keinen Grund.", hauchte Ora und Bella lächelte. „Nun denn. Wir trafen uns ja aus Gründen des Informationsaustausches. Dass dieses Treffen hier niemals stattfindet oder stattgefunden hat, das ist doch hoffentlich allen klar.", erklärte Bella. Ich räusperte mich. „Es ist allen klar. Und sollte irgendjemand auf diesem Tisch plaudern, so reiße ich ihm höchst persönlich die Zunge heraus und nagel sie an einen Baum.", erklärte ich. „Was siehst du mich so an?", empörte sich Laila. „Nun... dann bin ich beruhigt.", lächelte Bella. „Wo ist denn Theo?", wollte Ora wissen. „Ich kam allein. Meinen Clan lasse ich nicht unbeaufsichtigt. Nicht in solchen Zeiten." „Und welche Zeiten währen das?", wollte Laila wissen. „Seit der schwarzen Nacht. Die kannst du nicht kennen, Mädchen. Und sie zu beschreiben ist unmöglich. Hast du sie nicht selbst miterlebt, so ist der Spuk der Erzählung nichts im Vergleich zum Schrecken dieser Tage." „Wohl wahr.", wand ich ein als ich sah, wie Laila sich straffte. „Ich bin wohl kaum jünger als du!", empörte sich Laila. „Ich bin ein halbes Jahr älter als Niala. Somit wohl auch..." „Wir sind Dämonen. Wir sind alle ausgewachsen und ab da praktisch unsterblich. Wenn wir uns wieder auf Rakura fokussieren könnten? Einem Mann, der wohl unser aller Leben bedroht?" „Gerne. Nun... wie kann ich dienen?", wollte Bella wissen. Ich setzte zum Sprechen an doch gerade als ich sprechen wollte blitzte dieses lüsterne Blau in Bellas Augen und ich stockte. „Du kannst helfen, wenn nötig, Bella. Ich denke es ist in beidseitigem Interesse, wenn du dich nicht unnötig in Gefahr begibst.", half Ora. „Sorgt euch nicht um mich. Ich weiß mich wohl zurecht zu finden. Ich weiß, wie weit ich bei Rakura gehen kann und wie weit nicht.", erklärte sie ruhig. Sie war ganz in ihrer Rolle der Diplomatin. Ein faszinierendes, fesselndes Bild. „Was sagst du, Niala? So schweigsam in letzter Zeit?", riss mich Bella aus meinem Starren. „Nun...", ich räusperte mich. „Wo waren wir?", wollte ich wissen. Bella lachte leise hinter vorgehaltener Hand während Ora ein tiefes Seufzen ausstieß und Laila laut auflachte. Luan sah mich nur an. Er hatte wohl ebenso wenig zugehört. „Ich werde mich weiter umhören und umsehen. Dass niemand irgendetwas tun wird, bis ich die beiden nicht mit eigenen Augen gesehen habe. Bist du einverstanden?" „Nein. Zu gefährlich." „Ein gewisses Risiko werden wir eingehen müssen. Und wenn sie es freiwillig trägt. Wohin hast du mich nicht schon alles geschickt.", bemerkte die Füchsin. „Das ist etwas anderes.", brummte ich. „Ach? Anders? In wie fern? Wieso schickst du bitte mich in die schlimmsten Rattenlöcher und die Katze kann vorm Kamin liegen..." „Genug!", unterbrach ich Laila. „Wir kennen uns schon länger." Darum.", knurrte ich und sah Bellas Lächeln im Augenwinkel. „Nun... würden wir uns bitte wieder dem Wesentlichen zuwenden?", brummte ich. „Natürlich. Aber sorge dich nicht.", Bellas Lächeln ruhte sanft auf mir. Sie sollte mich nicht so ansehen! Es machte doch alles so viel schwerer... „Ich weiß schon wie ich mit Rakura umgehe. Ich werde nicht in die Kerker schleichen. Ich werde mich von Rakura persönlich hinabführen lassen.", lächelte sie. Ich sprang auf und schlug auf die Tischplatte. „Nein! Das verbiete ich!", knurrte ich. „Beruhige dich und setze dich doch wieder, Niala.", lächelte Bella und ich starrte sie an. Die Erkenntnis, was ich da gerade getan hatte zwang mich beinahe in die Knie. Verdammt... ich war zu impulsiv wenn es um Bella ging. Ich strengte mich an. Rief mir Venia wieder ins Gedächtnis der ich doch zu gehören hatte und atmete tief durch. „Ich meine... du sagst, du willst dich von Rakura in die Kerker führen lassen... hältst du das für klug?", wollte ich wissen. „Ja." „Nein! Es macht das ganze kein Stück leichter, wenn ich statt zwei Wölfe, zwei Wölfe UND eine Katze aus dem Kerker holen muss!", erklärte ich. Bella lächelte. Wenn sie doch nur aufhören würde mich so anzulächeln... „Nein! Du verstehst mich falsch.", lächelte sie. „Ich werde zu Rakura gehen...", sie stand auf. „Mich ihm nähern.", verführerisch trat sie auf mich zu und ich schluckte als sie sich sich hinter meinen Stuhl stellte und von hinten ihre Hände auf meine legte, die auf den Armlehnen ruhten. Ich hielt den Atem an als ich den ihren an meinem Nacken spürte. „Und dann sage ich ihm: Herr, sind die Gerüchte wahr? Ist es wahr, dass Ihr es schafftet zwei Wölfe in Eure Gefangenschaft zu bringen? Sagt, habt Ihr das Unmögliche geschafft und einen so starken Wolf an die Kette gelegt?", säuselte sie mir ins Ohr und ich schluckte. „Herr, meine Verlobte war einer der stärksten Wölfe die ich je sah. Wie kann ich Euch glauben, dass Ihr so jemanden an die Kette legen konntet?", flossen ihre Worte so süß wie Honig in mein Ohr. „Er wird mir natürlich eine Antwort geben. Er wird es bestätigen.", Bella trat um den Stuhl und kniete neben mir nieder. Sie ergriff meine Hand und sah mich an. Mein ganzer Körper war angespannt. „Herr ich kann es nicht glauben! Vergebt. Ich weiß um Eure große Macht. Doch wie kann ich es glauben, dass Ihr am Ende doch einen Wolf zähmtet.", hauchte sie und stand auf. „Und Rakura in seinem Starrsinn wird es mir beweisen und sie mir zeigen.", lächelte sie und setzte sich auf ihren Platz. Ich wagte wieder Luft zu holen. Ein böser Fehler, denn sofort hatte ich ihren süßen Duft in der Nase. Ich kniff die Augen zusammen und gab mein Bestes an den Geruch von Wildrosen zu denken doch dieser schien wie aus meinem Gedächtnis gelöscht. „Es... das klingt gut. Ja. Könnte funktionieren. Aber nun ähm...", ich sah betreten auf den Tisch. Wie sollte ich es ausdrücken. „Könntet ihr uns bitte allein lassen? Die Details würde ich nur mit Niala besprechen. Ora, ich will dich nicht unnötig belasten und euch beiden traue ich kaum einen Schritt über den Weg. Ihr seid nur hier, da Niala es gestattet!", nahm mir Bella die Aufgabe ab und die drei gingen. Kaum waren sie fort sah Bella mich erwartend an und stützte ihren Kopf auf ihre Hand. „Hör auf...", flehte ich. „Mit was?", lächelte sie und rückte mir noch näher. „Das weißt du genau!" Sie seufzte. „Niala wieso hast du denn etwas dagegen? Ich bedeute dir nichts. Ich will dir aber helfen und..." „Natürlich bedeutest du mir etwas... ich... nur weil ich dich nicht l... du bist mir nicht egal, Bella! Und dein Tod ist das letzte was ich mir wünsche! Bella...", ich sah sie an. „Bitte gehe kein unnötiges Risiko ein!", bat ich. Sie lächelte so himmlisch sanft und legte ihre Hand auf mein Handgelenk. „Rakura schickte mir eh einen Brief in dem er verlangte, dass ich zu ihm gehe und von dir berichte. Ob du nach wie vor ohne Erinnerungen bist. Da ist es kein Problem für mich ihn etwas zu provozieren. Oder eher zu reizen." „Reize ihn nicht auf diese Weise, bitte! Nicht dass er... dass er wieder..." „Er wird nicht.", lächelte sie. „Ich glaube es nicht. Er tat es um mich komplett zu zerbrechen und... ich war verflucht nah dran." „Wieso bist du daran nicht zerbrochen?", wollte ich wissen. „Weil ich mich in deine Arme werfen konnte. Ich glaube, wärst du in dieser Nacht nicht bei mir gewesen... ich glaube ich hätte es nicht überstanden. Aber noch einmal wird er es nicht tun. Denn bin ich für ihn dahingegen wertlos. Verschwendung seines Samens. Denn ich bin unfruchtbar.", gestand sie. Ich sah sie überrascht an. „W... Was?", hauchte ich. „Dass du es nicht schon bei Elders Hochzeit bemerkt hast wunderte mich. Aber gut... deine Aufmerksamkeit war an anderen Stellen.", bemerkte sie und begann ihre Bluse aus ihrer Hose zu ziehen um langsam ihren unteren Bauch zu entblößen. Eine dünne, blasse Narbe zog sich von ihren beiden V-Linien über ihre zarte Haut. „W... Wie ist... wie ist das geschehen?", hauchte ich kraftlos und streckte zitternd meine Hand nach ihr aus, zuckte aber zurück. Sie lächelte sanft, nahm meine Hand und legte sie auf ihren unteren Bauch auf die Narbe. „Fass sie ruhig an. Sie schmerzt schon lange nicht mehr. Und wie? Ich gab sie in Auftrag. Mein Heiler tat es nur zu gerne. Wobei gerne das falsche Wort ist. Mein Nachwuchs hätte potenzial für starkes Blut gehabt, meinte er. Doch Kinder...", sie seufzte wehleidig. „Von wem denn? Nur... ich kann nur Kinder von dem haben, dem mein Herz gehört. Anders wollte ich es nie. Und das ist unmöglich." „C... Cato?", fragte ich vorsichtig nach in der Hoffnung es würde stimmen doch schüttelte sie den Kopf. Ich schluckte. Mir gehörte ihr Herz... „Wieso? Ihr habt... doch... diese..." „Ssh... Die Tees, meinst du. Nach einer Weile wird man immun. Und eines Tages war es bei mir so weit und ich musste wählen. Trage ich das Kind einer Ratte aus... oder tue ich... das hier?" „Es wäre genauso dein Kind gewesen..." „Nein. Von Geburt an wäre es mir entrissen worden. Ich hätte keinen Einfluss gehabt. Nur ein weiterer Soldat, der in Rakuras Armee gegen dich zieht. Es war das letzte, was ich wollte. So tat ich das. Es war halb so schlimm. Man gab mir ein Schlafmittel. Als ich erwachte war nur noch eine Naht dort. Damals noch dick, wulstig und alles andere als ansehnlich. Einen Monat brauchte es zum heilen doch Rakura gewehrte mich gnädiger weise zwei. Er war nicht begeistert davon, da ich nun keine Soldaten für ihn gebären konnte und auch eine Ehe mit mir nun nicht mehr infrage kam... aber er wollte retten was zu retten war und zumindest die Narbe gut verheilen lassen... So konnte er nach wie vor eine schöne Frau seinem Heer schenken.", sie sah mir in die Augen. Es tat mir so leid. Sanft strich ich mit meinem Daumen über die zarte Narbe. „Es tut mir so leid. Wäre... wäre ich dort gewesen ich..." „Du wärst ermordet worden. Mehr nicht.", sie legte ihre Hand an meine Wange und hob meinen Kopf leicht damit ich sie ansehen musste. „Gib dir doch nicht die Schuld für alles. Daran trägst du keine Schuld." „Doch.", hauchte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich kann dir tausend Dinge nennen, an denen du Schuld trägst. Aber daran nicht. Auch nicht an der schwarzen Nacht.", lächelte sie. „Bella...", hauchte ich. Sie lächelte nur weiter und strich sanft über die Stelle zwischen meinen Augenbrauen. „Hier bilden sich immer zwei tiefe Furchen, wenn du grübelst. Und hier dazwischen drückt es die Haut vor. Aber wenn du dich sorgst kommt diese Falte auf deiner Stirn... noch ist sie nicht tief aber wenn du dich weiter sorgst, dann tut dir das nicht gut.", hauchte sie und strich mit ihrem Daumen die Falte glatt. „Du sorgst dich um mein Gesicht? Nach all dem?", hauchte ich. „Ich sorge mich immer um dich. Tag und Nacht. Stunde um Stunde. Wenn ich wache und wenn ich schlafe. Ich wüsste gar nicht mehr, was ich ohne diese Sorge täte.", lächelte sie. „Das ist nicht gerecht...", hauchte ich. Sie lachte auf. „Niala, wenn irgendetwas gerecht wäre auf dieser Welt, wo wären wir dann? Mein Glück gibt es nicht auf dieser Erde. Hätte die Welt Gutes für mich im Sinne, so wäre Rakura geblieben wo er war und wir beide hätten uns einander versprochen. Aber Gerechtigkeit... die müssen wir uns mit Gewalt holen. Mit ungerechter Gewalt so wie Rakura. Glück gibt es nicht für mich aber ich werde alles geben um dir dieses Glück soweit wie möglich zu schenken.", ihre sanften Worte drangen tief in mein Herz. Ließen es erwärmen und gleichzeitig schmerzen. „Hör auf, Bella... bitte... hör auf meinetwegen zu leiden! Einst war es meine Aufgabe dich zu schützen!" „Das war es nie. Nie brauchte ich Schutz." „Ich kann duzend Nächte nennen in welchen du sie brauchtest. Und ich dich nur zu gerne schützte." „Weil ich dein Kätzchen war. Heute aber nicht mehr bin. Oder? Nein. Natürlich nicht mehr. Aber es ist in Ordnung. Es tat einmal sehr weh aber... jetzt ist da nur noch Taubheit. Damit komme ich zurecht. Daran habe ich mich gewöhnt. Ich hatte vier Jahre Zeit mich daran zu gewöhnen. Es ist in Ordnung.", lächelte sie und steckte ihr Hemd wieder in ihre Hose kaum, dass ich meine Hand fort nahm. „Niemals werde ich meine Schulden bei dir begleichen können.", hauchte ich. „Du musst sie nicht begleichen. Aber ändere etwas.", hauchte sie und stand auf. „Ich werde direkt zu Rakura gehen und..." „Bleib doch noch...", hauchte ich. „Zum Essen.", setzte ich schnell nach. Sie lächelte nur. Lächelte über all das Leid hinweg. „Nein. Aber pass gut auf dich auf, bis ich dir Bericht erstatte.", lächelte sie und küsste sanft meine Wange. Ich blieb wie erstarrt sitzen und blickte ihr nach. Und diese wundervolle Frau tat das alles für mich... für mich, die ich es doch gar nicht wert war.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt