74 | family fight

288 10 2
                                    


JULIA

Am nächsten Morgen bemerkte ich als aller erstes, sobald ich träge meine Augen öffnete, dass Grace nicht in ihrem Bett lag.

Es war etwas später. So lange schlief ich eigentlich nie, doch ich vermutete, das Grace heimlich meinen Wecker ausschaltete. Das tat sie schon früher häufig.

Ich setzte mich an meine Bettkante und streckte meine Glieder, ehe ich aufstand und meine Zimmertür öffnete.

»Nein, ich habe es ihr noch nicht erzählt«, sagte Grace.

Ich hielt mitten im Türrahmen inne. Vorsichtig linste ich zur Küche. Grace lehnte sich mit ihrem Steißbein gegen die Küchentheke. Sie trug eine kurze Pyjamahose und eine offene Sweatshirtjacke. Dadrunter ein bauchfreies Top.

Ich fragte mich, mit wem sie sprach, bis ich realisierte, dass sie mit Tony videochattete. »Du musst es ihr sagen.«

Grace verdrehte die Augen. Daraufhin stellte sie ihr Handy hinter sich ab. »Nenn mir einen guten Grund, warum sie es überhaupt wissen sollte.«

»Ich nenne dir sogar drei. Erstens, sie wird dich umbringen, wenn du es nicht tust. Zweitens, sie hat das Recht dazu. Und drittens, sie weiß vielleicht, was zu tun ist.«

»Eigentlich spielt das gar keine große Rolle ...« Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und schaute an der Kamera vorbei.

»Ich denke, es spielt eine große Rolle, wenn plötzlich euer Dad nach so langer Zeit in New York auftaucht.«

Ein kalter Schauer überkam mich.

Das kann nicht wahr sein.

Dad in New York? Bei Grace? Nach so langer Zeit? Das letzte Mal, als Grace Dad persönlich zu Gesicht bekam, war vor sechs Jahren ... Zumindest war das das letzte Mal, von dem ich wusste. Vielleicht gab es da ja mehr oder so, weil ich mir sonst Dads Auftauchen nicht erklären konnte.

Ihm war es mehr als wichtig, dass wir ihn nicht mehr kontaktieren konnten, doch das hielt ihn ja anscheinend nicht davon ab, sich selbstständig bei uns zu melden.

Ich öffnete meine Zimmertür vollständig und trat heraus.

Grace hörte meine Schritte. Ihr Körper versteifte sich. »Shit«, murmelte sie, bevor sie sich zu mir drehte. »Guten Morgen, Ana!«, grüßte sie mich extrem fröhlich.

»Dad hat sich bei dir gemeldet?«

Jegliche Farbe wich ihr aus dem Gesicht. »Das ... das solltest du nicht hören.«

»Habe ich aber. Rede«, forderte ich barsch.

Sie nahm ihr Handy in die Hand. »Ich mach Schluss, Tony.«

»Bitte bringt euch nicht um«, sagte er. Unmittelbar danach beendete Grace den Anruf und legte ihr Handy zur Seite.

»Ana ...«

»Oh mein Gott, bitte spar dir das! Erzähl mir, was Dad von dir wollte!«

»Ich habe ihm die Tür vor die Nase geknallt, deswegen weiß ich nicht genau, was er wollte. Ich weiß nur, dass was immer es auch ist, nichts gutes bedeuten kann.«

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt