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Sie taten, was sie tun mussten. Trugen mich wie eine Invalide... „Ist sie das?", hörte ich Lailas Stimme und schnelle Schritte. Wir waren also schon in meinem Lager. Die ganze Zeit über spürte ich Bellas Hand auf meinem Knie. Ora trug mich und wohl auch Theo trug mich mit. Denn Bellas Hand lag immer auf meinem Knie. Zeigte mir, dass sie da war. „Ja...", hörte ich Bella. „Was ist mit ihr? Hat Arkyn ihr schon wieder die Knochen gebrochen?", wollte Luan wissen. Auch seine Schritte hörte ich. „Schlimmer...", hauchte Bella. „Sie schnauft noch. Da kann es nicht so schlimm sein.", bemerkte Laila. Doch...", hauchte Bella. Langsam zog sie die Decke zurück. Entblößte mein Gesicht. „Er hat ihr die Augen verbrannt. Sie ist geblendet.", hauchte Bella. Stille. „Scheiße.", kam es als erstes von der Füchsin. „Ja... scheiße.", brummte ich und richtete mich auf der Trage auf. Meine Füße baumelten in der Luft und erschrocken klammerte ich mich an die Trage. „Lasst sie weiter runter!", bat Bella und sie ließen mich runter bis ich Boden unter den Füßen spürte. „Warte...", Bella gab mir meinen Stock und ihre Hand, ehe sie mir hoch half. Sofort klammerte ich mich an sie. Ich hörte erneut Schritte und sah auf. Obwohl ich eh nichts sah. „Kann sie kämpfen?", wollte Kester wissen. „Ob ich kämpfen kann? Ich bin blind!" „Das ist mir bewusst. Meine Frage lautete, ob du kämpfen kannst.", bemerkte er. „Nein! Natürlich nicht!" „Wieso nicht? Hat er dir die Arme abgeschnitten? Die Beine? Den Kopf zertrümmert? Nein. Sogar streiten kannst du jetzt mit mir. Wieso dann nicht kämpfen?" „Ich bin BLIND!", rief ich. „Kester, was meinst du?", wollte Bella wissen und strich mit ihrem Daumen sacht über meinen Handrücken. „Na das!", ich hörte ein Knacken und ein Sausen durch die Luft. Erschrocken streckte ich die Hand aus und spürte einen Schmerz in meiner Handfläche. Schnell hielt ich den Waidenstock fest und riss ihn Kester aus der Hand. „Sie kann hören. Reicht doch." „Ein Schwert schneidet leider leiser durch die Luft als ein Stock.", knurrte ich. „Und du wirst es schon lernen auch das zu hören.", brummte er. „Kester, sie muss ruhen! Bitte... Mein Heiler meinte, es gäbe Chancen." „In wie fern? Sind sie überhaupt noch vorhanden? Ihre Augen?", wollte Laila wissen. „Sind sie. Aber verbrannt. Ihr Folterknecht hat ihre Augen mit heißem Stahl berührt. Mein Heiler hat... ihr ein Stück ihrer Augen raus geschnitten." „WAS?", keuchte Ora. „Ich vertraue Greno. Er kann das. Wenn es einer kann, dann er." „Ja aber was versprecht ihr euch davon? Bei einem Schnitt am Finger schneide ich mir doch nicht auch gleich den Finger ab!", bemerkte Laila. „Es war auch kein Schnitt an ihrem Finger! Es war ihr Auge, das verbrannte! Das Auge ist anders als die Haut, solltest du es noch nicht bemerkt haben! Greno denkt, wenn er das Verbrannte entfernt und eine heilende Salbe aufträgt, dann könnte der verbrannte Teil nachwachsen! Durch die Salbe verschorft das Gewebe nicht und es wächst nach!" „Hat er Erfahrungen darin?", wollte Ora wissen. Schweigen. „Nein... Aber ich vertraue ihm.", kam es kleinlaut von Bella. Ich drückte ihre Hand fester. „Wenn ihr mich entschuldigen würdet... Meine Kleidung ist voll Schweiß, Blut und Tränen. Ich würde mich sehr gerne waschen und umziehen.", bemerkte ich. „Halt!", hielt mich Laila an, als ich einen Schritt vorwagen wollte. „Wirst du uns weiter anführen?" „Nein. Bis ich wieder sehen kann...", ich tastete um mich, bis ich den schlanken Arm meiner Schwester zu fassen bekam. „Wird Ora meine Vertretung sein.", verkündete ich und Bella schritt an mir vorbei, ehe sie mich führte.

„Ora?" „Ja... wen sonst?", wollte ich wissen. „Laila... ist kein Wolf. Luan ebenso nicht. Kester ist nicht von diesem Clan und erst recht kein Anführer. Edmund noch weniger. Ora ist die einzige Wahl die ich treffen kann. Bella... bitte hilf ihr! Bitte!", flehte ich. „Das werde ich. Denn eigentlich hätten wir beide den Clan eh führen sollen. Du und ich.", erklärte sie. „Ich koche schon einmal Wasser. Damit du es warm hast.", bemerkte sie und führte mich hinüber zum knisternden Feuer bis sie mich hinunter drückte. Ich blieb stehen. „Mach noch einen halben Schritt zurück. Dann spürst du den Stuhl hinter dir.", bemerkte sie. Ich nickte und tat wie mir geheißen. Kaum spürte ich die Sitzfläche setzte ich mich. Bella zog mir etwas her und legte meine Füße auf den Schemel. „Gib mir ein paar Minuten.", bat sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie schnellen Schrittes ging. Ich seufzte. Nein. Wenn ich so bleiben würde könnte ich nicht bei Bella bleiben. Mein Leben lang müsste sie sich um mich kümmern. Ein solches Leben wünschte ich mir nicht für meine Geliebte. Aber Bella würde mich nicht verlassen. Nicht einmal wenn ich sie auf Knien anflehen würde. Sie würde bei mir bleiben. Selbst, wenn ich weder Arme noch Beine hätte. Weder sehen noch hören könnte. Weder riechen noch schmecken. Selbst wenn ich nur ein atmendes Stück Fleisch wäre, sie würde bei mir bleiben. Immer. Wie sehr musste diese wundervolle Frau gebrannt worden sein, um sich an so einen Klotz wie mich zu ketten? Verflucht. Wenn ich jemals mein Augenlicht wiedererlangen würde... würde ich alles ändern! „Niala?", hörte ich und ich sah auf. „Laila?" „Ja. Alles in Ordnung?", wollte sie wissen. Ich nickte und stand auf. „Führ mich bitte hinaus zu den Gräbern. Ich will beten.", bat ich. „Du betest?" „Nein. Aber es scheint mir ein guter Zeitpunkt um anzufangen.", bemerkte ich. „Ich lass dich nicht raus. Am Ende läufst du noch davon. Knie nieder, vor dir ist das Feuer. Es wird als Gebetsstätte dienen.", bemerkte sie und ich lauschte ihren Schritten, als sie ging. Ich seufzte und kniete nieder. Lauschte, ob irgendwo Schritte waren. Nirgends. „Götter, Ahnen...", begann ich. Ich wusste nicht, wie man betete. „Ich flehe sonst nicht zu euch. Nicht vor Kämpfen. Nicht vor Entscheidungen. Doch heute. Bitte... rettet meine Augen! Lasst mich wieder in die strahlend blauen Augen meiner Geliebten blicken. Bitte... lasst es mich tun und ich schwöre bei meinem Leben meine Liebste zu halten. Und zu ihr zu stehen.", hauchte ich und griff den Ring, der an der Kette um meinen Hals hing. „Das schwöre ich.", hauchte ich und senkte den Kopf. Und flehte in Gedanken noch tausendfach darum.

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Nächstes kommt ca um 01:30 Uhr

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt