Lo Que Quieres - Was du wirklich willst

Treinta y cinco

,,Guten Abend, Frau Parker! Schön, dass Sie es auch geschafft haben!", sagte er lächelnd. Er schien gute Laune zu haben. ,,Danke, für die Einladung!", entgegnete ich und versuchte seinen Blick zu erwiedern.

,,Darf ich Ihnen einige Ihrer Kollegen aus der Firma vorstellen - das hier ist mein Neffe Valerio Álvarez, der Sohn meines Bruders. Sie kennen sich von Ihrer Einführung!", sagte er und wir nickten beide. Valerio hielt mir die Hand hin und wie schon bei unserer ersten Begegnung lief mir ein Schauder über den Rücken.

Ich drückte kurz seine Hand, dann stellte mich Mr Álvarez immer weiteren Kollegen und Kolleginnen vor und ich wünschte Enzo hätte mich nicht allein bei ihnen gelassen. Die meisten Gespräche wurden tatsächlich in Spanisch geführt, wodurch ich kaum etwas verstand. Mit Enzo, Celine oder auch Dash hätte ich mich wenigstens nicht ganz so einsam gefühlt.

Ich fragte mich, ob Emilia auch hier war, doch ich hatte sie noch nirgends entdeckt. Auch ihre Gesellschaft wäre angenehm gewesen, weil wir uns bei dem Immobilienverkauf, bei welchem ich dabei gewesen war, so gut verstanden hatten.

Ich stand gerade in einer Gruppe aus jüngeren Leuten, die sich immerhin bemühten deutsch zu sprechen, damit ich mithören konnte und mitsprechen, falls ich wollte, da legte sich eine Hand auf meinen unteren Rücken. Da ich davon ausging, dass Enzo mich aus dieser befremdlichen Situation herausholen wollte, wandte ich meinen Kopf erleichtert herum und versteifte mich augenblicklich.

,,Nate! Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen!", sagte ein Typ aus meinem Stehkreis, von dem ich meinte zu wissen, dass er der Sohn eines Cousins von Mr Álvarez war. ,,Dario - tienes razón! Drei Jahre ist es bestimmt her!", entgegnete Nate so charmant wie immer und ließ mich glücklicherweise los, um seinen Gegenüber kurz zu umarmen.

Ehe ich jedoch die Flucht ergreifen konnte, hatte er sich zurückgelehnt und seine Hand auf meine Hüfte gelegt. Den anderen war das nicht entgangen. ,,Du hast gar nichts erzählt - Jessica? Bist du mit Nate zusammen?", fragte die junge Frau in unserem Kreis, von der ich vergessen hatte, wie sie zu den Álvarez stand. Ich wollte gerade verneinen und irgendwie versuchen höflich das Gespräch zu beenden, denn bei Nates Berührung brach mir bereits der kalte Schweiß aus, da kam mir jemand zuvor.

Enzo drängte sich zwischen uns. Nates Arm verschwand und wurde durch Enzos Arm ersetzt, der seinem Bruder einen kühlen Blick schenkte. ,,Nein - Jess ist mit mir hier und ganz sicher nicht die Freundin meines idiotischen Bruders!", stellte er klar. Er wirkte angespannt.

Die Jungs lachten auf, doch das Mädchen schaute nachdenklich. ,,Das heißt du bist mit ihr zusammen? Dash hat erzählt, dass du seit dem ganzen mit Malina damals, niemanden mehr -", sagte sie, wurde jedoch leider von Darios Ellenbogen in ihrer Seite und durch ein paar gemurmelte spanische Worten seinerseits unterbrochen. Ich runzelte die Stirn als ich sah, wie Dario und Nate einen schnellen Blick austauschten. Ich sah zu Enzo auf, dessen Gesicht sich noch mehr verhärtet hatte.

Seit dem mit Malina? Ich dachte, dass Malina eine ältere Freundin der Familie war - war Enzo trotzdem mit ihr zusammen? Was hieß überhaupt damals? So lang arbeitete ich schließlich noch nicht auf ihrem Posten.

Eine Frage nach der anderen türmte sich in meinen Gedanken auf, doch ich versuchte mich wieder aufs Gespräch zu konzentrieren. ,,Wir sind nicht zusammen! Und ich bin auch nur hier, um Jess zu befreien. Ein Teil unserer Familie hatte sich vor kurzem mal wieder weniger gut im Griff als ein anderer Teil, deshalb bin ich mir sicher, dass sie keine Lust auf dieses Gespräch hat", sagte er schneidend und das Mädchen sah Nate an. Sie zog die Augenbrauen hoch und sah dann betreten auf ihre Schuhe. Meinen Blick mied sie.

,,Schon wieder, Nate? Ich sag dir, wenn du mit einem Dad, wie meinem aufgewachsen wärst, würdest du dich das nicht trauen!", meinte Dario lachend und ich war fassungslos. Ich sah die anderen beiden, die noch in unserem Kreis standen und recht schweigsam waren, an, aber auch auf ihren Gesichtern sah man keine Überraschung.

Offensichtlich war bekannt, was Nate mit Frauen tat. Was er mit mir gemacht, beziehungsweise versucht hatte. Und Dario besaß die Frechheit darüber zu lachen? Wut kochte in mir auf und ich ballte die Hände zu Fäusten. ,,Entschuldige Mal du Arschloch - was genau ist so lustig daran?", fauchte ich und Enzos Handdruck auf meiner Hüfte wurde fester.

Für einen Moment schwiegen alle und sahen mich überrascht an. Dann begannen Dario und Nate gleichzeitig zu lachen und ich war vollkommen baff. Wie konnte man so wenig Gewissen haben und so wenig Empathie? Dario sagte immer noch lachend etwas aus Spanisch zu Nate und jetzt grinste auch einer der anderen beiden Typen.

Ich war vollkommen fassungslos und mein Blick suchte den von dem Mädchen. Wir Frauen hielten - meistens jedenfalls - doch zusammen, besonders wenn es um Themen, wie Gewalt an Frauen ging. Sie lachte zwar nicht, sagte aber auch nichts, geschweige denn erwiederte sie meinen Blick. Ich wollte gerade erneut verbal ausholen, da grätschte Enzo zwischen den kleinen spanischen Dialog der beiden Männer, indem er ebenfalls etwas auf Spanisch sagte und mich daraufhin mit sich zog, ohne noch ein weiteres Wort abzuwarten.

Ich wehrte mich nicht, denn ich war noch viel zu perplex von dem, was gerade passiert war. ,,Sie wissen, was Nate mit Frauen macht, oder?", hakte ich nach, nur um ganz sicher zu gehen, dass ich hier gerade nicht etwas völlig missverstanden hatte. Ich sah zu Enzo auf, der mich in Richtung Buffet gezogen und seine Hand von meiner Hüfte genommen hatte.

Er sah mich nun ebenfalls an und nickte. ,,Das wissen sie!"

Plötzich musste ich an unser Gespräch denken, als ich ihn nach der Clubnacht gefragt hatte, ob ich zur Polizei gehen sollte und er mich davon abgehalten hatte. Jetzt war klar, dass er offensichtlich seine Mafia Familie hatte schützen wollen und ich bereute einmal mehr, dass ich es nicht dennoch getan hatte. Da ich daran sowieso nichts mehr ändern konnte, beschloss ich diesen Trumpf nun stattdessen ihm gegenüber auszuspielen, schließlich hatte er keine Ahnung, dass ich über seine Familie Bescheid wusste.

,,Wieso wolltest du nicht, dass ich zur Polizei gehe, als ich dir von der Nacht erzählt habe in der Nate versucht hat mich zum Sex zu zwingen? Wenn ich nicht mal die Erste war, der sowas passiert ist und es in eurer Familie offensichtlich keine große Sache ist, Frauen zu vergewaltigen? Zu Hause bekommt ihr ja offensichtlich auch keine großartige Strafe für sowas", stellte ich eisig fest. Um das ganze noch ein wenig dramatischer zu machen und ihn damit zu einer Antwort zu drängen, fügte ich hinzu: ,,Ist es, weil es für dich auch keine große Sache ist? Hättest du mich bei unserem ersten Wiedersehen auch hinter den Club gezerrt, wenn ich damals nicht freiwillig mitgegangen wäre?"

Eine Regung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und ich erkannte, dass ich ihn mit meinen Worten verletzt hatte. Enzo setzte zum Sprechen an.

,,Da seid ihr ja! Ich hab dich schon gesucht, Jess! Ich sag dir, ess jetzt noch nicht zu viel, auch wenn es schwer ist zu wiederstehen, aber der Nachtisch ist der Wahnsinn! Wir haben uns eben in die Küche geschlichen und probiert!", unterbrach uns plötzlich eine lachende Celine, die sich mit Dash im Schlepptau zu uns gesellte.

Ich sah noch einmal zu meinem Begleiter, doch dieser hatte sich von mir abgewandt, einen Teller genommen und begann sich Essen aufzutun. Seine Miene war wieder so verschlossen, wie immer, wenn er nicht wollte, dass ich wusste, was ihm durch den Kopf ging.

Ich seufzte. Das wars dann wohl mit möglichen Informationen. Ich reagierte auf Celines Redeschwall und kam mit ihr und Dash ins Gespräch. Enzo blieb zwar bei uns, doch sagte kaum ein Wort, was wirklich ungewöhnlich war. Meine Laune war nach der Begegnung mit Nate und dem Gespräch mit ihm und Teilen seiner Familie sowieso schon im Keller, aber das machte es noch schlimmer. Das würde ja ein toller Abend werden.