01 | loyal friends

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JULIA
september 2019, age 18

Angst.

Sie ist das grundlegendste und menschlichste Gefühl.

Als Kinder haben wir vor allem Möglichen Angst.

Vor der Dunkelheit... Vor den Monstern unterm Bett...

Wir beten, dass der Morgen kommt und die Monster verschwinden.

Doch das tun sie nie. Nicht wirklich.

Manchmal werden die Ängste, die uns schon als Kinder begleitet haben, mit uns gemeinsam größer.

Sie kauern um uns. Sie ziehen sich fest um unser Inneres und lassen uns nie wieder los...

Auch ich hatte ständig Angst.

Seit achtzehn Jahren kam es mir ständig so vor, als ob mein Leben gar nicht mir selbst galt, sondern vielleicht eher meiner Schwester oder meiner besten Freundin. Es machte ein wenig den Anschein, dass ich bloß eine einfache Statistin im Hintergrund darstellen sollte.

Stumm stellte ich mir nun die Frage, ob das für mich immer noch in Ordnung war. Denn die Worte von Tamara, meiner besten Freundin, schallten jetzt schon durch meinen Schädel: »Das alles ist Jahre her. Genieß lieber dein letztes Jahr bei uns und stress dich nicht immer so.«

Schule. Schule war wichtig, wenn nicht sogar das wichtigste im Leben eines Teenagers. Die Schule würde unsere ganze spätere Laufbahn bestimmen und formen. Jedoch ging es Tamara nie hauptsächlich um schulische Leistungen.

Während ich nach dem Sinn des Teenager-Abschnitts suchte, hinterfragte sie nichts. Sie genoss bloß das hier und jetzt.

Was genau war dann also der Sinn, wenn ich beispielsweise nicht jene Kleidung kaufte, die ich so unerbittlich tragen wollte, da sie an allen anderen makellos aussahen, hingegen an mir wie eine aufgesetzte Fassade, die meine Ängste von weiteren Zusammenstürzen verdrängte oder ich es mir einfach nicht wie vieles andere leisten konnte?

Was genau war der Sinn, wenn ich nicht jenen Moment genoss, der jede Sekunde drohte, zu verblassen und eine Leere in mir hinterließen würde, genauso wie damals?

Meine Mom sagte immer, jeder Schatten entstand, um die Vergangenheit in die nächste Abteilung zu verschieben, nicht um sie vollständig los zu werden. Sie würde einen genauso wie ein Schatten still folgen, zwischenzeitlich präsent sein und zu anderen Zeitpunkten dann doch von der Dunkelheit verschluckt zu werden...

War der Sinn etwa genau das hier? Das ständige Grübeln und Flehen nach einer anständigen Antwort, die genauso unnahbar ist, wie Prominente in Los Angeles?

»Hey, Freak!«, rief eine Stimme aus der Entfernung.

Ich erschreckte mich und zuckte zusammen.

Wartend stand ich vor meinem Wohnhaus, hob den Kopf und entdeckte meine beste Freundin, wie sie den Gehweg entlang spazierte. Mit einem ehrlichen Lächeln schnappte ich mir meinen Rucksack, schulterte ihn und verscheuchte meine ganzen melodramatischen Gedanken.

Tamara sah fabelhaft aus. Sie trug eine hautenge, schwarze Jeans, ein weißes T-Shirt und darüber eine schwarze Jeansjacke. Ihre Figur war trotz den ganzen Wochen, in denen sie von ihrer Tante bekocht wurde, genauso schlank wie davor.

Wie schaffst du das bloß?

Sie stürzte mit offenen Armen auf mich zu. »Jules! Ich hab dich so vermisst«, quiekte sie und umarmte mich kräftig.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt