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POV Bella

Ich sah ihr nach als sie in Wolfsgestalt in den Wald rannte. Ich ließ sie laufen, denn ihre Augen waren rot. Sie war verflucht wütend und ich würde sie erst mal abkühlen lassen. Aber nicht zu lange, sonst würde sie an ihren eigenen Gedanken verzweifeln. „Bella... es tut mir leid! Ich... wir haben euch nicht so früh zurück erwartet und...", kam Ora zu mir. „Ganz ruhig. Was ist denn überhaupt passiert?", wollte ich wissen. „Ach... ich und Edmund hatten grade... naja er hat eben die letzten Tage bei mir geschlafen. Und gerade wollte er los weil er Kester helfen wollte. Er ist dann los und mit offenem Hemd vor meiner Tür gegen Niala gestoßen. Ich lag ja noch im Bett...", erklärte sie. „Ach verdammt... ja... sie ist wütend..." „Das tut mir so leid! Ich wusste, dass sie wegen Ed ausrasten würde... ich hätte mehr aufpassen sollen." „Ach was. Ihr seid jung. Ich kümmere mich schon darum." „Aber ihr habt euch jetzt wegen uns gestritten... wenn... wenn ihr euch jetzt wegen dem trennt... weil sie so wütend ist...", stotterte sie. „Ach was... Niala und ich haben schon Schlimmeres durchgemacht." „Aber du hast sie angelogen und jetzt ist sie wütend und..." „Deshalb ist sie doch nicht wütend. Sie wird mich anhören und mich dann verstehen. Es... mach dir wegen mir keine Sorgen. Wirklich. Dass Niala sich von mir trennt ist die letzte Angst, die ich habe. Das macht unsere Beziehung mit aus. Dass wir einander sicher sein können. Wir wissen, dass der andere immer da ist. So können wir uns in aller Ruhe dem Krieg widmen. Deine Schwester ist auch gar nicht wütend darauf, dass ich ihr das verheimlicht habe. Gut, es war nicht richtig von mir aber das ist nicht ihr Hauptproblem. Sie ist auch nicht auf dich oder Edmund wütend... es ist schwierig." „Warum ist sie denn dann so wütend?", wollte sie wissen. Ich lächelte und legte sanft meine Hand an Oras Wange. „Weil du eine Frau geworden bist, Ora. Du bist kein kleines Mädchen mehr. Und damit kommt Niala nicht zurecht. Du bist ihre kleine Schwester und jetzt plötzlich hast du einen Freund und schläfst mit ihm. Du führst mit ihm eine erwachsene Beziehung. Damit kommt Niala nicht zurecht. Dass du nun quasi komplett erwachsen bist. Natürlich warst du auch vor Edmund schon erwachsen. Aber jetzt hat er dir die Unschuld genommen und damit kommt Niala nicht zurecht. Sie will ihr kleines Schwesterchen nicht verlieren. Das ist alles. Sie hat Angst, dich zu verlieren und will nicht, dass du erwachsen wirst.", erklärte ich. Ora sah mich panisch an. „Und... und Edmund?" „Bleib erst mal in der Höhle. Edmund soll bei Kester bleiben.", erklärte ich und sah zum Wald. „Ich werde ihr wohl nachgehen.", seufzte ich und ging zum Wald. Auf dem Weg ging ich in animalische Gestalt und folgte ihr. Ihrem Geruch zu folgen war kein Problem. Ihrem Geruch konnte ich bis zum Ende der Welt folgen.

Ein Hirsch war wohl zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und lag tot und mit zerbissenem Genick auf dem Boden. Niala saß, in menschlicher Gestalt, einige Meter entfernt auf einem Felsen und starrte den Hang hinab auf die Bäume. „Niala, alles in Ordnung?", wollte ich wissen. „Pah... Nein. Nichts ist in Ordnung! Meine Geliebte hintergeht mich und der Mistkerl, den ich aufgenommen habe fickt meine Schwester.", knurrte sie. Ich seufzte und trat näher. „Niala, du reagierst über." „Nein! Ich rege mich auf, weil du mich verrätst! Weil sie hinter meinem Rücken... und du deckst sie noch!", brüllte sie, sah mich aber nicht einmal an. „Niala... bitte... du weißt genau, warum ich sie versteckt habe. Genau weil du SO reagierst. Ora ist doch auch nicht aus Stein. Und Edmund auch nicht. Sie lieben einander. Wirklich." „Ach? Und weil er sie so sehr liebt hat er auch die Beziehung öffentlich gemacht statt sie ihm geheimen zu vögeln.", knurrte sie. „Niala... Ora bat ihn es geheim zu halten. Ginge es nach ihm, hätte er dich sogar um Erlaubnis gebeten. Aber...", ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um sie. Sie gestattete es. „Aber beruhige dich doch. Edmund ist wirklich ein guter Mann. Er würde nie etwas tun, was Ora verletzen würde. Niala, sieh mich an.", bat ich und drehte ihr Kinn zu mir, damit sie mich ansehen musste. Ihr Blick zeigte weniger Wut als Verzweiflung. „Sie kam zu mir, als sie nicht weiter wusste. Sie wollte das mit ihm. Sie ergriff die Initiative. Edmund drängte sie zu nichts. Und ich habe ihnen angesehen, dass sie sich sehr gern haben. Weist du, Niala, Ora ist mir auch nicht egal. Denkst du, ich hätte sie irgendeinem Idioten überlassen? Sicher nicht. Ich kenne mich mit schlechten Männern aus. Und glaube mir, Edmund ist keiner davon." „Sie... Er darf ihr nicht weh tun, Bella. Er darf sie nicht verlassen. Er muss sie beschützen er... er...", sie atmete tief durch. „Er darf ihr nicht so weh tun, wie ich dir weh getan habe.", hauchte sie. Ich presste die Lippen zusammen. Da lag also das Problem. Niala hatte mir Schmerz zugefügt ohne es gewusst zu haben. Nun fürchtete sie, dass Edmund dasselbe tun würde und Ora denselben Schmerz erleiden würde. Den Schmerz verlassen zu werden. „Er ist nicht wie du. Und unsere Situation... das war damals eine große Außergewöhnlichkeit. Niala, er wird gut zu Ora sein. Und wenn nicht, dann wird es schon wieder. Ora wird schon jemand neuen finden oder nicht, wie sie will." „Was soll ich denn jetzt machen?", wollte sie wissen. „Ganz einfach, Liebste. Sei für sie da. Lasse das zwischen den beiden zu. Und wenn Edmund etwas dummes tut, dann kannst du ihn immer noch häuten. Aber sei vorerst für Ora da. Wenn sie Rat sucht, zeige ihr, dass sie damit zu dir kommen kann. Wenn etwas ist, so sei für sie da. Sie ist immer noch deine kleine Schwester und wird es immer bleiben. Und... mir tut es leid, dass ich dich hintergangen habe.", erklärte ich. Sie nickte. „Du hast recht und... Eigentlich hast du mich kaum hintergangen... ich verstehe es ja...", brummte sie. „Na siehst du? Niala, reiß Edmund nicht gleich den Kopf ab." „Er ist feige... er hätte zu mir kommen müssen...", knurrte sie. „Naja... eigentlich braucht Ora deine Erlaubnis nicht. Ich weiß, du hörst das nicht gerne, aber es ist Oras Leben.", bemerkte ich. Sie seufzte. „Ich weiß... aber... aber...", sie sah mich verzweifelt an. „Ora ist doch noch viel zu jung für sowas!", ich lachte auf und strich ihr durchs Haar. „Ach Niala... wie alt waren wir? 15? Ora ist 19 Jahre alt. Als wir in ihrem Alter waren, hatten wir schon eine gelöste Verlobung hinter uns. Ora ist alt genug und auch Edmund. Ganz ehrlich? Teils habe ich schon überlegt, ob ich Ora jemandem vorstelle. Theo zum Beispiel. Die vertrugen sich immer." „Ist Theo nicht doppelt so alt wie sie?" „Ist doch bei uns Dämonen egal. Wer weiß wie alt Rakura ist und seine Verlobte. ABER Edmund ist doch nett. Und er sieht gut aus." „Pah!" „Oh doch. Das musst sogar du zugeben. Und besser als dieser Erik ist Edmund doch allemal." „DAS ist wahr." „Na siehst du? Komm. Gehen wir heim, trinken etwas und wir beide ruhen uns aus. Wir hatten eine harte Reise. Trinken wir noch ein paar Flaschen auf deinem Zimmer und mal sehen, was der Abend noch so bringt.", lächelte ich und ergriff ihre Hand, ehe ich sie zurück zum Dorf führte. Ich spürte, wie Niala sich beruhigte. Sie war noch angespannt aber beruhigte sie sich langsam. Ein paar Flaschen noch und gut wäre es.

Das süße Gift: Dämonisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt