Cuarenta y nueve

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Nach kurzem Zögern, schien er einzusehen, dass er es mir wirklich schuldete oder ihm wurde klar, dass ich die Nacht eh nicht überleben würde, weshalb es egal war, ob ich die Wahrheit erfuhr. Ich versuchte mir jedoch einzureden, dass ersteres der Grund war. Er setzte sich an mein Bett gelehnt auf den Boden und ich setzte mich mit einigem Abstand neben ihn.

,,Nach schön", begann er und ich hörte bereits an seiner Tonlage, dass ich später wahrscheinlich bereuen würde, gefragt zu haben. ,,Wie gesagt, ich habe damals Stoff bei deinem Bruder gekauft, um in euer Haus zu kommen und nach Akten zu suchen, die belegen könnten, dass dein Vater eine Menge Geld hat. Da du jedoch so misstrauisch warst, hatte ich keine Gelegenheit dazu. Ich hatte mir überlegt, dass ich versuchen könnte mit dir in Kontakt zu treten, um dein Vertrauen zu gewinnen und es leichter zu haben. Als ich dich in dem Club gesehen habe, war das Zufall, doch ich ergriff natürlich meine Chance!", begann er und mit jedem seiner Worte rutschte mir mein Herz ein Stück tiefer in die Hose.

,,Ich hatte meinem Dad davon erzählt, dass ich mich um die Informationen kümmern würde. Doch als du dann bei uns am Frühstückstisch saßt, gehörte das definitiv nicht mehr zu meinem Plan. Ich hatte mir geschworen, dass ich nie wieder irgendjemanden in Gefahr bringen würde, indem ich ihn in Kontakt mit meiner Familie kommen ließe. Mein Vater hat mir offensichtlich nicht zugetraut, dass ich dich rumkriegen würde, jedenfalls nicht soweit, dass du mir genug vertrauen würdest, um übers Geld zu sprechen. Also nahm er die Sache selbst in die Hand. Da wir ein großes Risiko haben, dass die Polizei jemanden bei uns einschleust, sind wir vorsichtig, wen wir einstellen. Du wurdest vorher gründlich von einem unserer IT-Spezialisten durchleuchtet und da dein Vater in den Medien bekannt ist und auch deine übrigen Verwandten durch ihre Jobs immer mal wieder in irgendwelche Zeitungen aufgetaucht sind, wussten wir, dass du keinerlei Verbindungen zu irgendwelchen Polizisten pflegst." Ich erinnerte mich daran, dass mir Frau Flemming etwas ähnliches über diese Vorgehensweise erzählt hatte.

,,Das Risiko war also gering und der Plan meines Vaters ist aufgegangen, denn seit kurzem investiert dein Vater ins unsere Firma."

,,Er tut was?", entfuhr es mir fassungslos. ,,Persönliche Kontakte sind in diesem Business alles und wenn die Tochter eine ziemlich wohlhabenden Mannes bei einem angestellt ist und ziemlich gut verdient, ist das einer der guten Kontakte!"

,,Und wieso dann noch die Sache mit Nate?", fragte ich verwirrt. ,,Nachdem ich mich ausgeklinkt hatte, sollte Nate versuchen eine persönliche Bindung zu dir aufzubauen, um das Ganze zu beschleunigen!"

,,Und nachdem er verkackt hatte, solltest du den Job wieder übernehmen? Warst du deshalb so nett zu mir, nachdem dein Bruder versucht hat mich zu vergewaltigen? Und hast du deshalb nochmal mit mir geschlafen? Und dann der Ball?", fragte ich und meine Stimme überschlug sich dabei nahezu. Ich hatte angenommen, dass ich jetzt auf alles vorbereitet gewesen wäre, doch dem war nicht so. Ich spürte, wie mir die erste Träne über die Wange lief.

,,Nein. Das kam von mir - das schwöre ich dir! Ich habe mich furchtbar schuldig gefühlt, denn du musstest das durchmachen, weil ich dich hergebracht habe. Ich kenne meinen Bruder und weiß, wozu er fähig ist. Ich hatte gehofft, dass du durch meine Drohungen und mein abweisendes Verhalten die Flucht ergreifen würdest. Doch das hast du nicht!"

Ich wusste, dass ich selber Schuld war, denn er hatte recht. Er hat mich gewarnt - mehrmals und eindringlich. Wir schwiegen eine Weile - jeder von uns versuchte zu verarbeiten, was der andere gerade gestanden hatte.

,,Wieso war die Stelle überhaupt frei? Was ist mit dieser Malina passiert. Der BND hat gesagt, dass sie ewig im Dienst eurer Familie gestanden hat!"

Enzo schluckte. ,,Was hat dir der BND noch über sie erzählt?" Ich runzelte die Stirn. ,,Nichts, wieso?" Er zog sein Handy aus seiner Hosentasche, tippte kurz darauf herum und hielt es mir dann hin. Er hatte einen online Zeitungsartikel aufgerufen.

Ich überflog den Text und meine Hand fuhr zu meinem Mund. Ich erinnerte mich daran. Vor drei Jahren war dieser grausame Mord durch die Medien gegangen. Die Leiche einer Frau deren Zähne zertrümmert waren und der jegliche Finger und Zehen fehlten wurde auf einer Baustelle im Betonmixer gefunden. Sie war wohl bewusstlos gewesen, als sie hineingeworfen wurde und war darin ertrunken. Offiziell konnte ihre Identität nie ermittelt werden.

,,Ist das Malina?", fragte ich heiser und Enzo nickte. ,,Das ist meine Schuld!" Er sah gedankenverloren auf das Display und ich riss die Augen auf. Ich versuchte diese grauenhafte Tat mit dem Mann mir gegenüber in Einklang zu bringen, doch es war unmöglich. ,,Das - glaube ich dir nicht. Du hast ihr die Zähne eingeschlagen und die Finger abgeschnitten?", hakte ich ebenso geschockt, wie angeekelt nach.

Enzo zögerte. ,,Nein. Aber sie ist meinetwegen tot." Selbst wenn seine Worte nicht unbedingt Grund zur Entwarnung gaben, überkam mich eine gewisse Erleichterung. ,,Und wieso?", fragte ich vorsichtig. ,,Ich habe ein verdächtiges Telefonat mit angehört und sie in der Stadt gesehen, wie sie sich mit einem Mann getroffen hat. Ein paar Tage später, habe ich diesen in einem unserer Lager wieder erkannt, als er dort eine Razzia durchgeführt hat. Er war Cop. Ich bin misstrauisch geworden und habe meinem Vater davon erzählt und ihm gesagt, dass wir sie im Auge behalten sollten. Am nächsten Tag kam sie nicht mehr zur Arbeit und eine Woche später ging dieser Artikel durch die Medien!"

Ich sah ihm in die Augen in denen ich nichts als Schuld erkannte. ,,Aber es war nicht allein deine Schuld, Enzo! Du hast deinen Vater darauf aufmerksam gemacht und ihn aufgefordert sie im Auge zu behalten und nicht, sie zu töten. Du hättest das nicht wissen können!", versuchte ich sein Gewissen zu entlasten. Das erklärte auch, weshalb er so zwanghaft versuchte keinen Menschen außerhalb seiner Familie enger an sich zu binden, als für eine Nacht.

,,Doch, das ist es ja. Das hätte ich ahnen können. Ich kenne meinen Vater und weiß, wozu er fähig ist und was er mit den Leuten macht, die ihn verraten! Normalerweise bekommt nur die Öffentlichkeit nicht mit, wer von uns beseitigt wird, denn Valerio lässt die Leichen sorgfältig verschwinden. Doch, da mein Vater davon ausgegangen ist, dass sie für die Regierung spioniert hat, stellte das seine Art der Warnung an die Polizei dar. Erst Wochen später stellte sich heraus, dass sie unschuldig war und der Cop ein Date mit ihr hatte. Sie ist gestorben, weil sie ein verdammtes Date hatte und ich das ganze falsch interpretiert habe!"

Er fuhr sich übers Gesicht und wirkte so gebrochen, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Ich begann plötzlich einiges zu verstehen, was sein seltsames Verhalten und seine Aussagen logisch erschienen ließen. Gleichzeitig war ich geschockt, dass der Typ der mich eingearbeitet hatte, offensichtlich der Auftragskiller der Familie war und dabei kaum älter als ich.

Ich erinnerte mich wieder daran, wie mir bei unserer ersten Begegnung ein kalter Schauder über den Rücken gelaufen war und schwor mir, meiner Intuition von nun an häufiger Gehör zu schenken.

,,Ist sie diejenige, von der du gesprochen hast, als du meintest, du hättest jemanden getötet? Oder gab es noch jemanden?", fragte ich zögerlich. ,,Sie ist die Einzige! Und bereits eine zu viel."

Ich entspannte mich ein wenig - jedenfalls soweit, wie die brenzlige Situation es zuließ. ,,Enzo du hast sie nicht getötet. Hör auf dir die Schuld dafür zu geben. Selbst wenn du deinen Vater kennst - ich kenne dich jetzt auch eine Weile und ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht darüber nachgedacht hast, dass deine Aussage eventuell zu ihrem Tod führen könnte, als du mit ihm über sie gesprochen hast!", sagte ich leise und wusste selbst nicht so ganz, weshalb ich versuchte ihn zu verteidigen und sein Gewissen zu entlasten.

,,Das hätte ich aber tun sollen, Jess! Das ist keine Kleinigkeit, wie zu vergessen, seinen Ausweis mitzunehmen, wenn man ausgeht. Ich kann nicht mehr umkehren und meinen Fehler wieder gut machen und deshalb hätte ich darüber nachdenken müssen!"

Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Arm. Ich wusste, dass ich ihm diese Schuld nicht nehmen konnte, egal, was ich sagte, doch ich wollte ihm wenigstens das Gefühl von ein wenig Unterstützung geben. Gleichzeitig nagte jedoch auch der egoistische Gedanke an mir, was jetzt mit mir passieren würde. Nach der Geschichte konnte ich mir kaum vorstellen, dass er mich an seinen Vater verriet. Allerdings wusste er von mir zu einhundert Prozent, dass die Anschuldigung berechtigt wäre, was mich im entscheidenden Punkt von Malina unterschied. Ich schluckte.

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt