Cuarenta y ocho

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Er ließ mich los. Ich stolperte vorwärts und fuhr zu ihm herum. Fassungslos sah er mich an. Fassungslos und überrascht. ,,Bist du - fuck, bist du ein Cop?", brachte er schließlich hervor. ,,Ich - nein, ich bin kein Cop!", sagte ich mit bebender Stimme.

Kalter Schweiß lief mir über den Rücken. ,,Und wer hat dich gerade auf diesem Handy angerufen und dich nach dem Essen heute ausgefragt?" Er hatte sein Poker Face wieder aufgesetzt und ich überlegte, ob ich noch versuchen konnte zu lügen. Einen Versuch war es wert, schließlich ging es wortwörtlich um mein Leben.

,,Das war meine Tante. Sie ist auch im Immobiliengeschäft tätig und ist sehr neugierig was meinen Job betrifft!", log ich. Er kaufte es mir nicht ab, das erkannte ich bereits an der Art, wie er den Mund verzog. ,,Und wieso zur Hölle sollte deine Tante dich auf einem Wegwerfhandy anrufen, wo nur diese eine Nummer eingespeichert ist, anstatt auf deinem ganz normalen und dich mit Frau Parker ansprechen?"

Ich antwortete nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie ich hier wieder rauskommen sollte. ,,Was weißt du?", fragte er und sah mich forsch an. ,,Gar nichts. Ich sollte deine Familie nur im Blick behalten!"

Er trat einen Schritt auf mich zu und griff nach meinen Oberarmen. Sein Blick hakte sich in meinem fest, als wollte er mich hypnotisieren, ihm die Wahrheit zu sagen. ,,Ich glaube dir nicht, Jessica. Sag mir jetzt sofort die Wahrheit oder ich muss meinen Vater informieren!"

Wahrscheinlich hatte ich mich bereits damit verraten, dass mir bei Erwähnung seines Vaters jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. ,,Ich weiß, dass ihr über die Firma Geld wascht. Ich weiß, dass ihr der Mafia angehört. Und ich weiß, wie ihr an das Geld kommt - jedenfalls an einen Teil davon!", packte ich aus, denn ich wusste nicht, was für eine Wahl ich hatte. Enzo sah nun wirklich sprachlos aus.

,,Du - du weißt es? Woher? Wer war das am Telefon?", fragte er. Ich machte mich von ihm los und versuchte meine zitternden Hände unter Kontrolle zu bringen. Sobald er meine Wohnung verließ, würde ich in Lebensgefahr schweben. Dessen war ich mir überdeutlich bewusst.

,,Das war der BND. Sie haben mich beauftragt, Augen und Ohren offen zu halten", gestand ich. ,,Der Geheimdienst? Wieso zur Hölle hast du das gemacht? Bist du wahnsinnig? Verstehst du überhaupt, wer wir sind?", fuhr er mich fassungslos an.

,,Ich hatte keine Wahl, okay?! Ich wollte das nicht machen, aber mein Bruder wäre sonst ins Gefängnis gegangen. Und ich sollte ja gar nichts Großartiges tun!", sagte ich und jetzt klangen die Worte sogar in meinen eigenen Ohren lächerlich naiv. Wie hatte ich denken können, dass alles gut ausgehen würde, wenn ich mich in sowas verstricken ließ?

Enzo entfuhren einigen Worte auf Spanisch, die sich verdächtig nach Flüchen und Beschimpfungen anhörten. ,,Was wissen die? Was hast du denen erzählt?"

,,Nicht viel. Ich weiß eigentlich nichts!", versuchte ich mich herauszureden und erneut sah ich ihm an, dass er mir kein Wort glaubte. Seine Gedanken schienen genauso zu rasen wie meine. Dann wirkte er auf einmal verwirrt.

,,Wieso zur Hölle hast du mir gesagt, dass du in mich verliebt seist, wenn du die ganze Zeit Bescheid wusstest? Wolltest du dich so tiefer in die Familie einschleichen?", fragte er und ich meinte mir einzubilden, dass seine Stimme verletzt klang, dabei hatte er jawohl das geringste Recht dazu verletzt zu sein.

,,Das hatte nichts damit zu tun. Anders als du, hab ich dich nicht ausgenutzt. Ich dachte, da wäre was echtes zwischen uns. Offensichtlich hab ich mich getäuscht!"

Enzo sah aus, als wüsste er nicht mehr, wohin mit den ganzen Informationen. Mir ging es genauso, denn ich konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. ,,Wie konntest du mir das sagen, in dem Wissen, dass ich zur Mafia gehöre?", fragte er schließlich und Unverständnis machte sich auf seinem Gesicht breit.

,,Ich weiß zwar nicht, was das noch für eine Rolle spielt, aber ich habe den BND nach dir gefragt und sie sagten mir, dass von dir keine unmittelbare Gefahr ausgehe. Vielleicht bin ich ja tatsächlich so naiv, wie ihr alle denkt, aber ich habe geglaubt, dass unter deinem Machogehabe und deiner oft ziemlich abweisenden Art ein guter Kern steckt. Ich hatte nie Angst vor dir, Enzo! Anders als vor deinem Bruder oder deinem Vater!"

Er schwieg einen Moment und sah zu Boden. Als er wieder aufsah, wurde ich beinahe von dem Schmerz in seinen Augen übermannt. ,,Sie liegen aber falsch! Ich habe jemanden getötet, Jessica!"

Das Blut gefror mir in den Adern. Hatte er mir gerade gestanden, dass er ein Killer war? Ich blinzelte ein paar Mal, doch er begann nicht zu lachen und mir zu sagen, dass er nur einen ziemlich schlechten Scherz gemacht hatte.

Ich spürte, wie Übelkeit in mir aufkam. ,,Du - hast jemanden getötet?", wiederholte ich flüsternd. Er nickte. ,,Wen?", fragte ich. ,,Spielt das eine Rolle?", erwiderte er gequält. Nein eigentlich nicht.

,,Hast du mir das gerade gestanden, weil du weißt, dass ich es niemandem mehr erzählen können werde?", fragte ich schließlich mit leicht hysterischer Stimme. Er musterte mich einen Moment. Sein Schweigen ängstigte mich noch mehr.

,,Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich jetzt verdammt nochmal tun soll. Scheiße, wieso hast du damals nicht auf mich gehört und dich einfach ferngehalten?", fragte er. Wut und Verzweiflung vermischten sich in seiner Stimme.

,,Wenn ich nicht weiter mit dem Geheimdienst rede und bei deinem Vater kündige, lässt du mich dann am Leben?", fragte ich mit flehendem Unterton. Bestürzt sah er mich an. ,,Glaubst du im Ernst, dass ich dich töten könnte, selbst wenn ich es vermutlich sollte? Fuck - du hast alles so scheiß kompliziert gemacht!"

,,Das hast du mir schon gesagt!", merkte ich mit wackliger Stimme an. ,,Davon rede ich gerade! Ich wünschte du hättest einfach deine Klappe gehalten. Ich dachte ich könnte es verdrängen und mir einreden, dass da zwischen uns nichts ist. Aber du musstest es ja unbedingt aussprechen, obwohl du sogar wusstest aus was für einer Familie ich komme!"

,,Was meinst du damit?", flüsterte ich und spürte das mein Herzrasen jetzt einen anderen Grund hatte, wofür ich mich zutiefst schämte. Der Mann hatte mir gerade gestanden, dass er jemanden getötet hatte - wie konnte ich jetzt seinetwegen immer noch Herzklopfen bekommen? Machte mich das nicht zu einem genauso schlechten Menschen, wie ihn?

,,Es ist leichter seine Gefühle in den Hintergrund zu schieben, wenn man denkt, dass es eh keine Zukunft gibt. Nachdem du mir gestanden hast, dass du in mich verliebt bist, konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an das, was wir eventuell hätten haben können, wenn ich ein ganz normales Leben hätte und, wenn ich ehrlich zu dir wäre und dir sagen würde, dass es mir mit dir genauso geht!"

Das Geräusch, das aus meinem Mund kam, was eine Mischung aus einem Lachen und einem Schluchzen. Fassungslos sah ich ihn an: ,,Du sagst mir, dass mein Timing schlecht ist und ausgerechnet jetzt gestehst du mir, dass du auch in mich verliebt bist? Ist das dein Ernst?" Ich wusste nicht, ob ich Wut, Trauer, Scham oder Freude empfinden sollte. Die ganze Situation war viel zu abgedreht. Es war als wäre mein Leben zu einem schlechten Film geworden.

,,Ehrlich gesagt ist das nicht nur schlechtes Timing, sondern einfach nur lächerlich und dreist! Du versuchst mich gerade zu manipulieren, so wie du es die ganze Zeit getan hast oder? Ich kann nicht fassen, dass ich fast darauf reingefallen wäre. Sag mir jetzt sofort, wieso du wirklich was mit mir angefangen hast! Ich muss aus deinem Mund hören, dass all das, was wir hatten, einzig und allein dem Zweck diente, an unser Geld zu kommen! Das schuldest du mir, Enzo!"

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt