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Edmund wurde immer wieder für einen Moment ohnmächtig während ich ihn führte. Ich schleppte ihn zu seiner Hütte und pochte an Kesters Tür. Sofort ging sie auf, als hätte er auf uns gelauert, und starrte mich panisch an. „Wolf... Edmund sagte mir, was er... was er tun will... er sieht besiegt aus... bitte, lass ihn hier bleiben er..." „Alles ist gut, Kester. Ich habe Edmund zum Sieger erklärt. Bringen wir ihn erst einmal hinein.", lächelte ich und packte die Arme des Jungen, Kester seine Beine und wir trugen ihn in sein Bett.

Ich hatte noch einige Phiolen Schmerzmittel geholt, die Bella mir überlassen hatte. Die flößte ich Edmund ein. Als er in den Halbschlaf dämmerte und ich selbst, als ich an seinem gebrochenem Bein rüttelte keine Reaktion von ihm bekam, begannen ich und Kester seine Knochen zu richten. Es ging einfacher als erwartet. Am Ende ließen wir ihn schlafen. Er atmete und musste nun nur zusammen heilen. „Er ist stark, Kester. Dein Sohn ist stark." „Ich danke dir. Hat er... hat er dich wirklich besiegt." „Nein. Natürlich nicht. Ich schlug ihn direkt zu Anfang nieder. Keine zwei Minuten und er war am Ende. Ich dachte, so ein armseliger Wurm wird meine Schwester nie wieder anfassen. Wusstest du es, Kester?" „Ja. Er vertraute sich mir vor zwei Tagen an. Er darf sich Ora nicht mehr nähern?" „Doch. Erst dachte ich, er ist armselig. Kann nach zwei Schlägen schon nicht mehr. Ich wollte ihm die Kehle durchschneiden, damit es zumindest schnell geht. Aber er kroch weiter. Er stand immer wieder auf. Ich schlug ihn nieder und er stand wieder auf. Immer und immer wieder. So kräftig ich ihn nieder schlug. Egal wie groß die Schmerzen waren. Er stand wieder auf. Egal wie sehr es ihn schmerzte, der Gedanke daran meine Schwester nie mehr wiederzusehen ließ ihn aufstehen. Kester, er ist nicht der Stärkste im Clan. Mit Sicherheit auch nicht der Klügste. Aber für Ora ist er mutig. Er liebt meine Schwester und wird sein Leben für sie geben, wenn nötig. Er wird ihr keinen Schmerz zufügen. So gestatte ich es ihm.", erklärte ich. „Vorerst.", fügte ich hinzu. „Ich gehe nun mal hinüber und sage es Ora.", brummte ich und ging. Ora würde nicht begeistert sein, dass ich Edmund so zugerichtet hatte. Aber sie bekamen ja ihren Willen.

„Ora?", ich klopfte an ihre Tür. „Geh weg!", weinte sie drinnen. Ich seufzte. „Lass mich rein oder ich trete die Tür ein!", brummte ich. „Geh weg!", wiederholte sie. Ich seufzte und trat mit aller Kraft gegen die Tür. Der Riegel innen gab nach und brach. „Geh weg!", sofort flog mir ein Kissen entgegen, was mir allerdings herzlich wenig ausmachte. Ich schloss die Tür wieder und schritt über die Bruchstücke des Riegels zu ihrem Bett. „Ora...", ich trat zu ihr. Sie lag in ihrem Bett und hatte das Gesicht in einem Kissen vergraben. „Du hast ihm was angetan!", wimmerte sie. „Das stimmt. Edmund kam zu mir und hat mich herausgefordert. Er gegen mich. Gewinnt er, gestatte ich das... gewinne ich, so wird er gehen.", erkläre ich. Ora schrie ihre Trauer in das Kissen und ich lachte auf. „Du hast ja keine großen Erwartungen von den Kampfkünsten deines Geliebten.", bemerkte ich. Überrascht sah sie mich an. Ihr verweintes Gesicht schmerzte mir im Herz. „Er... er hat gewonnen?" „Oh nein. Verloren.", grinste ich. Ora schluchzte. „Aber...", ich setzte mich an die Bettkannte und legte meine Hand auf ihren Kopf. Verdammt... das ganze Bett roch nach ihm! „Ich wollte ihn teils wirklich töten. Aber er hat mich beeindruckt. Ich habe ihm die Knochen zertrümmert. Ihm Schmerz zugefügt. Bluten lassen. Und er ist immer wieder aufgestanden. Er rannte nicht. Er blieb da und kämpfte. Weil er lieber sterben wollte als ohne dich zu leben. Ora, es fällt mir nicht leicht dich gehen zu lassen. Aber genau so einen Mann wünsche ich mir für dich. Jemanden, der immer für dich da sein wird. Jeder kann sich Muskeln antrainieren. Jeder kann Bücher wälzen. Aber Edmund hat ein gutes Herz und Mut. Das kann man weder lernen noch trainieren. Er ist gut zu dir... und wenn du deine ersten Erfahrungen an ihm machst...", ich seufzte. „Aber lass ihn nicht gleich alles, kleine Schwester. Bella ließ gleich alles zu und schau, für wie selbstverständlich ich sie nehme.", grinste ich. Ora sah mich überrascht an. „Ich... ich darf mit Edmund zusammen sein?" „Ja... Ich werde euch nicht im Weg stehen.", brummte ich. Ora fiel mir um den Hals und schluchzte. Ich hielt sie fest. „Danke, Niala! Danke! Und ich hab dich lieb! Egal, wer kommen wird, du bleibst immer meine große Schwester.", hauchte sie. Ich drückte Ora enger an mich. „Lebt Edmund?" „Natürlich, kleine Schwester. Ich hätte ihn wohl am Ende auch nicht umgebracht... wenn ich mich nicht irre habe ich, denke ich, auch Bella gesagt, dass ich ihn nicht umbringe... Glück gehabt, dass ich es nicht getan habe... Aber er ist gut zu dir. Sollte er allerdings jemals etwas sagen, tun, verlangen oder irgendetwas in irgendeiner Art und Weise tun, was dir unangenehm ist, dann..." „Hole ich dich. Versprochen.", lächelte Ora und vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter. „Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Es fällt mir schwer... das alles... Aber... wenn er dich anständig behandelt... ich gestatte es. Vorerst.", brummte ich und sah auf Ora herab. Ein sanftes Lächeln laug auf den Lippen meiner kleinen Schwester. Wenn Edmund sie glücklich machte... wie könnte ich dann dagegen sein. Doch wäre er der Grund für auch nur eine Träne meiner Schwester, so würde ich ihn bluten lassen!

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt