Trece

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Das Wochenende verging wie im Flug. Ich las die Papiere, die mir Mr Álvarez mitgegeben hat durch und setzte überall meine Unterschrift unter. 

Die Verschwiegenheitserklärung war gar nicht so ausgefallen, wie ich nach dem ganzen Tamtam erwartet hätte. Sie war genau das, was ich mir unter einer Verschwiegenheitserklärung vorgestellt hatte. Vielleicht ist meine Fantasie einfach ein wenig mit mir durchgegangen und Mr Álvarez ist wahrscheinlich nur um sein Unternehmen besorgt, schließlich hätte er viel zu verlieren, wenn Firmengeheimnisse nach außen dringen würden. 

Ich hatte die Dokumente am Samstag noch weggeschickt und würde vermutlich erst im Laufe der Woche wieder was von meinem Fast-Chef hören. 

Die Papiere für die Wohnung wurden mir auch bereits zugeschickt und ich habe alles unterschrieben und zurück geschickt. Ich hoffte, dass ich tatsächlich spätestens Dienstag umziehen könnte, damit ich das erledigt hätte, bevor ich zu arbeiten anfangen würde. Ich hatte bereits Laurel und Jared gefragt, ob sie mir am Dienstag helfen würden und beide haben mir zugesagt - Jared würde allerdings erst am späten Nachmittag dazu stoßen können, da er arbeiten musste. Laurel  studierte und ihrer Meinung nach waren die Vorlesungen, die sie am Dienstag hatte, nicht so wichtig. 

Ich war gerade dabei auf Pinterest nach Ideen zur Gestaltung meiner neuen Wohnung zu suchen, da klopfte es an meiner Zimmertür. "Ja?", fragte ich ohne aufzusehen, da meine Mum mir wahrscheinlich nur eine gute Nacht wünschen wollte und mich wie jeden Abend daran erinnern wollte, dass ich das Licht im Flur ausmachte, bevor ich schlafen ging. 

"Hi!", sagte eine tiefe, allzu vertraute Stimme. Ich zuckte zusammen und drehte mich in meinem Schreibtischstuhl um. "Was willst du denn hier?", fragte ich Enzo fast schon ein wenig vorwurfsvoll. 

"Ich weiß du bist angepisst-", begann er zögerlich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. 

"Angepisst triffts ganz gut!", sagte ich und funkelte ihn durch der Raum hinweg an. 

Auf Enzos Gesicht war keine Regung zu erkennen und irgendwie bezweifelte ich, dass er hier war um sich zu entschuldigen. 

"Ich muss dir etwas über Nate erzählen!", sagte er trocken und er hielt meinem Blick problemlos stand. "Was wenn ich es gar nichts hören will? Was wenn ich gar nichts mehr von dir hören will? Ich muss ehrlich sagen, dass ich es echt dreist finde, dass du hier auftauchst und tust als wäre nichts gewesen, obwohl du das letzte Mal als wir uns im Diner gesehen haben eine riesen Szene gemacht hast! Und nicht nur das - du hast mir außerdem nicht mal so viel Charakter zugesprochen, dass ich vielleicht aus rationaleren Gründen Menschen treffe, als nur um mit ihnen zu vögeln und mir so Vorteile zu erkaufen!", lies ich die Worte endlich aus mir herausströmen, die mir schon die ganze restliche Woche auf der Zunge lagen. 

"Ich denke du willst hören, was ich dir zu sagen habe! Ich tu das nicht für mich, sondern für dich!", meinte er kühl und überging meine Vorwürfe damit geflissentlich. "Wie selbstlos von dir", sagte ich sarkastisch und stand auf, da ich auf einer Augenhöhe mit ihm sein wollte. 

"Nate ist - er ist zwar mein Bruder, aber ich weiß trotzdem, dass er seine Ecken und Kanten hat, was Frauen anbelangt!", begann Enzo und verschränkte die Arme vor der Brust, was sein Shirt dazu brachte über seinen Bizeps zu spannen. Schnell sah ich zurück in sein Gesicht. 

"Und was soll das heißen?", fragte ich skeptisch. 

"Er akzeptiert kein nein - wenn er dich erstmal im Visier hat, dann wird er auch von dir kein nein akzeptieren, auch wenn deine Absichten wirklich so rational sind, wie du mir weiß machen willst!", fuhr er fort und registrierte dabei jede meiner Bewegungen. 

"Du meinst also er würde, wenn ihm danach ist, aufdringlich werden?", hakte ich nach. Enzo zuckte mit den Schultern und nickte zeitgleich. 

"Du hast sie ja nicht mehr alle - glaubst du ich bin bescheuert? Das ist doch nur wieder ein Trick von dir um mir die Stelle auszureden! Ohne scheiß - verpiss dich Enzo. Auf diese Lügenmärchen hab ich echt kein Bock!" 

Immer noch konnte ich keine Regung auf Enzos Gesicht erkennen. Er sagte kein Wort. Ich wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum, da mir nun endgültig der Geduldsfaden riss. Er packte meine Hand so schnell, dass ich vor Schreck zusammen zuckte. 

"Glaub mir Jess, wenn es hier um den Job ginge, würde ich dir Argumente vorlegen, die sich auf den Job beziehen und nicht meinen Bruder an den Pranger stellen!" 

Ich entriss ihm meine Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich beschloss auf seine Aussage nun ebenfalls nicht näher einzugehen - es hatte ja offensichtlich sowieso keinen Zweck. 

"Pass auf Enzo - vielleicht hatten wir einen beschissenen Start angesichts der Tatsache, dass ich nun für deinen Vater arbeiten werden. Lass uns einfach so tun als wäre zwischen uns nie etwas passiert, ok? Tun wir einfach so, als würden wir uns gar nicht kennen - das macht es für uns beide einfacher, wenn ich von jetzt an öfter bei euch ein- und ausgehe!" 

Für einen Moment bröckelte die Mauer vor seinem Gesicht und ich sah, dass ihm mehrere Dinge auf einmal durch den Kopf schossen. Dann verhärtete sich sein Blick jedoch wieder und er sah mich mit dieser gewissen Überheblichkeit an, die er schon im Club an den Tag gelegt hatte. 

Unbeeindruckt zuckte er die Schultern: "Na schön - wenn du mir nicht glaubst, hat es ja eh keinen Sinn weiter zu diskutieren. Dann wars das jetzt. Ab sofort bist du einfach nur eine der kleinen Handlanger meines Dads, die bei uns ein- und ausmaschieren!" 

"Schön, dass das geklärt ist - dann kannst du ja jetzt gehen!", sagte ich und versuchte ihn genauso abschätzig anzusehen, wie er mich. 

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand aus meinem Zimmer. Ich hörte, wie die Haustür aufging und sich leise wieder schloss. Einen Moment später steckte meine Mutter neugierig den Kopf in mein Zimmer und ich seufzte. Das würde jetzt ein super tolles Gespräch werden.

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt