80 | run away

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NAVEEN
may 2015, age 18

Nach dem dritten Anlauf rastete mein Schlüssel in das Schloss der Haustür ein. Ich öffnete sie und stolperte über die Türschwelle. Hinter mir fiel die wackelige Tür zu.

Meine Schläfen schmerzten, als wäre der Whiskey von eben, durch meine Adern geflossen anstatt Blut.

Direkt in der angrenzenden, offenen Küche neben der Haustür, legte ich die Plastiktüte ab. Auch trotz meines benommenen Zustands, war ich dazu in der Lage, auf meinem Weg nach Hause bei dem 24-Stunden-Mini-Markt vorbeizuschauen und dort ein paar Dinge für den kommenden Tag einzukaufen.

Immerhin musste Savanah etwas essen.

Ich kaufte ihr Dinosaurier-Nuggets. Die mochte sie am liebsten. Genauso wie ich, als ich kleiner war.

Wenn man vom Teufel spricht, dachte ich, sobald ich ihre schnellen und doch vorsichtigen Schritte nach unten hörte. Vor einiger Zeit hatte ich ihr beigebracht, welche Stufen sie meiden sollte und welche sicher waren. Wegen unseres Vaters war das mehr als nötig. Ich musste auf die harte Tour lernen, dass er an manchen Tagen extrem Geräusche-Empfindlich war.

»Froggie!«, begrüßte mich meine Schwester. Sie rannte auf mich zu. Währenddessen hüpfte ihr hoher Pferdeschwanz mit der roten Schleife hin und her. Als sie noch jünger war und es nicht selbst konnte, war ich es, der ihr täglich einen Zopf binden oder flechten musste. Sie bestand darauf.

Weil sie noch so klein und unbeschwert war, wollte ich sie mit allem was in meiner Macht lag, glücklich machen. Selbst wenn das hieß, dass mir eine alte Bekannte das flechten beibringen musste.

Savanah umarmte mich. Ihr Kopf reichte mir gerade mal bis zum Bauch.

Es war verrückt, wie sie immer größer und älter wurde. Ja, schon klar, das haben Kinder so an sich, aber es kam mir so vor, als sei es gestern gewesen, als Mom mit Baby-Savanah nach Hause kam.

Ihr erwiderte Savanahs Umarmung nicht. Dafür war ich viel zu kaputt. »Warum schläfst du noch nicht?«, fragte ich sie stellvertretend. Es war Zwei Uhr Morgens.

Mein strenger Ton ließ sie zusammen zucken. Sie machte ein paar Schritte nach hinten, verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und sah beschämt zum Boden.

Fuck, es war nicht einfach, sie so zu sehen und gefallen tat es mir auch nicht. Aber so war ich nun mal. Ich mochte es nicht, wenn sie so spät noch wach war. Eigentlich hatten wir abgemacht, dass sie sich Abends immer in ihrem Zimmer einschloss. Grund dafür war der, dass sie so sicher sein konnte. Sie musste dann nicht mit ansehen, was meistens mit mir passierte und es bestand auch keine Gefahr, dass sie dazwischen taumeln konnte ...

Ich schnaubte.

Savanah schrumpfte unter meinem fordernden Blick. »Ich wollte auf dich warten. Dad war wieder sauer. Und sehr laut.«

Mein Kiefer spannte sich an. »Hat er ...« Obwohl ich sonst immer eine so riesige Klappe hatte, raffte sich mein Mund nie dazu auf, die letzten fehlenden Worte laut auszusprechen.

»Nein«, versicherte sie mir.

Ich hatte mit nichts anderem gerechnet. Er hatte sie noch nie angefasst. Nur mich. Immer nur mich. Ehrlich gesagt wusste ich jedoch, dass auch sie früher oder später nicht verschont werden würde. Es war immerhin Robert Fridge, von dem wir hier reden. Er suchte seine Opfer nach und nach aus. Nur eins. Nicht mehrere zur selben Zeit.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt