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POV Fanrir

Sein angewiderter Blick kränkte mich nicht. Könnte er gar nicht. Mit den Jahren hatte ich gelernt derartige Blicke sogar zu genießen, denn er hasste und verabscheute mich. Und trotzdem musste er mich rufen lassen, damit ich tat, was kein anderer wagte zu tun! Ich würde das Kind töten. Was war schon dabei? Die Wachen spuckten aus, als ich an ihnen vorbei huschte und die Burg verließ. Pah! Heuchler. Ja, ich war ein Meuchelmörder. Ich erstach Männer, Frauen und Kinder hinterrücks. Ermordete sie wie es sich mein Kunde wünschte. Und Rakura zahlte gut. Und heimlich fürchteten sich auch die hohen Herren vor mir, denn ich könnte sie alle töten. Ich könnte Rakura töten, noch lange ehe sein Leibwächter zucken könnte. Aber das würde mir keinen Vorteil bringen. Und sollten sie mich doch verachten. Was machte es für einen Unterschied? Ab wann war es so sonderlich grausam? Einen Säugling zu töten war grausam. Ein Kind zu töten auch. Ein Jugendlicher? Schon nicht mehr so schlimm und ein Erwachsener, das war einerlei. Bis heute hatte ich noch nicht herausgefunden, ab wann es nicht mehr so grausam war. Ab 14? 12? Einer musste es tun, der eine war ich. Tat ich es nicht, so würde sich schon ein anderer finden.

Die Siedlung war leicht zu finden. Zwar hatte es mich zuerst zur Siedlung der Katzen verschlagen, fand von dort aus aber recht schnell den richtigen Ort. Vor der Nacht hätte ich wohl kaum eine Möglichkeit das Kind zu finden. So legte ich mich auf einem breiten Ast auf die Lauer und wartete. Warten hatte eh einen großen Vorteil. Ich konnte das Geschehen beobachten. Sehen, wie sich die Leute bewegten, was ihre Gewohnheiten waren. Der Rotschopf, der wohl hier den Schmied darstellte, leerte beispielsweise alle zwei Stunden einen Eimer hinter der Schmiede aus. Eine Rothaarige Frau schlich um das Dorf, allerdings hatte ich ihr Muster bald verstanden und es würde einfach sein, sie zu umgehen. Dazu war nur ein alter Mann noch da, außer meiner Zielperson und dessen Mutter. Doch der alte tat nicht viel. Er schien mitgenommen, anders wäre ein Dämon nicht so dem Alter unterlegen. Doch er schien nicht in guter Verfassung. Er hinkte, als würde das Gehen ihm schwer fallen. Auf einen Stock gestützt. Er ging zur Schmiede, blieb darin eine gute halbe Stunde und ging zu einigen Gräbern. Dort setzte er sich, die Hände auf dem Stock und den Blick zu Boden an ein Grab und vergoss ein paar Tränen. Er blieb dort eine Stunde und murmelte etwas. Dann setzte er sich wieder vor seine Hütte. Kaum eine halbe Stunde später eine Halblingsfrau, in den Armen ein Kind. Dass sie ein Halbling war erkannte ich sofort am Geruch. Doch das Kind in ihren Armen... Als sie zu dem Alten trat setzte sie sich zu ihm. Er nahm das Kind auf seinen Arm. Nannte ihn Tiu. Das also war meine Zielperson. Es würde einfach werden. Doch auch das Halblingsmädchen sah müde aus, wie der Alte. Sie würde tief schlafen. Der Kleine wohl auch. Er machte jetzt schon kaum einen Mucks. Beinahe wollte ich mein Versteck verlassen um dem Höhleneingang näher zu kommen, da trat eine blonde Frau auf den Platz und ich stockte. „Ora! Na wie geht es dem kleinen Tiu?", grinste die Blonde und trat zu den dreien. „Bella! Gut, er schläft auch gut durch mittlerweile." „Hat sich sein Husten gelegt?" „Ja, wie du sagtest, es war nichts. Aber der Tee hat geholfen. Wie sieht die Lage aus?", wollte das Halblingsmädchen wissen. „Gut, gut.", ich hörte auf zuzuhören. Nur noch grob. Denn mich interessierten die Bauweisen der Kriegsmaschinen nicht. So wartete ich ruhig weiter auf meinem Baum. Ein einhalb Stunden später ging die Blonde auch wieder.

Es wurde dunkel. Der Schmied leerte erneut einen Eimer aus. Also schien der bis in die Nacht arbeiten zu wollen. Auf ihn müsste ich achten. Ich dürfte seine Routine nicht unterbrechen, keine Spuren bei ihm hinterlassen, dann würde er mir nicht in die Quere kommen. Als die Nacht die ersten kalten Winde mit sich brachte, ging der Alte in seine Hütte. Auch der Halbling tat es ihm gleich. Ich durfte das Mädchen nicht unterschätzen. Nach allem was ich wusste, war das die Schwester der Niala. Und es war der Sitz der Wotanstochter, in welchem ich war. Ich musste vorsichtig sein. Leise hörte ich das Schnarchen des Alten aus dem Haus. Kurz hallte das Schreien des Kindes aus der Höhle, doch recht bald beruhigte es sich. Ich wartete noch zwei Stunden, ehe ich mein Versteck wechselte. Vorsichtig kletterte ich vom Baum und kroch unter eine Wurzel eines nahestehenden Baumes. Viele Regenschauer hatten die Erde hier weit genug fortgetragen, um gerade genug Platz zu schaffen für mich. Bald wäre ich wieder zurück. Das Kind hatte nicht mehr viele Stunden zu leben.

Ich wartete noch bis Mitternacht weit vorbei war. Als ich mir sicher war, dass der Halbling im Tiefschlaf war kroch ich aus meinem Versteck. Vorsichtig klopfte ich mir den Dreck ab, um keine Spuren zu hinterlassen und zog meine Kapuze tief ins Gesicht, ehe ich losschlich. Vorsichtig ging ich um die Ecke und hielt mich in den Schatten des Mondes. Nur das Klingen des Schmiedehammers hallte noch über den Platz und mischte sich mit den Klängen des nächtlichen Waldes. Meine Schritte waren lautlos. Ich war nur ein Schatten in der Dunkelheit. Vorsichtig betrat ich die Höhle und schloss sie. Nun hätte ich Ruhe. Erneut war ich dankbar dafür, dass ich auch in der Dunkelheit gut sehen konnte, denn hier drin war nur noch das Licht, das von der Glut im Kamin kam. Leise zog ich meinen Dolch und schlich in den Gang, der sich an einer Seite auftat. Erkennen konnte ich nur Türen doch dann hörte ich ein leises Wimmern des Kindes und hatte die richtige Tür vor mir. Lautlos öffnete ich sie doch zu meinem Ärger fand ich vor mir keine schlafende Frau mit einer Krippe sondern eine Frau, die mit dem Rücken zu mir an der Krippe stand und das Kind hielt. Ich blieb stehen. „Sssh... ganz ruhig, Tiu. Alles ist gut. Schlaf ruhig weiter.", hauchte sie und legte das Kind wieder ab. Meine Chance. Denn hätte ich eher eingegriffen, so wäre das Kind gefallen, hätte gebrüllt und das Lager vielleicht in Aufruhr versetzt. Ich hielt meinen Dolch fest, ergriff die Frau, hielt ihr den Mund zu und stach ihr mein Messer in die Seite, ehe ich sie fort stieß. Sie kam mit dem Kopf auf ihrer Bettkannte auf und wimmerte erschöpft. „W... Was?", hauchte sie. „Sei still, Weib.", knurrte ich. Sie hatte mich gesehen... sie musste sterben, Rakura schien nichts dagegen zu haben... oder sollte ich sie nicht töten? Mal sehen, es war dunkel, sie musste mich nicht gesehen haben. Für sie war ich nur ein schwarzer Schatten. Mein Auftrag war das Kind. So ging ich zur Krippe in welcher der Erbe der Niala stand und hob mein Messer. „N... Nein!", wimmerte der Halbling. Sie war zäher als erwartet. „Sei still, ich tus schnell.", knurrte ich und hob das Messer über das Kind.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt