82 | no help

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JULIA

Es war schon spät in der Nacht, als ich aufgeschreckt, aber nicht aufgeweckt wurde. Die Stunden zuvor lag ich wach auf dem Sofa und starrte in die Dunkelheit hinein.

Naveens Schreie schnürten mir die Kehle zu.

Ich hätte es wissen müssen. Dennoch zog ich mich zurück. Nichts hätte mich mehr um den Verstand bringen können, als Naveen leiden zu hören. Also warum zur Hölle tat ich mir das an? Ich hätte von Anfang an bei ihm im Bett schlafen sollen.

Trotz allem, was gestern passiert war, konnte ich nichts gegen meine Füße unternehmen, denn diese sprangen sofort auf und sprinteten zu seinem Schlafzimmer.

Ich schaltete keins der Lichter an, als ich mich zu ihm ins Bett legte. Ich redete lediglich leise auf ihn ein und strich ihm durchs Haar. »Ich bin hier, Naveen. Ich bin hier.«

Sein Wimmern verstummte nach und nach. Irgendwann krallte er sich in mein Shirt und vergrub sein Gesicht in meine Halsbeuge. »Ich kann nicht«, wisperte er, doch ich wusste, dass er immer noch schlief.

»Schhh.« Weinend rieb ich seinen Rücken. »Es ist okay.« Ich hatte mir bisher noch nie in meinem Leben so dringend gewünscht, dass ich einer anderen Person ihr Leid nehmen könnte, wie in dieser Sekunde.

• • •

Am nächsten Morgen wurde ich durch die lauten Geräusche aus dem Badezimmer geweckt.

Ich rieb mir meine geschwollenen Augen und streckte meine Glieder, bevor ich mich aufrecht hinsetzte. Ein Blick neben mich verriet mir, dass es Naveen sein musste, der sich gerade im Badezimmer mehrfach übergab. Seine Bettseite war leer. Meine Hand fuhr über die kalte Stelle, die mir klar machte, dass er schon vor längerer Zeit aufgestanden war.

Nach jedem Husten und Spucken zuckte ich zusammen. Mir wurde genauso schlecht.

Es vergingen weitere fünf Minuten. Naveen betrat sein Schlafzimmer, bekleidet in den selben Klamotten wie gestern Abend und mit einem Gesichtsausdruck, der meinen Magen drehte. »Fuck, du bist immer noch hier?«, fragte er rau, als hätte er in der Nacht nicht einmal mitbekommen, dass ich neben ihm schlief.

»Ja«, entgegnete ich genauso rau. »Ich wollte sicher gehen, dass du–«

Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, während er frustriert schnaubte. »Du solltest gehen.«

Ich kletterte vom Bett und stellte mich vor ihn. »Naveen, ich habe mir die ganze Nacht Sorgen gemacht! Du kannst mich doch jetzt nicht einfach wegschicken, ohne mir endlich zu erklären, was das gestern war!«

»Ich wüsste nicht, was es da noch zu erklären gibt«, antwortete er trocken. »Gestern hab ich mich so enorm besäuft wie seit Jahren nicht mehr. Du hast mich gefunden, ich war ehrlich und du–«

»Du warst ehrlich?«, höhnte ich. »Du meinst, jedes Wort entsprach der Wahrheit? Hast du etwa vergessen was du gesagt hast?«

»Nein, habe ich nicht«, knurrte er.

Ich spürte meine kommenden Tränen, kämpfte aber gegen sie an. »Ich glaube dir nicht. Warum solltest du auf einmal so wütend auf mich sein?«

»Weil ... Weil ...« Er lief hin und her. »Weil es nun mal so ist! Jetzt akzeptier es und verschwinde bitte!« Fast flehte er.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt