Veinticinco

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Ich öffnete die Augen. Ein Geräusch hatte mich geweckt. Ich hob den Kopf ein Stück und nahm Enzo wahr, der gerade dabei war sein Shirt über den Kopf zu ziehen. "Bist du auf der Flucht?", fragte ich und richtete mich auf - die Decke an meinen Körper gedrückt. 

Enzo blickte auf und sah tatsächlich ein wenig verlegen aus. "Sorry, ich wollte dich nicht wecken!"

"Alles gut - wärst du ein Typ den ich auf einer Party kennengelernt hätte und den ich nie wieder sehen würde, wäre ich einfach liegen geblieben und hätte gewartet bis du weg wärst. Da ich dich am Montag aber vermutlich sowieso auf der Arbeit sehe, kannst du auch bleiben und noch was essen!"

Ich konnte ihm ansehen, dass er zögerte. Ich fügte hinzu: "Also quasi ein Frühstück unter Arbeitskollegen." Er zuckte schließlich mit den Schultern. "Warum eigentlich nicht." 

Ich stand also auf und war froh, dass wohl doch irgendwo in Enzo etwas von einem Gentleman steckte, da er weg sah, als ich mir Unterwäsche aus dem Schrank zog, sowie eine Jogginghose und ein altes, ausgeblichenes T-Shirt. Als ich angezogen war, beäugte er mein bunt zusammengewürfeltes Outfit und verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln, als er Tweety von den Looney Tunes in die Augen schaute. Er folgte mir in die Küche.

"Möchtest du einen Kaffee?", fragte ich. "Wenn du welchen da hast! Kann ich dir helfen?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles gut, setz dich!" 

Ich stellte das Radio an und machte den Ofen an. "Wie viele Brötchen möchtest du? Zwei?" Ich drehte mich zu ihm um. Enzo nickte. Es sah irgendwie absolut schräg aus, ihn mit seinem zersausten Haar und den lässigen Klamotten in meiner eher feminin eingerichteten Küche sitzen zu sehen. 

Ich öffnete das Kühlfach, holte eine Tüte Tiefkühlbrötchen heraus und legte vier Stück in den Ofen. Dann stellte ich die Kaffeemaschine an und summte leise den Song im Radio mit. "Bist du Shaky Fan?", fragte er und ich wandte mich überrascht um. "Du kennst Shakin Stevens?", stellte ich überrascht eine Gegenfrage und drehte mich wieder zu ihm um. 

Er grinste und fuhr sich durch die Haare. "Ja, ich kenne einige seiner Songs!" 

"Ich muss sagen, dass du mich gerade ehrlich überrascht. Die meisten Leute in unserem Alter, die ich kenne, kennen maximal seinen Weihnachtssong! Ich würde mich nicht als den allergrößten Fan auf dieser Erde bezeichnen, aber seine Songs feier ich schon ziemlich! Bist du denn Fan?"

"Ich bin Fan von gefühlt jedem Song und Künstler, der zwischen den Fünfzigern und Zweitausendern Musik gemacht hat! Als ich klein war, hat meistens Dorothe auf mich aufgepasst und bei ihr liefen diese ganzen Oldies immer rauf und runter. Ich glaub da hat meine Begeisterung für diese Zeitepoche angefangen!"

Ich war wirklich baff. Ich hätte Enzo nach außen hin eher für den Typ Hip Hop oder Deutschrap Hörer gehalten. Aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass er sich für alte Musik, geschweige denn für die gesamte Zeitepoche interessierte. 

Ich setzte mich nun an den Tisch ihm gegenüber. "Ich kann dir das noch nicht glauben, Enzo. Alles, was ich bisher über dich weiß, widerspricht irgendwie deinem Musikgeschmack! Von wem ist dieser Song?", stellte ich ihn auf die Probe und sah ihn neugierig an, während wir dem Radio lauschten. 

"Das ist einfach. Lionel Richie. Aber All Night Long kennen glaube ich auch viele in unserem Alter!", meinte er offensichtlich amüsiert von meinem Erstaunen. 

"Ok, warte ich hole mal kurz mein Handy. Ich werde jetzt deine Musikkenntnisse auf die Probe stellen!", sagte ich begeistert, sprang auf und steuerte aufs Wohnzimmer zu, wo ich mein Handy den Abend zuvor hatte liegen lassen. 

Schon auf dem Weg zurück, öffnete ich Spotify und machte das Radio ein wenig leiser. "Willkommen in meiner ganz persönlichen Oldie Hit Quiz Show!", kündigte ich feierlich an und er schnaubte belustigt.

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt