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POV Niala

Der Neumond kam und ich blieb liegen. Ich verschlief den Neumond wie Bella es mir riet. Als der Schlaf mich nicht holen wollte versuchte ich am Geruch die Kräuter zu erraten, mit denen Bella mich ausräucherte. Davon schlief ich ein. Ich blieb noch eine ganze Weile im Bett, selbst am nächsten Morgen. Auch noch, als Bella aufgestanden war, mich geküsst hatte und sich angezogen hatte. Trotzdem war sie nun wieder zu mir ins Bett gekrochen und lag an mich geschmiegt da. Ich hatte einen Arm hinter den Kopf gelegt und seufzte tief. „Was ist denn, Geliebte?", wollte sie wissen. „Wann können wir nachsehen?", wollte ich wissen. „Heute Abend.", hauchte sie. „Aber Greno soll dich vorher nochmal ansehen, in Ordnung?", wollte sie wissen. „Natürlich.", bestätigte ich und zog sie enger an mich. „Er kommt heute gegen Mittag vorbei... wenn du dich im dunklen Raum aufhältst wird es schon gehen, schätze ich.", seufzte sie und hielt sich gut an mir fest. Ich nickte nur und hoffte das Beste... Aber im Notfall käme ich zurecht. Ich hatte viel trainiert. Kester und ich hatten es geschafft, dass ich jeden Atemzug hörte. Mein Gehör hatte sich deutlich verbessert. Auch mein Wahrnehmung und mein Gespür. Meine Instinkte waren schärfer denn je. Hätte ich nur meine Augen wieder... ich wäre so stark wie nie und könnte auch gegen Rakura ziehen! Bella verschwieg es mir doch konnte ich mir gut denken, dass sich die Briefe sammelten. Als Laila gestern zurückgekehrt war hatte sie nach Ratte gerochen. Nicht schlimm, vor meiner Blendung hätte ich es sicher gar nicht wahrgenommen. Doch vielleicht hatte ihr einer einen Brief übergeben. Fuchsgeruch erkannte ich auch an ihr, fremder Fuchsgeruch nicht ihr eigener. Ich ging davon aus, dass sie ihr Briefe mitgegeben hatten. Denn Blutgeruch klebte nicht an ihr. Ich hatte nichts gesagt. Und schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich nur noch offiziell der Anführer war. Ora und Bella nahmen mir alle Aufgaben ab. Einerseits war ich ihnen dankbar, andererseits war ich traurig, da ich es einfach nicht mehr konnte. Verflucht...

Es war später Nachmittag als ich humpelnde Schritte und das Klopfen von Holz zu hören. Bella hatte es mittlerweile geschafft mich in den großen Saal zu führen. Aber gerade heute war ich am Boden. Heute würde er es aussprechen. Ich war blind. Er würde es sage. Dass ich erblindet war und nie wieder sehen würde. Doch wenn auch meine Augen nichts mehr taugten, ich wollte zumindest, dass sie aussehen würden wie früher. Für Bella, die meine Augen doch so sehr liebte. „Greno, guten Tag.", grüßte ich und er stockte. „Ach? Du siehst mich?" „Nein. Ich kenne nur einen Mann mit Holzbein. Woher hast du das?", wollte ich wissen. „Von Theo. Ein begnadeter Schnitzer! Bis heute sage ich ihm, er solle wie sein Vater dem Schreinerhandwerk nachgehen doch er ist lieber Wächter und beschützt Bella. Seit seine Frau und sein Kind tot sind beschützt er sie." „Und dann lässt er sie zu mir? Ein schlechter Beschützer.", bemerkte ich. „Sagt er auch. Also... wie geht es dir?", wollte er wissen. „Beschissen. Du wirst mir sagen, dass ich erblindet bin.", knurrte ich. „Nun sei doch nicht gleich so mutlos. Also...Schmerzen?" „Nein. Schon seit fünf Tagen nicht mehr." „Wie funktioniert das Kämpfen? Gleichgewicht?" „Ich habe neulich fünf von sechs Ratten getötet.", brummte ich. „Nun das klingt doch vielversprechend. Bella, wenn ich es geschafft habe, dass der Wolf wieder sieht, nachdem man ihm die vordersten vier Millimeter der Augen verbrannte, so kannst du mich einen gottgleichen Heiler nennen!", hörte ich Greno. „So viel Selbstverliebtheit steht dir nicht, Greno.", bemerkte sie. „Lass es mir doch! Dieses eine Mal im Leben... Bella, ich fand einst deinen Großvater halb tot liegend. Seine Gedärme verteilt vor ihm auf dem Boden und die ersten Fliegen fraßen an ihm. Seine Atmung schwach und ich flickte ihn wieder zusammen. Aber das hier... das wäre eine andere Sache.", grinste er. Ich schnaubte. „Lösch das Licht. Verschließ die Tür. Die leichte Glut im Kamin wird als Beleuchtung genügen. Wo ist ihre Schwester?" „Ich habe sie mit ihrem Geliebten fortgeschickt. Sollte es... nicht funktioniert haben will ich nicht, dass Ora das sieht.", erklärte sie. „Gut...", ich spürte Hände an den Seiten meiner Augenbinde. „Halt...", bemerkte Greno und nahm die Hände weg. Ich schluckte schwer. „Bella... du darfst ihn ihr abnehmen. Aber vorsichtig.", hörte ich ihn. Ich hörte Bella tief durchatmen und zu mir treten. Ich war aufgestanden und klammerte mich mit einer Hand fest an die Tischkannte. „Bereit?", hauchte Bella und ihre zarten Finger erreichten den Knoten an meinem Hinterkopf. „Ja, Liebste.", versprach ich und sie öffnete langsam den Doppelknoten. Sie atmete tief durch und auch mein Herz schlug aufgeregt. Hoffnung hatte ich kaum mehr. Langsam wich der Stoff und ich spürte die kühle Luft an meinen Augenlidern. Bella legte sanft ihre Hand an meine Wange und strich mit ihrem Daumen darüber. „Öffne die Augen, Liebste.", hauchte sie. Ich atmete tief durch und öffnete gehorsam meine Augen. Bellas wunderschönen blauen Augen schienen noch so viel schöner als sonst. Sie sah mich besorgt an. Ich legte meine Hand an ihre Wange. „Ich sehe dich.", hauchte ich und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Selbst im Halbdunkel sah ich ihre tiefen Augenringe. Welch Sorge hatte ich ihr bereitet... Schluchzend fiel sie mir um den Hals und ich nickte. „Ich bin ein Gott!", lachte Greno und kippte fast um. Und ich hielt mein Kätzchen, während ich Rakura schwor nun seine Welt in Brand zu setzen.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt