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POV Bella

„Auf was genau soll ich spekulieren, Liebste? Frieden? Oder soll ich ihn an Ort und Stelle erstechen?", grinste sie. Wie sie grinste... als würde sie ihr Schwert auch nur in die Nähe Rakuras bekommen... „Ich wäre lieber für eine friedliche Lösung...", bemerkte ich. „Friedlich? FRIEDLICH? Bella... dieser Mann... du sahst die Kämpfe der letzten Tage, der letzten Wochen! Während ich hier auf Ora acht gab... Verflucht... Rakuras Männer überfallen immer öfter unsere Leute! Die letzten Kämpfe wurden blutiger und blutiger... Gefangene macht er selten. Und wenn er es tut finden wir ihre Einzelteile am nächsten Schlachtfeld." „Eben! Niala, sehnst du dich nicht auch nach Frieden?", wollte ich wissen und sie stockte. Ihr Blick glitt zu Boden. „Doch. Natürlich tue ich das! Seit Langem will ich Frieden! Mittlerweile ist es mir schon fast egal was aus Rakura wird. Ich will nur Ruhe. Ich will, dass Tiu, du, Ora und die anderen in Frieden hier Leben können... Aber Rakura wird es nicht zulassen.", hauchte sie und trank das Glas leer, dass sie sich gefüllt hatte. „Komm, gehen wir schlafen. Es ist spät und ich bin hundemüde. Und morgen müssen wir in aller Frühe losgehen.", erklärte sie und ging voran ins Schlafzimmer. Ich folgte ihr. Mir grauste es bereits vor der Begegnung mit Rakura.

Ich zitterte am ganzen Leib. Immer wieder erschauerte mein Körper von den Tränen, die ich nicht mehr vergießen konnte. Zu viel hatte ich bisher vergossen in den letzten beiden Tagen. „Bitte, Bella... ganz ruhig. Wenn du so zitterst kann ich es nicht zuschnüren.", bat das Mädchen hinter mir. Ich nickte und versuchte ruhig zu halten während sie mein Kleid verschnürte. Schwarz für die Trauerfeier. „Ah! Verzeih, dass ich ohne ein Klopfen eintrete, doch... Bella! Wunderschön, wie immer.", grinste er. Ich biss die Zähne zusammen und starrte ihn an. Seine Kleidung war schwarz mit dunkelgrünen Verzierungen. „Warum kleidest du dich..." „Ihr. Wir wollen doch beim Titel bleiben.", grinste er. Ich schluckte meine Wut her runter. „Wieso kleidet Ihr Euch schwarz, Herr? Ihr sagtet, Ihr nehmt nicht an der Beerdigung teil.", murmelte ich. So schwer war die Freiheit erkämpft worden... trotzdem musste ich ihn nun erneut so nennen. „Ich will beobachten! Und aus Respekt trage ich schwarz, kein heroisches Wams. Wenn sie dich sehen könnte...", grinste Rakura. Obwohl ich so viel bereits geweint hatte entkam mir eine weitere Träne. „Ich gehe ja schon. Brauchst du jemanden der dich führt, du bist so blass, du kippst ja gleich um! Arkyn!" „Nein! Nein, Herr... das ist nicht nötig.", versicherte ich und ging an ihm vorbei. Gerade als ich im Türrahmen neben ihm stand packte er mich und zog mich an seinen kalten Leib. „Keine Sorge, meine Kleine. Ich bin kein Monster. Deiner Braut hat nur viel Schaden in meinen Reihen angerichtet. Du wirst es gut machen. Das wird wohl bis morgen Abend dauern. Meine Armee ist groß und jeder will einmal. Danach gestatte ich dir dich zu waschen und dich frisch zu machen. Du darfst dir aussuchen wer dich danach enthauptet. Arkyn oder ich. Ich garantiere dir so oder so einen sauberen Schlag. Natürlich sieht man es Arkyn mehr an, seine Kraft aber..." „Ich weiß, Herr... Es ist mir einerlei durch wessen Hand ich sterbe.", hauchte ich und wand mich aus seinem Griff. Es war mir doch egal durch wen ich starb. Ich wollte nur noch zu Niala!

„Bella.", hauchte Elder und neigte leicht den Kopf. Ich ging an ihm vorbei in die Höhle, wo sie aufgebahrt lag. Auf Fichtenzweigen, das Schwert ihres Urahnen fest in den Händen auf sich. Sanft nahm ich ihre eiskalte Hand in meine. „Bella? Was wird nun geschehen?", hauchte Ora, ebenso in schwarz mit ihrem Kind im Arm. Ich hatte ihr verboten einzutreten, als sie Niala zusammengeflickt hatten. Nur, damit ihr Körper zusammenhielt. So viele Wunden hatte sie davongetragen. Ich hatte gar nicht sagen können welche genau sie niedergestreckt hatte. „Ich weiß es nicht genau... Aber Ora, wenn die Beerdigung vorbei ist nimm Tiu und lauf! Lauf über die Brücke! Lauf so weit du kannst!" „Wieso?" „Ora, du und Tiu... vor allem Tiu... Ora, dich will Rakura vielleicht als Hure für seine Männer. Dich niederstrecken oder vielleicht lässt er dich auch laufen. Aber Tiu... Tiu ist Wotans Erbe nach Niala! Rakura wird ihn nicht am Leben lassen!", erklärte ich und Ora hielt erschrocken fester ihr Kind in den Armen. Ich blickte Niala an. Wäre sie nicht so blass würde ich meinen, sie würde nur schlafen, jederzeit wieder aufstehen und mich in ihre Arme nehmen, ehe sie die letzten Tage ungeschehen machen würde. „Die Sonne geht unter. Beginnen wir?", hörte ich Elder. Ich nickte und er trat mit einigen unserer Männer ein, die Nialas Bahre hochhoben.

Ich begab mich zum Anfang des Fackelzuges. Hinter mir trugen sie Niala. Als ihre Witwe war es meine Aufgabe ihr den Weg zum Grab zu leuchten. Wir hatten verloren. Binnen eines Tages hatte er es geschafft unsere Existenz zu zerstören. Die Liebe meines Lebens zu töten. Langsam trat ich voran. Auf jeden Schritt bedacht zu den Gräbern ihrer Ahnen. Damit sie bei ihrer Mutter und ihrem Vater ruhen konnte. Jeder Schritt rief Erinnerungen hervor. Wie sie mich im Wald jagte, als wir praktisch noch Kinder waren. Wie wir uns vergnügten ohne einen Gedanken an ein Morgen zu verschwenden. Wie wir erschraken als unsere Eltern uns von der Verlobung erzählten. Wie wir uns liebten, dort im Wasser, und ich mich in Niala verliebte. Wie wir uns wiederfanden, nach all den Jahren. Wie ich sie wusch nachdem ich sie von Rakura freigeraten hatte. Wie sie mir ihre Liebe gestand. Wie sie mir den Antrag machte, den echten aus Liebe. Wie sie mich zu ihrer Frau machte und mir schwor mich für immer zu lieben. Und wie ich sie liebte. „Sollen wir sie zu Grabe tragen?", hörte ich Theo hinter mir. Ich nickte stumm und der Zug ging an mir vorbei, als ich vorm offenen Grab stand. Hinter dem Schleier meiner Tränen ließen die Liebe meines Lebens in ihr Erdgrab hinab. Theo sprach statt meiner die Zeremonie zu ihrer Beerdigung. Ich hatte keine Kraft zu sprechen. Den Geruch der verbrennenden Kräuter nahm ich kaum wahr. Nur die dunkelgrünen Augen der dürren Gestalt etwas Abseits und den Hünen dahinter erkannte ich. Doch auch dies war mir einerlei. Und was sie heute Nacht und morgen mit mir tun würden. Meinen Leben hatte geendet mit dem letzten Herzschlag meiner Liebsten. Theo sprach in den höchsten Tönen von ihr als gefallene Heldin. Doch mir war all das einerlei. Die Liebe meines Lebens war tot. Für alles andere war ich zu erschöpft. Mein Leben hatte mit dem ihren geendet. Mit der Zeit ging einer nach dem anderen. Elder müsste nun gehen und versuchen seine Frau und sein Kind möglichst schnell über die Grenze zu schleusen. Er selbst und alle anderen unserer Verbündeten würden mit mir hingerichtet werden. Ich blickte nur auf die Erde, die sie bedeckte. Mit der Nacht begann auch ein leichter Schneefall und begann ihr Grab zu bedecken. Tränen flossen heiß meine Wangen herab. Meine Kehle war noch wund, ich hatte geschrien stundenlang als man mir ihre Leiche gebracht hatte. Ein warmer, wollender Umhang legte sich um meine Schultern und ich schloss verzweifelt meine Augen. Seine Arme ruhten auf meinen Schultern. „Es wird Zeit.", raunte mir Rakura ins Ohr und zog mich zurück.

Keuchend richtete ich mich im Bett auf. Schweißgebadet und Tränen liefen meine Augen herunter. Vom Ruck war Niala neben mir aufgewacht und sie blinzelte mich müde an. „Bella... was... was ist denn geschehen?", hauchte sie. Ich blickte sie an und warf mich in ihre Arme. „Bitte... bitte rede mit Rakura über Frieden! Frieden! Bitte! Ich flehe dich an!", wimmerte ich. Niala blickte verwirrt auf mich herab, bis sie nickte. „Gut...", hauchte sie und hielt mich fest und sicher. Sie durfte nicht sterben!

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt