10 | old life

391 13 2
                                    


NAVEEN
june 2019, age 22

Der letzte Karton war eingeräumt. Jetzt hielt uns nichts mehr auf.

Unser Apartment war vollständig leergeräumt. Die wenigen Möbel, die wir besaßen, kriegten wir alle verkauft. Viel persönlichen Kram besaßen wir nicht. Nur eben das nötigste und ... Kleinigkeiten. Da wir ständig vom einen Ort zum anderen pendelten und umzogen, besaßen wir nie etwas auf Dauer. Oftmals waren Motels unsere besten Freunde.

Doch hier in New York hielten wir es am längsten aus. Zwei Jahre.

Wenn ich daran dachte, wie wir vor vier Jahren mit jeweils zwei großen Sporttaschen in Ohio ankamen, musste ich glatt lächeln. In diesen Taschen passte wirklich unser ganzes Leben rein.

Seit wir weg aus Pittsburgh waren, konnte uns niemand kontaktieren. Wir vernichteten unsere SIM-Karten und blickten nicht mehr zurück.

Keine Ahnung wie wir diese lange Reise so lange aufrecht halten konnten. Wir waren bloß achtzehnjährige Schul-Abbrecher, die von Zuhause abgehauen waren.

Von Anfang an war klar, dass wir arbeiten mussten. Wo, war egal. So viele Möglichkeiten gab es jedoch nicht für so welche wie uns.

Schon damals in Pittsburgh bauten wir viel Scheiße ... in den anderen Orten, wo wir lebten, änderte sich das nicht.

Ich überlegte, ob sich seit damals etwas akribisch verändert hatte.

Neue Haare? Nein, wir sind langweilig.

Bartwuchs? Zachs Gesicht ist immer noch glatt wie ein Baby Hintern.

Mehr Empathie? Darauf kann jeder lange warten.

Aufgehört zu trinken und rauchen? Ich piss mich gleich ein.

»Diese Couch war wirklich scheiß-unbequem!«, beschwerte sich Zach hinter mir. Er streckte seinen Körper.

»Du hättest ja auch bei Harry im Bett pennen können.« Ich hob eine Schulter, ehe ich meine Arme vor der Brust verschränkte und mich gegen Zachs Wagen lehnte. Ein schwarzer 1969er Ford Mustang. Seit drei Jahren sein ein und alles.

Seine braunen Augen wurden schmal. »Ja, und du hättest ihm auch gleich einen blasen können, um dich noch mehr bei ihm einzuschleimen.«

Ich schnaubte. »Das nennst du einschleimen? Ich nenne es Strategie. Harry wusste, wer es wahrhaftig verdient hat, im Gästezimmer zu schlafen, weil immerhin einer von uns ihm geholfen hat, als seine Freundin fast herausgefunden hätte, dass er sie mit ihrer Schwester betrügt.«

Die letzten Nächte schliefen wir bei verschiedenen Bekannten, weil unser Apartment schon längst leer war, bis auf die Möbel, die noch zum Verkauf standen. Gestern Abend verkauften wir den letzten Stuhl und waren uns dann einig:

Morgen verschwinden wir.

Wir spielten schon lange mit diesem Gedanken. Trotzdem geschah alles übergangslos. Wir hatten uns hier ein kleines Leben aufgebaut. Kein schönes, oder spezielles, aber vier Jahre verbrachten wir außerhalb unserer Heimat Stadt ...

Was nicht geplant war, war dass wir je wieder zurückkehren würden. Vor vier Jahren hätte ich das nie für möglich gehalten, doch jetzt führte es nicht mehr drumherum.

Ich muss zurück.

Zach zog sich kurz das schwarze Beanie vom Kopf, um über die Millimeter kurzen Haare zu streichen. Diese Frisur hatte er schon seit Kindheitstagen. Dabei hafteten meine Augen an den kleinen schwarzen Ohrringen an seinen Ohren. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, an dem er sich Ohrlöcher hatte stechen lassen.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt