Cuarenta

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Ich ging mit gerunzelter Stirn in Richtung Tür, an der es gerade geklopft hatte. Ich musste gleich los zu dem Hauskauf, der heute anstand und war gerade dabei gewesen ein wenig Lippenstift aufzutragen. Als ich die Tür öffnete, war niemand dort. Ich wollte die Tür gerade wieder schließen, da fiel mein Blick auf etwas am Boden. Meine Lippen verzogen sich von ganz allein zu einem Lächeln. Da stand tatsächlich ein Muffin vor meiner Tür. Es war ein einfacher Schokomuffin, in dessen Mitte eine blaue Kerze stand, die vor sich hin flackerte. An dem Muffin lehnte ein kleines Kärtchen. 

Ich bückte mich und hob beides auf. Auf dem Kärtchen stand 'Alles Gute, cariño! - Enzo (P.S: Ich weiß du wirfst mir gern vor  zu klauen, aber der Muffin ist bezahlt ;)'.

Eine wohlige Wärme breitete sich in meiner Brust aus und ich konnte das Grinsen nicht mehr abstellen. Der Typ war wirklich eine Nummer für sich!

Wenig später befand ich mich mitten im Hauskauf und hatte immer noch keine Zeit gehabt, mit Enzo zu sprechen. Bei dem Haus handelte es sich um ein ziemlich großes Gebäude inklusive Garten mit einem eingelassenen Swimmingpool. Der Besitzer, der es an unsere Agentur verkaufen wollte, führte Mr Álvarez, die Jungs, den Notar und mich ausgiebig umher und ich versuchte mir mein Staunen nicht anmerken zu lassen. Das Haus war ein Traum.

Für die Verhandlungen gingen wir in das große Büro, welches als letzter Raum noch ein paar Möbel und Akten enthielt. Kaum saßen wir, nickte Mr Álvarez seinem jüngsten Sohn zu und ich sah überrascht in Dashs Richtung. Ich hatte schon am Morgen beim Frühstück das Gefühl gehabt, dass er nervös wirkte. Er hatte gar nicht gesagt, dass er an den Verhandlungen teilnehmen würde.

Es dauerte eine Weile bis das Gespräch zum Ende kam, doch Mr Álvarez schien zufrieden mit dem Preis und ich musste auch gestehen, dass Dash wirklich überzeugend sein konnte, was ich ihm auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hatte. ,,Mein Sohn wird das Geld holen!", erklärte Mr Álvarez dem Herrn uns gegenüber. Dieser nickte, wusste also offensichtlich, dass die Summe in bar beglichen werden würde. Ich fragte mich, ob er sich nicht wunderte, wieso so eine hohe Summe in bar gezahlt wurde. Wahrscheinlich war er als privat Verkäufer bei der Stange Geld aber einfach froh, dass er das Geschäft erfolgreich abschließen konnte.

Enzo hatte mittlerweile den Raum verlassen und kehrte kurze Zeit später, in welcher sich mein Chef mit dem Verkäufer und dem Notar über irgendwelche Aktienkurse unterhielt, mit zwei schwarzen Koffern zurück. Er überreichte sie dem Mann, welcher sie öffnete und die Summe zählte, was durch die Geldbündelung recht schnell ging. Ich hatte meinerseits noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen und war ein wenig überwältigt.

Als wir wenig später das Gebäude verließen und zu den Autos zurück gingen, sagte Mr Álvarez: ,,Ich hoffe Sie konnten ein wenig an Erfahrungen mitnehmen, Frau Parker. Ich finde es wichtig, dass alle Angestellten unseres Unternehmens auch mal hinter den Kulissen hervorkommen und das, worum es in unserem Unternehmen geht, mit anschauen!"

Ich nickte bekräftigend. ,,Ja, vielen Dank für diese Erfahrung. Die Arbeit ist wirklich spannend!", sagte ich und meinte es so. Auch wenn ich wusste, dass ich spätestens Donnerstag alles haarklein an den BND weitergeben würde, inklusive des Namens unseres  Verkäufers und des Notars. Sein Name war laut Isabelle Flemming von besonderem Interesse für den Geheimdienst, da er bisher noch nicht aufgedeckt wurde.

Ich verabschiedete mich gerade von Mr Álvarez, der mich für den restlichen Tag entließ und wollte zurück in mein Zimmer gehen, um mit meinen Eltern zu telefonieren, da hielt Enzo mich am Arm fest. Er sah heute trotz nächtlicher Aktivitäten top fit aus und ich hatte heute Morgen auch kein Mädchen aus seinem Zimmer gehen sehen, was mich insgeheim ein wenig erleichterte. Allerdings musste er schon ziemlich früh wach gewesen sein, wenn er noch einen Muffin kaufen war, also vielleicht hatte ich sie auch verpasst.

,,Danke für den Muffin!", meinte ich grinsend. ,,Keine Ursache - ich dachte mir, wenn ich dir schon den Mund wässrig rede, dann kann ich jetzt nicht mit leeren Händen dastehen!", entgegnete er und vergrub seine Hände in den Taschen seiner dunklen Anzugshose.

,,Tatsächlich bin ich aber nicht nur hier, damit du mir deine Dankbarkeit ausdrücken kannst, sondern ich wollte dir Bescheid sagen, dass du in einer halben Stunde in der Lobby sein sollst!", meinte er ohne eine Miene zu verziehen.

,,Wieso das?", fragte ich überrascht und irgendwo tief in mir nagte die Angst, dass es um irgendein Mafia Ding gehen könnte. ,,Lass dich überraschen!", sagte er geheimnisvoll. ,,Ich mag keine Überraschungen!"

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. ,,Dir bleibt aber keine Wahl, guapa!" Ich schmunzelte bei dem neuen Kosenamen, kommentierte ihn aber nicht weiter. ,,Na gut, was muss ich anziehen?", hakte ich nach. ,,Sollte bequem sein und nicht zu dünn!"

Ich runzelte die Stirn. ,,Was zur Hölle hast du denn vor?" Er zuckte bloß mit den Schultern und verschwand dann in seinem Zimmer. Seufzend betrat ich ebenfalls mein Zimmer und während ich meine Eltern anrief, denen ich versprochen hatte mich zu melden, sobald ich Zeit hatte, sah ich in meinen Schrank und versuchte mich zu entscheiden, was ich tragen wollte.

Wenig später stand ich unten in der Lobby. Ich hatte mich für einen weinroten Rollkragenpulli und eine schlichte schwarze Jeans entschieden. Da ich nur meine Übergangsjacke mit hatte, neben dem Blazer, der für heute aber zu formell wäre, hatte ich die Übergangsjacke über gezogen. 

Enzo wartete überraschenderweise schon auf mich. ,,Sagst du mir jetzt, wo wir hingehen?", fragte ich ein wenig nervös. ,,Komm einfach mit, du wirst es gleich sehen!", meinte er. ,,Diese Frage kommt vielleicht ein bisschen spät, aber warst du schonmal in Heidelberg?", hakte er nach, während wir das Hotel verließen. 

,,Nein, bisher noch nicht!" ,,Perfecto!" ,,Du machst mich wirklich nervös, Enzo!", merkte ich an, während ich ihm völlig planlos folgte. Er warf mir einen schelmischen Blick zu: ,,Ich dachte diese Wirkung hab ich immer auf dich!" ,,Ha ha!"

Wenig später standen wir mitten in Heidelberg und langsam dämmerte mir, was er vorhatte. ,,Das ist nicht dein Ernst - wir machen eine Sightseeing Tour mit dem Bus mit?", fragte ich belustigt. ,,Du hast es erfasst. Ich war zu selten hier um mir zuzutrauen, dass ich dir hier selbst ein bisschen was zeige, aber wenn du schonmal hier bist, musst du wenigstens was von der Stadt gesehen haben!"

Ehe ich noch etwas sagen konnte, hielt er dem Tourguide, der neben einem der großen Touribusse stand, zwei Karten hin. ,,Viel Spaß!", sagte dieser und wir betraten den Bus. Als wir wenig später ganz oben zwei Plätze gefunden hatten, meinte ich leise kichernd: ,,Ist dir bewusst, dass hier gefühlt nur Rentner mitfahren?" Enzo senkte seinen Kopf ein bisschen und murmelte leise: ,,Nein, da vorne sitzt ein Pärchen mit ihrem Kind!" Ich folgte seinem Finger, mit dem er unauffällig auf die Bank drei Reihen vor uns deutete. 

,,Na gut - die drei ausgenommen!", entgegnete ich und musste gestehen, dass ich seine Nähe und die Berührung unserer Arme und Oberschenkel genoss. ,,Alte Leute sind entspannt - das wird witzig!", meinte er grinsend und ich schüttelte lachend den Kopf. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass Enzo der Typ für Sightseeing Bus Touren war. 

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt