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Am Morgen war ich vom Schlaf gebeutelt. Es war mir vorgekommen wie tausend Stunden. Tausende Nächte in denen immer und immer wieder Venia in meinen Armen gestorben war. An meinen Lippen mit ihrem letzten Wunsch, dass mein Kuss das letzte war, was sie fühlen wollten. „Niala?" „Mmh?", verwirrt sah ich Ora an. „Alles gut?" „Albtraum... mehr nicht.", lächelte ich. Sie nickte. „Venia?" „Ja...", ich ließ mich auf einen Stuhl sinken. „Du bist keine lebende Gedenkstätte für Venia! Venias Tod war tragisch! Ja, viel zu jung musste sie gehen. Aber das ist nicht deine Schuld!" „Aber mein Herz gehö..." „Kennst du den Treueschwur der Menschen? Den dämonischen kenne ich nicht aber kennst du den Treueschwur der Menschen? Das Eheversprechen? Das der Pfarrer sagt, wenn er zwei traut? Was er sowohl Vater als auch Mutter sagte?", wollte sie wissen. „Nein.", brummte ich. „Er nimmt dem Paar einige Schwüre ab. Sich lieben und sich ehren. Bis der Tod sie scheidet. Das ist inbegriffen. Der Tod eines Partners entbindet den anderen von seinen Schwüren! Denn niemand kann verlangen danach nicht weiterzumachen! Und auch du musst weitermachen! Und hör verdammt noch mal auf mit diesen Schuldgefühlen! An Venias Tod trägst du keine Schuld! Im Gegenteil! Dir zu begegnen war das wohl Beste, was ihr passieren konnte! Ohne dich hätte sie einen Mann heiraten müssen. Sie stand nun mal auf Frauen und das konnte sie mit dir einfach ausleben. Mit einer Menschenfrau wäre es sehr, sehr schwierig geworden. Jetzt hör auf dir Vorwürfe zu machen! Du warst ihr großes Glück und es war ihre Entscheidung sich der Pest auszusetzen! Sie starb noch vergleichsweise schnell! Sie..." „Sie flehte mich und ihren Bruder an... wir würden es beendet. Sie bat mich, dass ich sie schnell töten würde. Aber wir konnten es nicht.", hauchte ich. Ora sah mich an und atmete tief durch. „Das ist... hart. Ja. Aber... Das ändert nichts daran, dass du unschuldig bist. Würde Venia wollen, dass du bis in alle Ewigkeit an ihr hängst?" „Venia kann keine Wünsche mehr äußern.", hauchte ich. Ora seufzte und packte mein Handgelenk. „Sie würde wünschen, dass du weiterlebst! Mitkommen.", befahl sie und zog mich mit sich hinaus.

Vor den Gräbern blieb sie stehen. „Das war dein Leben bevor du Venia trafst. Du hattest ein wundervolles Jahr mit ihr aber das ist vorbei. Sie ist tot und will, dass du weitermachst. Siehst du die Gräber? Weißt du, was Rakura uns alles antat? Träume nicht von Venia. Sie ist tot. Du musst dich anderem zuwenden. Aber sieh dir diese Gräber an. Vater, Loki, Mutter und dein ganzer Clan. Tot. Wieso? Weil ein Fremder kam und euch von heute auf morgen alle abgeschlachtet hat. Er hat dir dein Leben genommen. Du warst die Tochter des Wotan. Hattest Rang und Titel. Kraft und Mut. Hattest eine strahlende Zukunft. Solltest der stärkste Dämon werden der je lebte mit der schönsten Frau der Welt an deiner Seite. Und einfach so kam Rakura und tötete euch. Einfach so. Machte dich zu einem Nichts, deine Verlobte zu einer Hure und deinen Clan und deine Familie zu Leichen. Machte uns zu Waisen, Niala. Ich durfte Vater kaum kennen, da nahm man ihn mir. Und jetzt weinst du nur noch Venia nach. Einem Menschen, der an einer Menschenkrankheit starb. Wie tausende andere. Ja, Venia war dir wichtig und ich danke ihr tausendfach, dass sie dir das Herz geöffnet hat. Aber ganz ehrlich? Da sähe ich dein Herz lieber wieder aus Stein statt blutend. Auch hast du lange genug getrauert! Kämpfe! Sei wieder meine Schwester die ich kennengelernt habe! Kämpfe!", befahl Ora. Ich sah hin. Sah auf die Gräber. Ja, ich hatte Venia geliebt. Aber sie war tot und wollte mich sicher nicht halb tot sehen. „Bella hat mich gestern auf die Wange geküsst.", hauchte ich. Ora lächelte. „Konnte sie es doch nicht mehr aushalten... ja... als du bei ihr warst... also als du ohnmächtig warst, da hat sie dich immer in ihren Armen gehalten. Als ich zu ihr kam um dich zu holen... da lag sie mit dir auf einem Teppich vor dem Kamin. Hatte deinen Kopf auf ihren Schoß gebettet und mir hat es fast das Herz zerrissen, als ich dich mitnehmen sollte. Denn Bella zu sagen, du musst gehen, das schien mir als würde ich ihr das Herz brechen. Jeder Liebesschwur an Venia war ein Messer in Bellas Herz. Sie liebt dich über alles. Allein deine Nähe ist ihr Himmel.", erklärte sie. „Ich... wieso? Wieso tut sie sich sowas an..." „Weil sie dich liebt. Aus Liebe zu dir hat sie das alles getan. Im Wissen dich nie wieder zu sehen. Im Wissen, dass du ihre Liebe niemals erwiderst. Darum tat sie es. Und darum ist deine Nähe alles für sie. Aber... wieso erwähnst du das?", wollte sie wissen. „Weil... mein Herz einen Satz gemacht hat... aber auch geschmerzt hat." „Verstehe... Niala, ich glaube dein Herz will sich anderem zuwenden aber hängt noch an Venia.", bemerkte Ora. „Ich kann mich niemals lösen. Venia gehört mein Herz.", erklärte ich. Ora seufzte. „Gut. Ich weiß schon. Aber du wirst gegen Rakura ziehen, oder?" „Natürlich. Ich werde kämpfen. Angeblich hat Rakura zwei Männer gefangen. Die sollen uns wohl zu Nutzen kommen. Das kriegen wir schon hin und Bella... ist eine andere Geschichte.", hauchte ich und ging wieder hinein.

Zwei Wölfe... zwei Wölfe lagen in Ketten in Rakuras Burg... Sie mussten aus mehreren Gründen befreit werden. Es waren Wölfe und mir war beigebracht worden, dass der Clan egal war. Alle Wölfe waren ein Rudel! Außerdem war einer ein Schmied. Er könnte Luan weiteres beibringen. Der Sohn schien ein Kämpfer und wir brauchten wirklich dringend mehr Streitkräfte! Nebenbei wäre es mal eine Abwechslung wieder mit Wölfen zu trainieren. Sicher könnten sie uns auch wichtige Informationen geben. Ich sah hinauf zum Himmel. Morgen war Vollmond. Da konnte ich wieder in Ruhe jagen gehen.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt