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„Ich wünsche einen guten Abend.", hörte ich und blickte Vera an. Sie trug einen dunkelblauen, grünlich schimmernden Mantel und leichte Plattenrüstung aus dünnem Leder. „Ich sehe, du bist bereit für den Krieg." „Das bin ich. Bella.", Vera beugte leicht den Kopf und Bella tat es ihr gleich. „Vera! Es ist mir eine Freude dich wieder zu sehen!", lächelte Ingrim und zog Vera gleich in seine Arme. „Ingrim, wie schön dich gesund und munter zu sehen. Nun...", Vera schritt zum Tisch und griff in ihre Tasche. „Ich sehe noch keinem von uns wurde der Kopf abgeschlagen und Wolf, mir ist auch zu Ohren gekommen, was für einen Trumpf wir mit dir in der Tasche haben! Das an deinem Gürtel, das ist doch ein Dämonenschwert, nicht wahr?", lächelte sie und deutete auf mein Schwert. Ich nickte. „Das ist es." „Ein Trumpf? Wie kommt es, dass du das Schwert ziehen kannst?" „Ingrim, so schlecht informiert kenne ich dich gar nicht! Niala hat sich als Feuererscheinung gezeigt und hätte beinahe Arkyn zerrissen.", erklärte Vera. Ingrim sah mich überrascht an. „Eine Feuererscheinung?" „Ja." „Dann ist der Krieg doch gewonnen!", grinste er. „Mach es dir nicht zu leicht. So leicht wird es nicht. Nun denn... ich habe hier etwas dabei...", sie zog eine Schriftrolle aus der Tasche und öffnete sie. Es waren gleich vier Karten zusammen gerollt. Vera legte sie auf dem Tisch zusammen. Auch zog sie ein Säckchen mit Figuren. „Anders als ihr Wölfe und Katzen, die ihr doch höhere Dämonen seid und alles unter euch zermalmen konntet, mussten wir uns von jeher auf Taktik verlassen. Einen Kahlschlag allein aus Kraft können wir Rakura nicht gegenüberstellen. Er erschlägt uns... Aber ich habe meine Beziehungen spielen lassen. Die, die mir fehlen werden wohl von dir, Ingrim und von dir, Mortalestochter kommen können. Also...", sie stellte die Figuren auf. Mittlerweile hatten sich aus den vier Karten eine recht umfassende gezeigt. Sie stellte einen grob geschnitzten Wolf auf mein Lager. Eine Katze auf Bellas, nahe bei meinem. Einen Fuchs auf Ingrims Lager im Westen. Einen Fisch in den Osten auf ihr Lager und ebenso einen Hirsch. Eine Schlange recht mittig auf Rakuras Burg und ein Wildschwein. „So... ich habe hier ein paar Holzmünzen. Die schwarzen stellen Rakuras Armeen da. Die weißen stellen uns dar. Also... Hier hat sich Rakuras Armee im Augenblick stationiert. Meine jüngste Schwester arbeitet dort in einem Lazarett. Ich sendete mit Sicherheit schon tausend Briefe, er solle sie mir zurückschicken! Aber nun unterwarf ich mich dir!", sie seufzte. „Ich hoffe er sendet mir zumindest ihren Leichnam, damit ich sie beerdigen kann.", erklärte Vera. Ich stand auf und trat zu ihr. „Deine Schwester befindet sich in Rakuras Gewalt? Weißt du, wo sie ist? Wir holen sie und..." „Nein, nein. Wolf, du hast ein viel zu romantisches Bild vom Krieg. Meine Schwester ist bereits tot, davon ist auszugehen. Nun gut leben und leben lassen ist die Devise. Ich verabschiedete mich von ihr, als sie ging. Ob sie nun durch einen Pfeil eines Gegners stirbt oder durch einen von Rakuras Henkern ist mir einerlei und Rakura weiß das. Ich lasse nicht zu, dass er mir drohen kann. Alle Briefe Rakuras erhält meine rechte Hand. Wenn irgendwo etwas davon steht, dass er meine Schwester doch noch nicht getötet hat und sie quält, kehre ich nicht zurück auf seine Seite, so erfährt er es. Und er stand ihr kaum nahe. Am Ende muss es so sein." „Wie kannst du so über deine Schwester sprechen? Dein eigen Fleisch und Blut!" „Wolf, du hast eine Schwester, nicht wahr?" „Ja. Eine Jüngere." „Dann kannst du dir vielleicht denken, in wie weit mein gesamter Clan hat leiden müssen, damit ich ihren Tod und ihre Qualen in Kauf nehme. Nun denn... ich hätte einen Vorschlag zu machen. Wie wir in diesem Krieg einen entscheidenden Vorteil erhalten würden!" „Sprich.", forderte ich. Ihre eigene Schwester so ans Messer zu liefern... was müsste man mir alles antun, damit ich das zulassen würde? Ich setzte mich und Bella, die wie immer genau wusste was in mir vorging, legte beruhigend ihre Hand auf mein Knie. Ich legte meine Hand auf ihre und ihr Daumen strich über meinen Handrücken. Sie kannte mich so gut. „Rakura hat eine unglaubliche Kampfkraft und beängstigend perfekte Angriffsstrategien. Ihm im offenen Kampf Heer gegen Heer auf dem Feld zu begegnen ist schwer und unmöglich. Es würde dann nur noch um die Zahl der Soldaten gehen und da sollten wir uns besser nicht mit Rakura messen. Mein Vorschlag wäre es in die Verteidigung zu gehen. Richtig in die Verteidigung. So, wie Rakura es noch nie sah!", verkündete Vera. „Rakura sah schon alles! Er ist ein erfahrener Kriegsherr!" „Ein dämonischer Kriegsherr! Wir brauchen etwas neues. Etwas, das wir hier nicht kennen!" „Wir können uns keine neuen Verteidigungsanlagen aus den Fingern ziehen! Oder hast du spontan hundert Ideen?" „Nein. Nicht eine. Wir sind auch darauf nicht ausgelegt. Wir Dämonen sind seit jeher nicht diejenigen, die sich groß in Stahlrüstungen kleiden und hinter hohen Mauern verschanzen. Aber Rakuras Burg... er machte es uns doch vor.", verkündete sie. Langsam wurde mir gewahr, auf was sie hinauswollte und ich spannte mich an. „Dass wir Hilfe brauchen ist klar. Und die werden wir erhalten, ansonsten ist es uns ein leichtes ein Massaker anzurichten! Es kostet uns vielleicht einen Tag! Und wir haben doch den perfekten Kandidaten für den Weg, wenn die Geschichten wahr sind." „Vera. Sprich im Klaren!" „Gut, Ingrim. Wer sind denn die, die bei jedem Schnitt eine Infektion fürchten müssen? Die wegen jeder Kleinigkeit das Leben lassen könnten. Wer muss riesige, uns fremde Maschinen bauen, um steinerne Burgen zu erklimmen? Wer scheut das Feuer und wird gleichzeitig davon angezogen? Wer zittert vor einem Husten?", grinste Vera. Ich spannte mich an. „Vera, von was sprichst du?", wollte Bella wissen. Ich starrte die Fischdämonin an. „Von den Menschen. Sie will Hilfe bei den Menschen holen. Nicht wahr, Vera?" „Genau, Wolf. Und du warst es doch, die damals des öfteren hinüber schlüpfte. Der Wolf, einst Grenzwächter, schlich selbst hinüber ins Bett einer Menschenfrau! Oder irre ich mich?", grinste Vera. Bella sprang auf. „Hüte deine Zunge, Vera!", zischte sie. Die Fischdämonin hob abwehrend die Hände. „Lüge ich?", grinste sie. Ich biss die Zähne zusammen. „Was sollen die Menschen uns helfen? Sie nützen uns nichts! Sollen sie solange auf Rakuras Armee rennen, bis sie einen Wall aus Leichen bilden?" „Nun dazu bringen wir sie wohl kaum, so dumm sie auch sind. Aber sie haben beeindruckende Kriegsmaschinerie, hörte ich! Damit könnten wir vielleicht sogar hinauf in die Lager der Geier! Zu verlieren haben wir nichts, denn..." „Unsere Ehre können wir verlieren! Wenn wir uns auf die Hilfe der Menschen verlassen müssen.", knurrte ich. „Des Weiteren lasse ich sie nicht in die Menschenwelt gehen! Zu viel tat sie uns an!" „Bella, ich verstehe deine Bedenken. Allerdings kennt der Wolf sich drüben aus. Hast du noch Kontakte zu Menschen?", wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Ich kannte meine damalige Geliebte, Venia. Sie starb an der Pest. Ihr Bruder, ein Graf, brachte sich daraufhin um. Ein Ritter, der sie liebte, zog in einen Krieg und fiel dort soviel ich hörte. Also... ich kenne dort niemanden mehr. Aller höchstens noch Venias Mutter doch hat sie keinen Zugriff dazu und wird mich davonjagen.", erklärte ich. Vera schnaubte. „Pff... lässt sich von Menschen davonjagen. Eine feine Verlobte, hast du da, Be..." „Es ist nicht deine Sache, Vera. Nun bitte, was sollen wir deiner Meinung nach tun?", wollte sie wissen. „Ich schlage vor zu dritt zu gehen. Ich, denn ich weiß ungefähr was wir brauchen, Niala und Ingrim, da wir doch besser einen Mann dabei haben. Oder irre ich mich? Wolf, ist es denn nicht so, dass bei den Menschen Männer regieren?" „Ja." „Die machen es richtig.", grinste Ingrim. „Ruhe, Fuchs oder ich schenke Bella einen roten Pelz zur Ehe.", bemerkte ich ruhig und sofort schwieg der Fuchs. „Wieso wir drei? Wieso nicht du allein?" „Weil du der Kopf der Sache bist. Dich kennt man drüben schon. Du bist der Grenzwächter, das entspringt deinem Blute. Ingrim ist als Mann dabei, dass die Menschen von Natur aus Respekt haben. Sonst müssten wir ein kleines Blutbad anrichten, was ja wohl nicht zwingend nötig ist. Außerdem sehe ich Ingrim doch an, dass er vor Neugier platzt. Weder ich noch er waren je auf Menschenseite. Bella, warst du schon mal?" „Ja. Habe sogar eine Nacht drüben verbracht.", erklärte Bella. Ich seufzte. „Was sagst du dazu?", wollte ich wissen und blickte meine Verlobte an. Bella sah mich an. Sie wollte nicht aber wir beide wussten, dass es uns in eine bessere Position bringe würde. „Gut. Geh.", verkündete sie. Ich nickte. „Wir brechen morgen auf. Vera, brauchst du einen Schafplatz?" „Nein. Während wir hier diskutierten und planten bauten meine Leute draußen nahe des Flusses ein Feldlager." „Beim Fluss?" „So stehen wir zwischen deinem Lager und dem Fluss. Sicherer kann es gar nicht sein! Nun gut. Also bei Sonnenaufgang marschieren wir los. Zieht euch alle anständig an." „Bin ich nicht anständig angezogen?", grinste Ingrim und blickte auf sein Wams. „Ingrim du bist wie immer der schönste Mann weit und breit.", lächelte Vera in leicht süffisantem Ton, doch Ingrim grinste zufrieden. Er und Vera schienen also alte Freunde zu sein, so wie sie sich benahmen. „Ich habe etwas für dich. Luan ist mit einer Rüstung für dich fertig.", hauchte mir Bella ins Ohr. „Ich brauche keine..." „Nur für die Optik. Damit du auch aussiehst wie ein Kriegsherr!", hauchte sie. Ich nickte. Vera stand auf. „Dann verabschiede ich mich einmal. Ich wünsche eine gute Nacht.", Vera verbeugte sich leicht und schritt zur Tür. Ingrim stand auf. „Vera, warte doch. Wir sahen uns schon eine Weile nicht mehr. Trinken wir doch noch einen zusammen.", bat er, verbeugte sich ebenso leicht und folgte Vera hinaus. Ich blickte Bella an. Vor uns die Karte mit den Figuren und voll schwarzer Holzstückchen. „Können wir überhaupt siegen?", wollte ich wissen. Bella nickte. „Hättest du mich vor einem Monat gefragt, ich hätte nein gesagt. Aber du, Liebste... wir können es schaffen! Und morgen wirst du die Menschen auf unsere Seite ziehen. Aber... bitte... verlieb dich nicht...", bat sie. Ich lächelte, nahm ihre Hand in meine und küsste den Ring daran. „Keine Menschenfrau sehe ich mehr, wenn die schönste Frau der Welt mein Herz in ihren Händen hält.", versprach ich und hauchte ihr noch einen Kuss auf die Lippen. Bella lehnte sich an mich und ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Es würde schon gut gehen.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt